Bessere Zeiten: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron steht 2018 mit dem damaligen australischen Premier Malcom Turnball an Deck des U-Bootes HMAS Waller aus der australischen Collins-Klasse.

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Der Indopazifik-Raum gilt als ein Zentrum des weltweiten Handels. Auch militärisch ist er darüber hinaus von Bedeutung. Und Strategen macht er seit Jahren Sorge. Denn Chinas Expansionsbestrebungen zeichnen sich nur allzu deutlich ab. Dem stellten die USA, Großbritannien und Australien etwas entgegen: ein neues Sicherheitsbündnis namens Aukus, das sie vorige Woche präsentierten. Teil der Zusammenarbeit: Australien wird beim Bau nuklearbetriebener U-Boote von den USA unterstützt. Kehr seite: Ein ähnlicher Deal mit Frankreich wurde storniert. Dort reagierte man mehr als nur pikiert. Paris rief Botschafter zurück und liegt mit den drei Staaten im Clinch – zaghaft unterstützt von der EU.

Frage: Worum geht es im U-Boot-Streit überhaupt?

Antwort: Im Grunde geht es darum, dass Australien eine Sicherheitsallianz mit den USA und Großbritannien eingegangen ist, die die Ausrüstung des Landes mit atomar angetriebenen U-Booten beinhaltet. Damit war ein schon lange ausgehandelter Deal mit Frankreich über zwölf konventionelle U-Boote für Down Under plötzlich obsolet. Aus tralien steigt aus dem Abkommen mit dem staatlichen Rüstungsunternehmen DCNS – Auftragswert 56 Milliarden Dollar – aus. Die Erklärung von Australiens Premier Scott Morrison: nationale Interessen.

Frage: Warum wurde Frankreich vom Ausstieg derart überrascht?

Antwort: Paris zeigte sich von dem Vertragsrücktritt tatsächlich überrascht und bestritt, im Vorhinein von der Entscheidung informiert worden zu sein. Präsident Emmanuel Macron will aus den Nachrichten vom Abkommen erfahren haben, ebenso der französische Botschafter in Canberra, Jean-Pierre Thébault. Dem widerspricht die australische Regierung. Jedenfalls sollen die Verhandlungen über eineinhalb Jahre gelaufen sein. In dieser Zeit haben sich US-Präsident Joe Biden und Macron persönlich getroffen. Vorwarnung gab es laut Paris keine.

Frage: Kann man einfach so aus einem Vertrag aussteigen?

Antwort: Nein, kann man nicht. Natürlich ist auch Australien an den Vertrag mit dem Rüstungsunternehmen DCNS gebunden. Im Vertrag sind Ausstiegsszenarien sicher berücksichtigt. Canberra gibt jedenfalls an, dass das Projekt Jahre hinter dem Zeitplan gelegen sei und klar über Budget. Das Ganze wird wohl vor einem internationalen Schiedsgericht landen. Pönalzahlungen sind wahrscheinlich.

Frage: Übertreibt Macron in seiner Reaktion nicht etwas?

Antwort: Es ist das erste Mal in der Geschichte der US-französischen Beziehungen, dass Paris seinen Botschafter aus Washington zurückruft. Der Zwist belastet nach Ansicht Frankreichs auch die Zukunft der Nato. Frankreich fühlt sich auch deshalb betrogen, weil US-Präsident Joe Biden stets die Wichtigkeit der transatlantischen Partnerschaft betont. Es sieht sich wegen seiner Überseegebiete, etwa Neukaledonien, ebenfalls als Großmacht im Indopazifik – und als Nachbar Australiens. Für Macron ist die Sache auch bitter, weil der Ausfall Arbeitsplätze kostet – kurz vor der Wahl 2022.

Frage: Warum ist der indopazifische Raum plötzlich allen so wichtig?

Antwort: Einerseits ist die Region schon ob ihrer Lage von großer strategischer Bedeutung, mit China und Indien gehören die beiden einwohnerstärksten Staaten dazu, mit Indonesien der größte muslimische Staat der Welt und mit den USA und Japan die Nummern eins und drei der größten Volkswirtschaften. Sieben der zehn größten Armeen sind dort zu finden, und ein Drittel des weltweiten Handelsverkehrs verläuft zudem allein im chinesischen Teil des Pazifiks. Dass sich die USA nun schon seit der Ära Barack Obamas näher mit der riesigen Region befassen, wird von China als Bedrohung wahrgenommen. Umgekehrt sehen die anderen Anrainer Chinas Kraftmeierei als gefährlich an.

Frage: Könnte der Pakt ein Atomwettrüsten im Indopazifik auslösen?

Antwort: Indonesien und Malaysia haben zu Beginn der Woche vor einem neuen atomaren Wettstreit ähnlich wie im Kalten Krieg gewarnt – nur sind diesmal neben den USA nicht die Sowjets, sondern China beteiligt. Der US-Alliierte Australien betont aber so wie US-Präsident Joe Biden stets, dass keine Atomwaffen auf den Booten stationiert werden sollen. Auch Nordkorea, selbst im Besitz mehrerer Atomsprengköpfe, warnte vor einem Wettrüsten.

Frage: Was bedeutet die Idee der EU, die Handelsverträge mit den USA und Australien auf Eis zu legen?

Antwort: Am Dienstag strich die slowenische EU-Ratspräsidentschaft die Vorbereitungsgespräche für einen US-EU-Gipfel zum Thema Handels- und Technologiepolitik – als erstes spürbares Zeichen der Unterstützung für das Mitgliedsland Frankreich. Und auch der Freihandelsvertrag mit Australien, den die EU geplant hatte, steht nach dem gescheiterten U-Boot-Deal auf der Kippe. Man könne nicht weitermachen, als sei nichts passiert, hieß es dazu aus Paris. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, man analysiere die Auswirkungen des U-Boot-Deals.

Frage: Was sind die EU-Interessen?

Antwort: Brüssel muss jetzt Farbe bekennen – Frankreich ist einer der wichtigsten Mitgliedsstaaten, die zweitgrößte EU-Volkswirtschaft und nach dem Austritt Großbritanniens die letzte verbliebene Atommacht. Als wichtige Handelsregion hat die EU ein natürliches Interesse an Stabilität im Indopazifik. Zudem hatte die Union monatelang an ihrem neuen Strategiepapier zum Indopazifik gefeilt, nur um seine Präsen tation vom neuen US-britisch-aus tralischen Aukus-Pakt überschattet zu sehen, der einen Tag zuvor bekanntgemacht wurde. Der EU-Plan sieht unter anderem vor, mehr europäische Truppen in der Region zu stationieren, um den Handelsverkehr sichern zu können – was die USA im Übrigen lange gefordert hatten.

Frage: Was sagt der Streit über geopolitische Entwicklungen aus?

Antwort: Zunächst lässt er alle Beteiligten nicht sehr gut aussehen: Dass scheinbar enge Verbündete, von denen fast alle in der Nato organisiert sind, es nicht fertigbringen, sich ohne öffentlichen Eklat auf die Modalitäten ihrer Zusammenarbeit zu verständigen, wird man in China gerne sehen – jedenfalls lieber als die Aukus-Allianz selbst, die durchaus eine Bedrohung darstellt. Zugleich ist der Streit für Macron in einem anderen Feld womöglich hilfreich. Frankreichs Präsident drängt schon lange auf eine unabhängige gemeinsame EU-Verteidigung. Der Vertrauensbruch der anderen Partner liefert Argumentationsstoff.

Frage: Wie begründet sind Warnungen vor einem neuen kalten Krieg?

Antwort: Auch wenn Joe Biden jüngst vor der Uno eine solche Konfrontation noch als vermeidbar darstellte: Vor allem was die Konkurrenz der Systeme – Demokratien gegen Autoritarismus – betrifft, ist der Konflikt längst im Gange. Das betrifft die Politik ebenso wie das Management der Wirtschaft. Und auch militärisch wächst das Misstrauen, die deutlich konfrontativen Gesten nehmen zu.

Frage: Wie könnte der Streit wieder eingehegt werden?

Antwort: Das wird wohl schwierig. Vertrauensbildende Maßnahmen könnten helfen, finden bisher aber kaum statt. Was die Ansprüche auf Seegebiet und Handelswege betrifft, könnten Schiedssprüche helfen. Doch diese müssten alle Partner erst einmal akzeptieren. (22.9.2021)