Die Uno, ein Papiertiger. Doch sie könnte auch machtvoll sein, wenn man sie denn ließe.

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Es war eine düstere Warnung über den Zustand der Welt. "Wir stehen am Rande eines Abgrunds", sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, vor den Vertretern der Mitgliedsländer. "Und wir bewegen uns in die falsche Richtung." Tatsächlich erlebt die Welt einen Sturm der Krisen: Covid-19, Armut, Hunger, Terror, Cyberhass, Kriege und Konflikte. Und über allem wölbt sich der Klimawandel mit seinen verheerenden Konsequenzen. Die meisten dieser Heimsuchungen für die Menschheit kennen keine nationalen Grenzen.

Angesichts der globalen Herausforderungen müsste die Uno eigentlich eine stärkere Rolle spielen. Umfasst sie doch fast alle Staaten, sie kann sich einer einzigartigen Legitimation sicher sein und sie verfügt über das nötige Know-how. Doch der Staatenbund kann seine potenziellen Kräfte zum Wohle der Erdbewohner nicht so entfalten, wie es nötig wäre. Denn die Organisation verfügt nur "über begrenzte Instrumente und Potenziale".

Diese Erkenntnis schrieb Guterres den Mitgliedsländern diese Woche beim UN-Gipfel ins Stammbuch. Traurige Beispiele gibt es zuhauf. In der Corona-Krise fehlen dem Programm Covax unter UN-Federführung die finanziellen Mittel, um flächendeckend in armen Ländern zu impfen. Covax hat bereits mehrere Ziele verfehlt und ist auf überschüssige Dosen aus reichen Staaten angewiesen. Auch die fortschreitende Erderwärmung offenbart Schwäche. Zwar einigten sich die UN-Staaten auf das Pariser Klimaabkommen, doch die hehren Ziele des Paktes drohen außer Reichweite zu geraten. Und bei ihrer zentralen Aufgabe, der Verhinderung und Lösung bewaffneter Konflikte, scheitern die UN ohnehin zu oft.

Gewollt machtlos

Als eine der wichtigsten Ursachen der UN-Schwäche gilt das Machtgebaren der fünf Vetostaaten im Sicherheitsrat: USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Zum einen legt ihre Rivalität die UN mitunter lahm. Zum anderen wollen die P5 überhaupt keinen kräftigen Staatenbund. Transfers von Souveränität, von Einfluss und großer Ressourcen auf die Weltorganisation kommen für sie nicht infrage.

Das hat sich auch unter der Regierung von US-Präsident Joe Biden nicht geändert. Zwar beschwor Biden in seiner ersten Rede als US-Präsident vor der UN-Vollversammlung am Dienstag die internationale Kooperation, legte sich auf "beharrliche Diplomatie" fest und zielte darauf ab, ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Zentraler Punkt der Darbietung: Er sei nicht wie sein Vorgänger Donald Trump. Aber: Die USA engagieren sich nur zu ihren eigenen Bedingungen. Sie wollen den Ton angeben.

Angesichts der machtpolitischen Realitäten bleibt den Vereinten Nationen oft nicht viel mehr übrig, als sich darauf zu konzentrieren, wozu sie am besten in der Lage sind. Sie dienen als Forum, in dem die Staaten Debatten führen und Abkommen zur Verbesserung des Loses der Menschheit aus handeln. So tragen die UN-Verträge zur Abrüstung dazu bei, dass die Welt nicht noch längere und noch grausamere Kriege erdulden muss.

Als ebenso unersetzlich erweist sich die entwicklungspolitische und humanitäre Hilfe, die UN-Organisationen in Konflikten und nach Naturkatastrophen leisten: von Haiti über Äthiopien bis nach Afghanistan. Millionen Menschen überleben nur dank der Lieferungen von Nahrung, Wasser, Medizin und Unterkünften durch das Welternährungsprogramm oder UNHCR und Unicef. Ohne diese Hilfe wäre die Menschheit noch näher am Abgrund. (Jan Dirk Herbermann, 22.9.2021)