Geld zurück für zu viel bezahltes Gas wird es nach dem bevorstehenden Winter und der Sichtung der Jahresabrechnung wohl nur für ganz wenige Personen geben. Das scheint fix. Zu enorm und vor allem anhaltend sind die Preissteigerungen, die sich über den Sommer im europäischen Gasgroßhandel aufgebaut haben, als dass die Endkunden davon auch nur ansatzweise verschont bleiben könnten. In Deutschland haben erste Gasversorger schon Preiserhöhungen im zweistelligen Bereich ab Oktober abgekündigt. In Österreich ist das bisher noch nicht der Fall gewesen, wird aber kommen – möglicherweise schon bald nach dem Wahlgang in Oberösterreich an diesem Wochenende.

Der Gaspreis ist wie der Strompreis höchst politisch, gerade auch in Österreich.
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Der Gaspreis ist wie der Strompreis höchst politisch, gerade auch in Österreich. Die Energieversorger befinden sich mehrheitlich in Besitz der öffentlichen Hand und sind vielfältigst miteinander verbandelt. Nicht immer wird aus rein betriebswirtschaftlichen Motiven gehandelt, sondern durchaus auch mit dem Ohr an Volkes Stimme.

Warum ist es zu diesem außerordentlichen Preissprung bei einem Produkt gekommen, von dem man dachte, es gäbe genug davon? Gut meinend könnte man sagen, die Situation ist von Gaslieferanten, darunter Gazprom, schlicht unterschätzt worden. Nach dem Corona-bedingten Einbruch der Nachfrage hat die Konjunktur wieder deutlich Fahrt aufgenommen. Der Gasbedarf ist aber auch gestiegen, weil in Europa im Kampf gegen den Klimawandel immer mehr schmutzige Kohle in der Produktion von Strom durch vergleichsweise CO2-armes Erdgas ersetzt wird. Hinzu kommt, dass im Sommer um knapp ein Drittel weniger verflüssigtes Erdgas, sogenanntes LNG, in Europa angekommen ist als üblich. Der Grund: Die Preise in Asien liegen noch um einiges über dem europäischen Niveau, sodass die LNG-Tanker geradewegs Kurs dorthin genommen haben.

Lieferverpflichtungen

Böswillig könnte man aber auch sagen, dass eine perfide Strategie dahintersteckt. Es ist mehr als auffällig, dass gerade die Erdgasspeicher der russischen Gazprom, des wichtigsten Lieferanten von Gas nach Europa, im Sommer fast völlig geleert und nicht wieder aufgefüllt wurden. Der Speicher Haidach 30 Kilometer nordöstlich von Salzburg ist vor Beginn der Heizsaison beispielsweise nur zu etwas mehr als zwei Prozent gefüllt, der Gazprom-Speicher Rehden bei Bremen zu rund vier Prozent. Russland kommt seinen Lieferverpflichtungen zwar nach, kann sich jetzt aber beim Abschluss neuer Gaslieferverträge über deutlich höhere Einnahmen freuen. Und nebenbei hat Russland nun auch ein gutes Druckmittel, dass die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 rasch genehmigt wird.

"Seht her, wir könnten zig Milliarden Kubikmeter Erdgas über die neue Route nach Europa bringen und sofort für Entspannung am Gasmarkt sorgen; wenn ihr uns lasst, schon in den ersten Winterwochen." In diese Richtung könnten die Strategen in Moskau bereits im Frühjahr gedacht haben, als selbst die Fertigstellung der nicht zuletzt von den USA heftig kritisierten Pipeline noch gewackelt hat.

Nun wird es an den europäischen Wettbewerbsbehörden liegen, die Sache genauestens zu untersuchen. Im Fall des Falles sollten und müssten sie hart bleiben. Einer Erpressung, sofern sich dafür Handfestes findet, darf nicht nachgegeben werden. Dann schon lieber höhere Preise für gewisse Zeit in Kauf nehmen und sich Alternativen für Gas überlegen. (Günther Strobl, 23.9.2021)