Bundespräsident Alexander van der Bellen trauf auch auch den Uno-Sondergesandten für Klima und Finanzen, Mark Carney.

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New York / Wien – Die Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan war das außenpolitische Thema der vergangenen Wochen, doch wurde es bei der aktuellen UN-Generaldebatte bisher kaum angesprochen. Diese Einschätzung äußerte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einem Interview mit der APA. Es sei offenbar noch zu unklar, wie es in Afghanistan weitergehe. Doch dürften dort künftig Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine wichtige Rolle spielen.

"Ich glaube, diese Nichtbetonung hat einen Grund: Wir wissen zu wenig, wie es in Afghanistan ausschaut, und vor allem, wie es dort weitergeht", sagte Van der Bellen. Er spricht sich dafür aus, dass NGOs etwa bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln eine wichtige Rolle einnehmen.

Weltmächte einigen sich auf gemeinsame Linie

Die fünf permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrats haben sich indes auf eine gemeinsame Linie gegenüber den Taliban geeinigt. Sie riefen die Radikalislamisten zur Bildung einer Regierung auf, die "alle Teile der Bevölkerung repräsentiert", wie UN-Generalsekretär António Guterres am Mittwoch sagte. Demnach wollten alle fünf Weltmächte "ein friedliches und stabiles Afghanistan, in dem humanitäre Hilfe ohne Probleme und ohne Diskriminierung verteilt werden kann".

Sie streben "ein Afghanistan an, in dem die Rechte von Frauen und Mädchen respektiert werden, ein Afghanistan, das kein Zufluchtsort für den Terrorismus ist", sagte Guterres nach dem Gespräch der Außenminister der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Russlands und Chinas am Rande der UN-Generalversammlung in New York.

Die Einigung der fünf Weltmächte ist bedeutsam, da Moskau und Peking sich Ende August noch enthalten hatten, als der Sicherheitsrat eine Resolution über die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft an das neue Regime in Kabul verabschiedete.

Ungleichgewicht bei Impfstoffen

Van der Bellen äußerte sich auch zur Corona-Lage. Bei der Verteilung von Impfstoffen gebe es ein Ungleichgewicht zwischen den Ländern des Nordens und jenen des "globalen Südens". Während in Europa Impfstoffe sogar im Überschuss vorhanden seien, würden Länder in Afrika oder Lateinamerika verzweifelt danach suchen. In Europa und Österreich hingegen würden ungeimpfte Personen, die sich mit Corona infiziert haben, die Spitalskapazitäten blockieren, kritisierte Van der Bellen.

So habe Guterres erzählt, dass auch manche zur Uno-Generaldebatte angereiste Delegationen aus Afrika noch nicht geimpft seien. Bei seinen Treffen mit Präsidenten afrikanischer oder asiatischer Länder sei aber auch zur Sprache gekommen, dass Länder wie Ghana oder der Senegal planen, gemeinsam mit Pharmakonzernen wie Biontech/Pfizer den Aufbau von eigenen Produktionsstätten voranzutreiben. Prinzipiell halte er das angesichts der Entwicklungen der vergangenen Monate für "sehr sinnvoll", erklärte der Bundespräsident. Er räumte aber ein, dass solche Projekte gehörig Zeit beanspruchen.

Treffen mit Amtskollegen

Beim Kampf gegen den Klimawandel ortete der Bundespräsident "Bewegung", zumal "der Markt" die Bedeutung und Risiken des Themas erkannt habe. Beim sich abzeichnenden Machtkampf zwischen den USA und China um Hegemonie in der Welt dürfen sich die europäischen Länder nicht vereinnahmen lassen, mahnte der Bundespräsident. Vielmehr müssten sie selbstbewusst ihre eigenen Interessen vertreten.

Im Rahmen der UN-Generaldebatte ist Van der Bellen in den vergangenen Tagen auch mit zahlreichen Staatsoberhäuptern aus Afrika, Asien und Lateinamerika zu Gesprächen zusammengetroffen. Laut Präsidentschaftskanzlei lag der Fokus auf der Bekämpfung der Pandemie und der Klimakrise.

"Keine Zeit zu verlieren"

"Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ein globale Klimakatastrophe können wir nur abwenden, wenn alle Länder ihre Klimamaßnahmen drastisch verbessern. Die Jugend muss dabei viel stärker in die Entscheidungen eingebunden werden. Darin stimme ich vollkommen mit Uno-Generalsekretär António Guterres überein. Denn es geht um nicht weniger als den Erhalt der Lebensgrundlagen künftiger Generationen", wurde Van der Bellen zitiert. Guterres rechne nun wieder damit, dass die G20-Länder ihre finanziellen Zusagen für den "Klimafonds für ärmere Länder" einhalten werden. Zudem habe der Generalsekretär erklärt, dass "wichtige Länder, die über große Kohlekraftwerke verfügen", bereit seien, schrittweise aus der kalorischen Energieproduktion auszusteigen. "Das wäre eine gute Nachricht."

Van der Bellen traf auch den Uno-Sondergesandten für Klima und Finanzen, Mark Carney. "In letzter Zeit bin ich optimistischer also zuvor. Zwei Aspekte sind dafür verantwortlich: Einerseits sehe ich, wie sehr die Jugend sich beim Kampf gegen die Klimakrise engagiert. Und andererseits sind die Wirtschaft und auch die Finanzwelt aufgewacht. Sie sehen, dass sie ihre Geschäftsmodelle mittelfristig ändern müssen, um am Markt zu bestehen", so Van der Bellen. (APA, red, 23.9.2021)