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Das Oberste Gericht in Polen.

Foto: AP Photo/Czarek Sokolowski

Warschau/Brüssel – Die Disziplinarkammer von Polens Oberstem Gericht hat trotz einer einstweiligen Anordnung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Stopp ihrer Tätigkeit die Immunität eines Richters aufgehoben. Die Kammer gab am Donnerstag einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft statt, die strafrechtliche Verfolgung des Strafrichters Marek Pietruszyński zuzulassen. In Polen kann die Immunität von Richtern und Staatsanwälten nur gerichtlich aufgehoben werden.

Im Juli hatte der EuGH geurteilt, dass die Disziplinarkammer nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bietet. Später verfügte der EuGH mit einer einstweiligen Anordnung den Stopp der Tätigkeit der Kammer, woran sich Warschau aber nicht hält. Mittlerweile hat die EU-Kommission daher beim EuGH Sanktionen gegen Polen beantragt.

Die Disziplinarkammer ist das Herzstück der umstrittenen Reformen des polnischen Justizsystems der nationalkonservativen PiS-Regierung. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker dieser Einrichtung befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unbotmäßige Entscheidungen zu maßregeln.

Die Präsidentin des Obersten Gerichts hatte nach dem Druck der EU-Behörden zwar angeordnet, dass die Disziplinarkammer keine neuen Fälle bekommt. Sie arbeitet aber Bestandssachen ab.

Entscheidung vertagt

Am Mittwoch hatte das Verfassungsgericht in Polen eine Entscheidung zu der Frage, ob das polnische Grundgesetz über EU-Recht steht, erneut vertagt. Die am Mittwoch begonnene Sitzung solle am 30. September fortgesetzt werden. Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte die Verfassungsrichter gebeten, ein Urteil des EuGH vom März zu überprüfen. Darin hatten die obersten EU-Richter festgestellt, dass EU-Recht Mitgliedsstaaten zwingen kann, einzelne Vorschriften im nationalen Recht außer Acht zu lassen. Das gelte demnach selbst dann, wenn es sich um Verfassungsrecht handle. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen des polnischen Justizsystems bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. (APA, dpa, Reuters, red, 23.9.2021)