Fünf Halbnackte und ein Rehbock im Kasino des Burgtheaters.

Foto: Karolina Miernik

Die Bühne ist ein Laufsteg. Ausgelegt mit einem silbernen Läufer turnen neun halbnackte Spieler in mörderisch hohen Stöckelschuhen auf und ab. Vögel zwitschern, Bässe wummern, eine Tänzerin wirft sich in überdrehte Pin-up-Posen.

(Ob)Sessions heißt der über zweistündige Abend im Kasino am Schwarzenbergplatz, der Nebenspielstätte des Burgtheaters. Im Sommer ist an diesem Ort Impulstanz zu Gast, und beinahe scheint es, das Festival drehte mit diesem Projekt der israelischen Choreografin Saar Magal eine Extrarunde – leider eine höchst überflüssige.

Denn so bedeutungsschwer sich der Abend geriert, so flach (und allerliebst anzuschauen) fällt das Ergebnis aus. Um Selbstinszenierung und -optimierung geht es bei dem von Burgtheaterschauspielern gemeinsam mit Studierenden der MUK erarbeiteten Projekt, das in einer Reihe von Workshops (Sessions) entstanden ist. Dabei wurden offensichtlich viele High Heels an- und wieder ausgezogen, man warf sich in Glitzerkostüme und Aida-Konditorei-Schürzen, verliebte sich in einen sprechenden Baby-Yoda und erfreute sich an ersten Pole-Dance-Erfahrungen. Aber der Reihe nach, soweit dies möglich ist.

Werkstattsituation

So etwas wie ein dramaturgisches Grundgerüst hat (Ob)Sessions nicht, die Besessenheiten, um die es hier geht, wechseln wie die Untergattis, in die die Spieler mit viel Freude an ausgefallenen Modellen schlüpfen (Jockstraps oder Tangas, aus Latex oder Leder). Magal inszeniert eine Werkstattsituation, in der das Spiel mit Kostümen und Requisiten (Slavna Martinović) integraler Bestandteil ist. Da dekliniert man von Bondage über Crossdressing diverse Fetische durch, da karrt man eine Reihe ausgestopfter Tiere auf die Bühne oder baut eine richtige Hüpfburg auf. Wobei der Schauwert dieser Tätigkeiten sich selbst genügt, unterlegt mit chilliger Musik (Sounddesign: Nikolaj Efendi) verstreicht so schon einmal ein Gutteil der mutig in die Länge gezogenen Performance.

Dazwischen gibt es mal eine mehr, mal eine weniger gelungene Nummer: Life-Coach Nancy (Arthur Klemt) ruft vor der Kamera zu Atemübungen und zum Einkauf in ihrem Onlineshop auf, ein Partytiger (Christoph Luser) beklagt das Verschwinden seines abnehmbaren Penis, eine alternde Musikerin (Elisabeth Augustin) schwingt sich zu einer feministischen Dankesrede auf. Bei Letzterer handelt es sich offenbar um eine Rede von Madonna, die diese vor Jahren gehalten hat.

Warhol-Attentäterin

Unter den wenigen Textpassagen, die in (Ob)Sessions vorkommen, sticht kaum eine hervor: Neben eigenen Texten greift man zwar auf Worte der Warhol-Attentäterin Valerie Solanas oder der Journalistin Laurie Penny zurück – sie reichern das Spiel aber nicht mit mehr als einigen feministischen oder kapitalismuskritischen Schlagworten an.

Aber wahrscheinlich geht es auch nicht um mehr, wichtiger ist die Selbstversicherung, auf der richtigen Seite in diesem am Ende mit Äpfeln und Blumen markierten Garten Eden zu stehen. Dort nahm das Patriarchat laut Regisseurin seinen Lauf. Seinen Normierungen zu entgehen, das hat man sich im Kasino auf die Fahnen geschrieben.

Leider springt dabei für die Zuschauer nicht recht viel mehr heraus als die Betrachtung äußerst ansehnlicher und gut trainierter Spieler bei einer erweiterten Kostümprobe. (Stephan Hilpold, 23.9.2021)