Die Aufregung war programmiert. 4,5 Prozent Lohnerhöhung fordern die Gewerkschaften in der Metallindustrie, und die Arbeitgeber echauffieren sich auftragsgemäß: Unverantwortlich sei das Forderungspaket, den Betrieben und Beschäftigten nicht zumutbar. Gemessen an der Reaktion hätten die Arbeitnehmer genauso gut fünf Prozent Erhöhung verlangen können oder nur drei, es wäre wohl immer als unpassend qualifiziert worden.

Deshalb sollten all jene, die sich in den vergangenen Wochen – je nach Standpunkt – in einem Über- und Unterbietungswettbewerb warmgelaufen haben, einen Gang zurückschalten. Denn eine Forderung ist eine Forderung, nicht mehr und nicht weniger. Was zählt, ist das Ergebnis, das ab November auf den Lohn- und Gehaltszetteln steht.

Im Sinne der Transparenz ist die Veröffentlichung des Forderungspakets durch die Gewerkschafter jedenfalls zu begrüßen, denn nun können sich alle Beteiligten darauf einstellen. Das ist in Deutschland seit Jahrzehnten wohlgeübte Praxis, so kann sich die interessierte Öffentlichkeit ein Bild machen. Die Gewerkschaft setze sich damit ohne Not unter Erfolgsdruck, wenden Kritiker ein, aber das ist ein nur bedingt stichhaltiges Argument. Die Veröffentlichung ermöglicht Kontrolle, und die Verhandler werden am Erreichten gemessen. Wer sich ein wenig für die Materie interessiert, kann ohnehin nicht überrascht sein, die Prozente sind leicht auszurechnen. Die Zutaten sind Inflationsrate, Wirtschaftswachstum (BIP real) und der berühmt-berüchtigte Produktivitätsfortschritt.

Am Donnerstag begannen die Metaller KV-Verhandlungen.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Verhandlungstaktik

So sind die 4,5 Prozent nicht einem Blick in die Glaskugel oder der Gier geschuldet, sondern eher Verhandlungstaktik. Mindestens einen Prozentpunkt kann man getrost abschlagen, das ist quasi die Verhandlungsmasse, um einen Dreier vor dem Komma zu erreichen. 3,xy Prozent sind augenscheinlich das Ziel – und das zu erreichen dürfte schwierig genug werden.

Wohl zeigt die Sachgütererzeugung nach dem dramatischen Corona-Einbruch im Vorjahr wieder Flagge, und die Aussichten für nächstes Jahr sind nicht schlecht; Wirtschaftsforscher sprechen von einem robusten Aufschwung. Aber mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019 bringt die metallverarbeitende Industrie noch nicht auf die Waage. Instabile Lieferketten, Transportschwierigkeiten, Mikrochipkrise, steigende Rohstoff- und Energiepreise – alles Zutaten, die komplizierte Verhandlungen und einen noch komplizierteren Geschäftsgang verheißen.

Das Argument, die Energiepreise seien auch für die Verbraucher belastend, leuchtet ein, sticht aber nur bedingt. Wie man es auch dreht, teure Energie erhöht die Produktionskosten, unterm Strich bleibt zum Verteilen weniger übrig.

Hinzu kommt, dass die Produktivitätsgewinne im Corona-Jahr 2020 eine fragwürdige Größe sind, die mit der Realität wenig zu tun haben. Sie sind von massiven Staatshilfen wie der Kurzarbeitsbeihilfe verzerrt. Allerdings übten zahlreiche Branchenunternehmen bei der Gewinnausschüttung keine Corona-bedingte Zurückhaltung.

Nun sollte in bewährter Manier und möglichst geräuschlos und mit Bedacht verhandelt werden. Verschenkt wird dabei sowieso nichts. Denn was sich die Gewerkschaft auf der einen Seite herausverhandelt, holen sich die Unternehmen im Wege von Effizienzsteigerung, Einsparungen und Digitalisierung zurück. (Luise Ungerboeck, 23.9.2021)