Männer legen bei der Partnersuche genauso wie Frauen viel Wert auf Bildung und Intelligenz. Das führt dazu, dass heute verstärkt in der eigenen Blase geheiratet wird.

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Lange Zeit war es das traditionelle Muster: Frauen heiraten "nach oben", Männer "nach unten". Der Arzt mit der Krankenschwester oder die Sekretärin mit dem Chef – so weit, so bekannt. Das funktioniert, solange Männer über Bildung und Einfluss mehr unmittelbare Chancen für einen gesellschaftlichen Aufstieg haben, während Frauen dafür in erster Linie der Weg über die Ehe bleibt.

Doch in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert. Immer mehr Frauen studieren, schließen Ausbildungen ab und sind finanziell unabhängig. In Österreich absolvieren jedes Jahr mehr Frauen Hochschulen als Männer. Diese neuen demografischen Mehrheiten wirken sich auch auf das Privatleben aus. Denn Bildung ist inzwischen einer der wichtigsten Faktoren bei der Partnerwahl. "Der Trend geht ganz klar dazu über, dass man einen Partner in derselben Bildungsschicht sucht", erklärt Martin Fieder, Professor für Anthropologie an der Universität Wien.

Wenn also in jüngeren Generationen mehr Frauen über hohe Bildung verfügen als Männer, gibt es zwei offensichtliche Verlierer am Heiratsmarkt: hochgebildete Frauen und niedrig gebildete Männer. Die gut gebildeten Männer reichen für die zahlenmäßig überlegenen Frauen in derselben Bildungsschicht nicht aus. Die zwei Randpunkte auf der Skala finden aber nur schwer zusammen. "Je höher man selbst gebildet ist, desto wichtiger ist auch die Bildung des Partners", erklärt Fieder. Zwar komme es auch immer öfter vor, dass Frauen heutzutage "nach unten" heiraten würden. Das funktioniere aber nur, wenn sich die Frau nur eine Ebene nach unten begebe, nicht gleich mehrere, meint der Anthropologe.

Innere Werte zählen vor äußeren

Erschwerend komme hinzu, dass Frauen Studien zufolge höhere Ansprüche hätten als Männer, erklärt die Klinische und Gesundheitspsychologin Caroline Erb, die auch für die Partnervermittlungsplattform Parship arbeitet und diese bei Untersuchungen unterstützt. Aber auch wenn Männer früher geneigt waren, eine Frau aus einer niedrigeren Bildungsschicht zu heiraten, hätten sich die Unterschiede in den Ansprüchen zwischen den Geschlechtern verringert: Männer würden genauso wie Frauen viel Wert auf Bildung und Intelligenz legen. Äußere Faktoren wie Attraktivität würden hingegen auf Dauer letztlich eine schwächere Rolle spielen als inhaltliche Übereinstimmungen – ein Zeichen einer Gesellschaft, die sich glücklicherweise immer mehr auf Augenhöhe bewege, sagt Erb. "Die Stereotypen lösen sich auf." Mit Bildung sei naturgemäß auch der soziale Status verbunden, und viele Menschen würden sich einen Partner mit einem ähnlichen Hintergrund wünschen.

Es brauche aber viel mehr als Bildung und Status, um sich zu verlieben und eine funktionierende Beziehung zu führen, betont die Psychologin. Nur weil etwa zwei Hochschulprofessoren über denselben Bildungsgrad verfügen, würden sie nicht automatisch eine glückliche Partnerschaft führen können. "Ob Amors Pfeil trifft, hängt von Persönlichkeitsmerkmalen, Wertvorstellungen und guter Kommunikation ab. Die Chemie muss stimmen und man soll auch miteinander lachen können", meint Erb.

Wenn man sich in gewissen Eigenschaften ähnle, könne dies in Beziehungen vieles erleichtern. Das sei oft dann der Fall, wenn sich das soziale Umfeld gleiche. "Deswegen suchen viele bewusst oder unbewusst nach jemandem, der ähnlich gut gebildet ist. Ähnliche Interessen und Lebenserfahrungen lösen ein Gefühl der Vertrautheit aus."

Individuelle Ansprüche an Partner

Die Partnersuche kann demnach bewusst mit einem inneren Kriterienkatalog ablaufen, aber auch ohne gezielte Suche finden sich potenzielle Partner meist im eigenen Umfeld. Und das spiele sich abgesehen von Freunden und Familie nun mal am Arbeitsplatz, in der Schule und bei höher Gebildeten an der Universität ab, wirft Anthropologe Fieder ein. "Bildung separiert ja auch räumlich."

Und doch sei es keineswegs ausgeschlossen, dass beispielsweise Frauen mit vielen und Männer mit wenigen Bildungsabschlüssen genauso ihr gemeinsames Glück finden können, denkt Parship-Psychologin Erb. Die Ansprüche an einen Partner seien etwas sehr Individuelles, es komme auf viele Zutaten an, und es lohne sich, über den Tellerrand zu blicken. In manchen Bereichen könnten unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale eine Beziehung auch beleben und bereichern. Und ein Mann mit einem formal niedrigen Bildungsabschluss könne dennoch ein offener, gebildeter Mensch sein.

Ein ähnliches soziales Umfeld löst ein Gefühl der Vertrautheit aus. Viele suchen deshalb nach einem Partner, der ähnlich gut gebildet ist.
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Zudem liege es auch an den Männern, einer gebildeten Frau selbstbewusst gegenüberzutreten, wendet Erb ein. "Es gibt ja genügend Männer, die eine intelligente Frau als Bereicherung sehen und für die das ganz selbstverständlich ist." Offenheit, Authentizität und ein selbstsicherer Umgang mit dem eigenen Ausbildungsweg würden das Kennenlernen erleichtern, empfiehlt die Psychologin. "Denn damit rückt der Fokus auf die vielen anderen entscheidenden Puzzlesteine, die für eine gelungene Partnerschaft essenziell sind."

Ein Viertel der gering gebildeten Männer bleibt allein

Mit gutem Willen wird sich die Bildungskluft bei der Partnerwahl aber nicht lösen. Studien und Langzeitbeobachtungen zeichnen ein nicht sehr aussichtsreiches Bild vom Familienstand niedrig gebildeter Männern. Daten aus Schweden hätten gezeigt, dass 25 Prozent der Männer mit formal geringer Bildung langfristig keine Frau finden würden, erklärt Biologe Fieder. Dass gut gebildete Frauen am Partnermarkt übrig bleiben, sei eine neuere Entwicklung, aber auch hier gebe es Daten, die zugrunde legen, dass sich der partnerlose Anteil den zwanzig Prozent nähere. Anders als bei den wenig gebildeten Männern stünden die Chancen aber besser, nicht langfristig alleinstehend zu bleiben.

Dass Bildung demnach gegenwärtig der entscheidende Parameter sei, mit dem sozialer Status gemessen wird, sei nicht weiter verwunderlich, meint Fieder. Früher sei gesellschaftliches Ansehen beispielsweise abhängig von Landbesitz gewesen. Heute messe man es eben anhand von Bildung, auch deshalb, weil sie oft Voraussetzung für hohes Einkommen sei.

Gesellschaftliche Spaltung

Gesamtgesellschaftlich habe die Bildungshomogamie, also das Beziehungsmodell mit einem Partner aus der eigenen Bildungsschicht, allerdings dramatische Auswirkungen. Die einzelnen Bevölkerungsgruppen würden sich nämlich in der Folge nur noch in ihren eigenen Bildungsstämmen, im Englischen bekannt als "educational tribes", zusammenrotten. Soziologinnen fürchten, dass sich wegen der fehlenden sozialen Durchmischung Ungleichheit verfestigt. Denn die zuvor übliche Aufweichung sozialer Grenzen durch Heirat fällt mehr und mehr weg. Dadurch fehlt der Kontakt zwischen den Gruppen und das Verständnis füreinander nimmt ab.

Fieder sieht darin auch einen Grund für politische Spannungen, denn politische Einstellungen und Werte seien an Bildung gekoppelt. In akademischen Kreisen würden demnach eher linke Einstellungen vorherrschen, niedrigere Bildungsschichten hingegen eher konservativ denken. Ein gemeinsamer Diskurs finde kaum noch statt.

Daher müsse sich wohl auch die Politik früher oder später mit der Bildungshomogamie auseinandersetzen, den Trend werde man aber nicht aufhalten können, meint Fieder. "Gleich und Gleich gesellt sich gern" ist also nicht nur ein Indikator für eine funktionierende Liebesbeziehung, sondern bestimmt heute in der Summe die moderne Gesellschaft. "Es ist so, wie es ist", kommentiert Fieder die Entwicklung. "Aber als Biologe kann man hier keinen rein positiven Trend feststellen." (Davina Brunnbauer, 25.9.2021)