Im Bildungscampus Längenfeldgasse, geplant von PPAG, gibt es eine zweigeschoßige Rutsche, ...

Foto: Hertha Hurnaus

... schlangenförmige Garderoben ...

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... und generell viel Platz für die Kleinsten.

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Georg Poduschka: "Eines der radikalsten Beispiele, das uns allen die Augen geöffnet hat, ist die 2001 eröffnete Hellerup Skole in Dänemark."

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Das Wiener Architekturbüro PPAG hat bereits einige Cluster- und Campus-Schulen geplant. Georg Poduschka erzählt, worauf es dabei ankommt: auf die nötige Kommunikation und ein bisschen Irritation.

STANDARD: Man hört oft, dass der österreichische Bildungsbau im internationalen Spitzenfeld liegt. Stimmen Sie dem zu?

Poduschka: Das sehe ich auch so! Wien beispielsweise setzt seit zehn Jahren ein Campus-Modell um, das vom Kindergarten bis zum Pflichtschulabschluss alle Bildungseinrichtungen umfasst. Das ist europaweit einzigartig.

STANDARD: Wie hoch ist der Anteil an innovativen Projekten?

Poduschka: Aus meiner Wahrnehmung würde ich sagen, dass über 50 Prozent der Wiener Neubauten wirklich gut gelungen sind. Und in ganz Österreich haben wir zusätzlich rund ein Dutzend Leuchtturmprojekte, über die auch international berichtet wird.

STANDARD: Was sind die wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre?

Poduschka: In den letzten Jahren ist allen klar geworden, dass die zeitgemäßen Bildungsziele und die neuen Unterrichtsmethoden den Alltag in den Schulen komplett über den Haufen schmeißen – und dass wir dafür neue Gebäudetypologien und Raumstrukturen brauchen.

STANDARD: Gibt es Länder oder internationale Best-Practice-Beispiele, an denen Sie sich als Architekt gerne orientieren?

Poduschka: Eines der radikalsten Beispiele, das uns allen die Augen geöffnet hat, ist die 2001 eröffnete Hellerup Skole in Dänemark. Da gibt es kein Klassenzimmer mehr. Es gibt nur noch offene Lernbereiche. Keine Wände, keine Türen.

STANDARD: Die großen Campus-Bauten decken viele Schulstufen ab. Theoretisch ist es möglich, im Alter von null bis 14 dasselbe Bildungsgebäude zu besuchen – eine lange Zeit.

Poduschka: Das wird von einigen Leuten auch kritisiert. Aber ich sehe darin eine große Chance, weil die Kinder dadurch eine eigene Vergangenheit im Haus entwickeln. Sie haben die Möglichkeit, den Raum und ihre sozialen Kontakte in unterschiedlichen Alters- und Entwicklungsstufen zu lesen und zu verstehen.

STANDARD: Eignet sich die Campus-Schule mit ihren Clustern für alle gleich gut?

Poduschka: Die Pädagoginnen, mit denen wir in regem Austausch sind, berichten uns immer wieder, dass Kinder, die aus einem eher konventionellen Schulbetrieb kommen, für die Umstellung eine gewisse Zeit benötigen. Wenn man die ganze Zeit im Unterricht instruiert wurde, dann muss man sich erst daran gewöhnen, sich das Wissen selbst zu erarbeiten und nicht in Prüfungen zu denken – sondern in Projekten und Lernzielen.

STANDARD: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Architektur und Pädagogik aus?

Poduschka: Programm und Gebäude werden in enger Zusammenarbeit mit Pädagogen und Bildungsexpertinnen konzipiert. Am Ende aber wird das Schulhaus anderen Pädagogen zur Nutzung übergeben. Es wäre zielführend, wenn wir die Möglichkeit hätten, das Konzept und unsere Gedanken den Lehrenden tiefer zu vermitteln. Das passiert leider zu selten. Das hat zur Folge, dass die räumlichen Potenziale eines Schulgebäudes manchmal nicht genutzt werden.

STANDARD: In Ihrem Bildungscampus in der Längenfeldgasse gibt es gestreifte Säulen, Wandmalereien, knautschige Schaumstoffmöbel und eine zweigeschoßige Rutsche im Garten. Wie definieren Sie kindgerechte, pädagogisch unterstützende Architektur?

Poduschka: Gute Architektur muss anregen und inspirieren. Emotionale Geborgenheit ist genauso wichtig wie eine noch unerklärliche Irritation. Der Bildungsbau ist ein Werkzeug der Pädagogik und eine Werkstatt der Sinne. Er soll unmittelbare körperliche Wirkung entfalten und allen Talenten, Interessen und Bedürfnissen der Kinder gerecht werden.

STANDARD: Welche Rolle spielt dabei das Schulmobiliar?

Poduschka: Die Clusterschule geht davon aus, dass sich instruktive Phasen, Gruppenarbeit und Einzelarbeit tagtäglich und stündlich abwechseln. Dazu braucht es leichte, flexible und verschieden kombinierbare Schultische. Bankreihen aus Zweiertischen haben ausgedient. Stapelbare Ein-Kind-Tische setzen sich deswegen immer mehr durch.

STANDARD: Kostet gute Pädagogik mehr?

Poduschka: Nein, im Gegenteil. Campus-Schulen sind im Ganztagsbetrieb sogar flächeneffizienter als konventionelle Schulen – vorausgesetzt, man nutzt Synergieeffekte und produziert keine räumlichen und zeitlichen Redundanzen. (Wojciech Czaja, 26.9.2021)