Sie weiß, wie es läuft bei den Medien: Johanna Adorján.

Foto: Urban Zintel

Ein alter weißer Mann, eine junge Feministin, der Niedergang der Medienbranche – was braucht man eigentlich mehr für einen Romanerfolg? Das haben sich Süddeutsche Zeitung-Autorin Johanna Adorján und ihr Verlag Kiepenheuer & Witsch wohl gedacht. Mit dem Romanerfolg könnte es durchaus was werden, Ciao, Adorjáns neuestes Werk nach Männer (2019), liest sich fluffig, schnell und schmerzlos und hat einen Haufen billiger, leichtgängiger Lacher zu bieten. Über pubertierende Veganerinnen, die durchdrehen, wenn der Papa – obwohl er es doch versprochen hat, Menno! – Fleisch verzehrt, kann man ja immer lachen. Haha.

Ciao erzählt von der Feuilletonisten-Knallcharge Hans Benedek, ein Mann in seinen besten oder vielleicht auch schlechtesten Jahren, je nach Blickwinkel. Wobei es eher in letztere Richtung geht. Hans Benedek denkt, er hat immer noch das volle Jungen-Haar, das seine Mutter so an ihm geliebt hat – aber das stimmt nicht, das Alter, ach!, und das ist noch längst nicht das Schlimmste. Er ist Feuilleton-Autor bei einer großen deutschen Zeitung, welche Die Zeitung heißt, was natürlich ungemein komisch ist.

Alle, die im deutschsprachigen Raum jemals im Medienbereich gearbeitet haben, und auch alle, die schon mal ein Zeitungsfeuilleton gelesen haben, können sich bei der Lektüre ausmalen, wer für die Figur des Hans Benedek Modell gestanden haben mag. Aber eigentlich ist es auch eher egal, denn irgendwie ist das alles weder besonders böse noch besonders lustig und schrecklich uninteressant.

Hans Benedek ist mit einer Frau verheiratet, die mal einen Gedichtband geschrieben hat und jetzt als Yoga-Lehrerin arbeitet, was offenbar auch irgendwie komisch sein soll. Sie wohnen in einer Berliner Altbauwohnung, wo sonst, und haben eine Tochter, die sich für die Umwelt interessiert und ihre Haare bunt färbt. Außerdem pubertiert sie, was man in deutschen Publikationen offenbar prinzipiell witzig zu finden scheint.

Hans Benedek betrügt seine Frau mit jungen Praktikantinnen, die ihm zwecks Affärenanbahnung schon mal Dick-Pics schicken, weil das machen junge Menschen heutzutage so. Außerdem hat er einen Vaterkomplex und befindet sich in den letzten Zügen (Papi wird schließlich nicht mehr ewig leben) eines lebenslangen Schwanzvergleichs mit seinem Erzeuger, was ja durchaus öfter vorkommen soll.

Es bleibt oberflächlich

Seine Frau, Henriette, ist unter anderem deshalb in Therapie, weil ihr Vater ihre Mutter betrogen hat, macht aber auf wenigen Seiten ihren Frieden damit, dass ihr Mann andere Frauen hat. Es bleibt alles recht oberflächlich, was auch daran liegt, dass die behaupteten Konflikte in klischeehaften, lieblosen Dialogen abgehandelt werden und man manchmal das Gefühl hat, dass es eigentlich nicht mal die Figuren selber wirklich interessiert.

So auch der Hauptkonflikt: Benedek will ein Porträt über die gehypte junge Feministin Xandi Lochner schreiben, die seltsamerweise in Linz geboren und natürlich mit Youtube-Videos berühmt wurde, dann durch allerlei Talkshows tingelte und einen Roman veröffentlichte, in dem es um ein non-binäres halbwüchsiges Kind geht, dem eine Hexe verrät, wie man die Welt retten kann, und das sich schließlich für selbige opfert, sprich stirbt.

Ob das witzig sein soll, ironisch oder irgendwie auf Greta Thunberg anspielen möchte, bleibt wie so vieles unklar. Die Antagonisten in diesem Roman sind jedenfalls klar: der alte, männlich codierte deutsche Feuilleton-Betrieb mit seinem Hang zu elitärem Gehabe und die junge, weibliche, feministisch geprägte Welt der neuen Medien.

Außerdem geht es um den allgegenwärtigen Strukturwandel und neoliberale Tendenzen, auch und speziell in der Medienbranche, denn natürlich wird auch Die Zeitung heruntergespart, und Hans Benedek und seine selbstredend großteils männlichen Kollegen sind nicht nur reichweiten- und weltanschauungstechnisch auf dem absteigenden Ast, sondern bald auch ganz praktisch jobmäßig.

Deutsche Debattenkultur

Das ist alles mit sehr viel Insider-Wissen erzählt, schon klar, die Autorin weiß natürlich, wie es so läuft bei Medien, die sich nach wie vor einbilden, Leitmedien zu sein und sowas wie Diskursmacht zu besitzen, auch wenn die Blase, in der sich das alles immer schon abgespielt hat, eher kleiner wird als größer.

Und natürlich kann sie schreiben und hat ein Gespür für Situationen und Sprache. Nur: Man weiß weder, warum die Autorin das alles erzählt, noch, worauf sie hinauswill. Soll man lachen über diese Figuren, soll man sich mit ihnen identifizieren, was soll das?

Der Strukturwandel in der Medienbranche ist ein wichtiges Thema, zweifellos, hat er doch nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debattenkultur und (politische) (Des-)Information. Nur macht Adorján nicht wirklich klar, was ihr Punkt (oder ihre Haltung!) ist, es bleibt alles zu oberflächlich und vor allem ganz offensichtlich auf leichte Konsumierbarkeit getrimmt, um am Ende die Erwartungen einzulösen, die der Plot weckt. Das macht Ciao zu einer unterhaltsamen, aber eher unbefriedigenden Lektüre. (Andrea Heinz, ALBUM, 26.9.2021)