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Linda Evangelista war eine der schönsten Frauen der Welt, sie gehörte zu den absoluten Topmodels der 1990er-Jahre. Hier ist sie bei einer Dior-Fashionshow für die Wintersaison 2005/06 zu sehen.

Foto: Reuters/Emmanuel Fradin

Sie war eine der schönsten Frauen der 1990er-Jahre: Supermodel Linda Evangelista. Gemeinsam mit Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Cindy Crawford bestimmte sie das Laufsteg-Geschehen. Und während ihre damaligen Kolleginnen weiter Karriere machen und auch heute noch regelmäßig in den Medien präsent sind, ist es um Evangelista still geworden. Den Grund dafür offenbarte sie jetzt auf Instagram: eine missglückte Schönheitsoperation.

Vor gut fünf Jahren hatte sie sich einer Coolsculpting-Behandlung unterzogen, einer minimalinvasiven Methode, um unerwünschte Fettpölster loszuwerden. Doch die Behandlung ging schief, das Fett löste sich nicht auf, sondern wurde sogar mehr. Seither sei sie entstellt, so Evangelista, auch zwei Korrekturoperationen hätten daran nichts geändert. Nun, nach fünf Jahren Leid und Scham, möchte sie eine Klage einbringen. Der Vorwurf: Sie sei über die potenzielle Nebenwirkung nicht aufgeklärt worden.

Methode, um Fettpölster zu entfernen

Doch was genau ist Coolsculpting? Die Methode gibt es seit gut zehn Jahren, in einem patentierten Verfahren werden Fettpölsterchen gezielt mit Kälte behandelt. Der Eingriff ist minimalinvasiv, also ohne große Operation, man ist danach rasch wieder fit, hat keine Narben und keine besonderen Ausfallzeiten – weshalb die Methode auch beliebt ist.

Das Prinzip ist wie folgt: Für unterschiedliche Körperregionen (Oberschenkelinnen- und -außenseiten, Bauch, Oberarme, Kinnregion) gibt es verschiedene Applikatoren. Die werden aufgesetzt, das Gewebe wird durch Unterdruck in den Applikator eingezogen und für eine bestimmte Zeit kontrolliert heruntergekühlt. Etwa 30 Prozent der Fettzellen in der entsprechenden Region sollen so dauerhaft zerstört werden.

Je nach behandelter Region kostet eine Behandlung 1.000 Euro plus, im Normalfall sind zwei Sitzungen im Abstand von vier Wochen nötig. Nach dem Treatment ist mit blauen Flecken zu rechnen, die Stelle kann etwas druckempfindlich sein, und bis zu zwei Wochen kann man ein Ziehen im Gewebe spüren.

Immer wieder Nebenwirkungen

Wird ein medizinischer Eingriff vorgenommen, kann es natürlich auch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Und genau das ist Linda Evangelista passiert. Bei ihr seien, so das Model, die Fettzellen nicht weniger geworden, sondern mehr. Dass das passieren kann, bestätigt auch der Wiener plastische Chirurg Rolf Bartsch, in dessen Ordination auch rund 100 Coolsculpting-Behandlungen pro Jahr durchführt werden: "Es gibt insgesamt sehr wenige Studien, aber diese beschreiben das Risiko, dass es statt zu einer Verminderung zu einer Vermehrung der Fettzellen kommt, im Verhältnis 1:20.000."

Der genaue Mechanismus, wie das passieren kann, ist nicht geklärt. Man nimmt an, dass sich der gewünschte Effekt einfach umkehrt. Denn während der Behandlung erfährt das Gewebe einen Sauerstoffmangel und verminderte Durchblutung. "Dieser Prozess, der normalerweise Fettzellen absterben lässt, führt dann zu einer paradoxen Fettvergrößerung, die Fettzellen werden mehr – etwas, das normalerweise nach der Pubertät nicht mehr vorkommt", erklärt Bartsch.

Doch Fakt ist, dass diese Nebenwirkung nur an der Stelle auftritt, die auch behandelt wurde, also im Normalfall an den Oberschenkelinnen-, außenseiten oder am Bauch, betont der Chirurg: "Da deformieren sich nicht auf einmal das Gesicht oder die Oberarme, das kann wirklich nur an der Stelle passieren, an der die Behandlung durchgeführt wurde."

Ihn würde deshalb interessieren, was genau bei Evangelista schief gegangen ist: "Es wäre gut zu sehen, was objektiv passiert ist, an welcher Stelle der Eingriff war, um es zu beurteilen. Das sagt sie nämlich nicht. Man kann aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Vermehrung nur an diesen Stellen passiert ist."

Gerechtfertigter Aufschrei

Was sich Bartsch in dem Zusammenhang fragt: "Warum hat sie das gemacht? Linda Evangelista war eine der schönsten Frauen weltweit, die hat das eigentlich nicht nötig. Sieht man sich aber die Fotos von ihr in den vergangenen Jahren an, gab es da eine massive Gewichtszunahme. Da könnten auch Medikamenteneinnahme oder andere Ursachen dahinterstecken."

Was das ehemalige Supermodel aber anklagt, ist, dass es nicht ausreichend über die Nebenwirkungen aufgeklärt worden sei. Und da gibt ihr Bartsch absolut recht: "Man muss den Patientinnen und Patienten unbedingt sagen, dass es zu dieser Nebenwirkung kommen kann, auch wenn sie sehr selten ist. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es in der Branche so manchem in erster Linie darum geht, viel Geld zu verdienen, gutes Marketing und Verkauf sind die Maxime. Und wer am lautesten schreit, macht das meiste Geld."

Insofern findet er es "cool", dass sich Evangelista jetzt wehrt und die Aufmerksamkeit damit auf dieses Problem lenkt: "Die ehrliche, aber manchmal eben fehlende Aufklärung ist ein übergeordnetes Problem."

Nein sagen wieder lernen

Denn auch in der plastischen Chirurgie gehe es um das Wohl der Patienten: "Wir haben alle den hippokratischen Eid abgelegt, dass wir zum Wohl unserer Patientinnen und Patienten handeln. Dazu gehört, dass man auch einmal Nein sagen muss zu einer Vorstellung, die da an einen herangetragen wird. Das sollten sich einige in der Beautybranche zu Herzen nehmen. Es stimmt, dass es in der plastischen Chirurgie oft nicht primär um Heilung geht, sondern eher um das optische Erscheinungsbild. Aber auch das kann dazu beitragen, dass Menschen sich besser fühlen – und trägt insofern auch zu ihrem Wohl bei."

Um dieses "Sich-besser-Fühlen" zu erreichen, ist aber die entsprechende Aufklärung extrem wichtig. Nur so erreiche man dieses Ziel, betont Bartsch. Er selbst berichtet über seine Coolsculpting-Patienten von einer Zufriedenheitsrate von gut 90 Prozent: "Diesen Wert erreichen wir aber nur, weil wir mindestens die Hälfte der Anfragen ablehnen. Die Methode kann viel bewirken, aber nur, wenn der Fettüberschuss abgegrenzt ist und sich nicht über größere Stellen ausbreitet. Ideal dafür sind Oberschenkelinnenseiten, die Reiterhosen an den Außenseiten oder der Bauch."

In Bartschs Ordination kam es zu dem Problem von Evangelista noch nie, dieses ist wirklich extrem selten, es gibt bisher nur wenige berichtete Fälle. Wenn es überhaupt zu Komplikationen kommt bei dem Verfahren, dann ist dies eine Panniculitis, eine vorübergehende, schmerzhafte Schwellung, bei der es zu Verhärtungen im Gewebe kommt und die einige Wochen bis zur Ausheilung braucht. In diesem Fall behandelt man mit Lymphdrainagen und fallweise mit Cortison-Injektionen. Die Vermehrung der Fettzellen, wie im Fall des Supermodels, könnte man mit einer Fettabsaugung lösen. (Pia Kruckenhauser, 24.9.2021)