Dinge, die nur ein faltbares Smartphone kann.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Als Samsung im Jahr 2019 sein erstes faltbares Smartphone vorstellte, waren die Zweifler rasch zur Stelle. Meint das Unternehmen dieses ganze Gerede von der "Zukunft des Smartphones" wirklich ernst? Oder handelt es sich beim Galaxy Fold bloß um einen glorifizierten Prototyp, der dazu gedacht ist, Investoren mit der eigenen Innovationsfähigkeit zu begeistern? Immerhin gab es schon in den Jahren zuvor immer wieder Unternehmen, die biegbare Displays und ähnliche Spielereien vorgezeigt haben, ein massentaugliches Produkt wurde daraus jedoch nie.

Der Start des Galaxy Fold war dabei denkbar ungünstig und schien den Zweiflern recht zu geben. Nachdem es gleich bei mehreren Geräten zu schweren Beschädigungen gekommen war, zog Samsung die Notbremse und blies den Marktstart ab. Erst fast ein halbes Jahr später kam das Fold schlussendlich auf den Markt, doch die Bedenken wollten nicht so recht verschwinden. So urteilte auch der hier schreibende Autor noch Anfang 2020, dass es schlicht zu früh sei, um sich ein faltbares Smartphone zu kaufen. Die damals verfügbaren Geräte wären nicht viel mehr als Technologiedemos. Allerdings welche, für die die Interessenten auch noch einen ordentlichen Batzen Geld hinblättern müssen.

Kehrtwende: Geschafft

Eineinhalb Jahre später gilt es Samsung Respekt zu zollen – und somit auch das damalige Urteil zu revidieren. Der Smartphone-Hersteller hat es in beeindruckender Geschwindigkeit geschafft, aus dem Experiment ein Produkt zu schaffen, das mittlerweile zumindest an der Grenze zur anvisierten Massenreife steht. Sowohl das Galaxy Z Fold 3 als auch das kleinere Z Flip 3 wussten in den zugehörigen Tests mit allerlei Detailverbesserungen zu gefallen, die in Summe ein wesentlich stabileres Produkt ergeben – und so viele der ursprünglichen Bedenken vergessen machen. Vertrauensbildend ist zudem, dass es zwar durchaus zu Beschädigungen von früheren Fold- und Flip-Modellen gekommen ist, aber jetzt auch nicht in einer sonderlich besorgniserregenden Zahl. Gerade die Bildschirme halten sich besser als erwartet – zumindest solange man damit halbwegs sorgsam umgeht.

Marktchancen

Gerade das Galaxy Z Flip hat mit seinem Lifestyle-Faktor durchaus gute Chancen, zu einem echten Verkaufsschlager im nahenden Weihnachtsgeschäft zu werden – liegt es doch in einer Preiskategorie, die zwar fraglos hoch, für High-End-Smartphones aber jetzt auch nicht mehr komplett aus der Welt ist. Nun könnte man im direkten Vergleich natürlich betonen, dass die Käufer gerade in Hinblick auf die Kamera bei anderen Geräten in dieser Kategorie mehr für ihr Geld bekommen. Das ist zwar richtig, diese kann man aber eben auch nicht falten.

Genau das ist aber die Grundlage für den Erfolg am Massenmarkt: ein Gerät anzubieten, bei dem die Faltbarkeit einfach ein nettes Zusatzfeature ist, bei dem aber sonst in Hinblick auf Preis und Leistung keine großen Abstriche in Kauf zu nehmen sind. Die Fold-Reihe ist dort noch nicht ganz angekommen, dafür ist sie schlicht noch zu teuer. Das ist aber alles nur eine Frage der Zeit. Die Überraschung sollte jedenfalls nicht allzu groß sein, wenn das Fold 4 im kommenden Jahr dann preislich noch einmal merklich unter dem aktuellen Modell liegt – und damit etwa auf dem Niveau eines Galaxy S22 Ultra.

Angesichts dieser Entwicklung verwundert es jedenfalls nicht, dass schon der Vorverkauf der aktuellen Foldables um ein Vielfaches besser als in den Vorjahren gelaufen sein soll. Samsungs gewachsenes Vertrauen in diese Kategorie manifestiert sich dazu passend in einer deutlich stärkeren Bewerbung der neuen Geräte. Und auch dadurch, dass sie nun praktisch über alle Mobilfunkpartner erhältlich sind – und das sind bei dem größten Smartphone-Hersteller der Welt nun mal jede Menge.

Neues Interesse

Die wachsende Relevanz faltbarer Smartphones zeigt sich aber noch an einem anderen Umstand – steht doch derzeit eine Reihe weiterer Hersteller vor dem Einstieg in diesen Markt. So sollen mittlerweile gleich mehrere Branchengrößen bei Samsung Displays für eigene Foldables bestellt haben. Neben Xiaomi und Vivo zählt dazu auch Android-Hersteller Google selbst, der angeblich noch vor Ende des Jahres sein erstes "Pixel Fold" auf den Markt bringen will. Nun mag Google nicht der größte Hardwarehersteller der Welt sein, das Unternehmen hat aber eine nicht zu unterschätzende Vorbildwirkung. Dazu passt auch, dass man gerade an zahlreichen Verbesserungen für Foldables für ein kommendes Android-Update arbeitet.

Rechnet man dann noch bereits bestehende Konkurrenten wie Motorola und Huawei hinzu, dürfte also bald deutlicher Schwung in den Wettbewerb kommen. Fehlt eigentlich nur mehr Apple, aber das lässt sich bei so größeren Änderungen ja generell gerne etwas länger Zeit. Trotzdem ist fix davon auszugehen, dass das Unternehmen längst intern entsprechende Prototypen in Entwicklung hat.

Interessant dürfte dabei auch werden, welche Bauformen sich durchsetzen werden. Das auf den ersten Blick massentaugliche Konzept scheint dabei das Flip-Design zu sein, das im aufgeklappten Zustand einem klassischen Smartphone stark ähnelt. Der Fold-Formfaktor ähnelt hingegen einem kleinen Tablet und hat damit auch – mittelfristig – das Potenzial, diese Kategorie zu ersetzen. Derzeit scheinen die meisten Hersteller die Fold-Kategorie zu bevorzugen, das könnte sich mit einem Erfolg des Z Flip 3 aber schnell wieder ändern.

Das Jahr des faltbaren Smartphones

Alles interessante Fragen, die im Endeffekt aber nur ein Detail sind. In der Gesamtbetrachtung ist nämlich etwas anderes viel wichtiger, nämlich: Die Chancen stehen gut, dass 2022 tatsächlich das Jahr wird, in dem faltbaren Smartphones der endgültige Durchbruch gelingt. (Andreas Proschofsky, 27.9.2021)