Am Freitag demonstrierten junge Menschen weltweit für Klimaschutz. Die Frage ist: Was bringt's?

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Es war der inzwischen achte globale Klimastreik, der am Freitag über die Weltbühne ging. Was 2018 als Ein-Personen-Unternehmung begann, ist inzwischen eine weltumspannende Bewegung mit Millionen von Aktivisten geworden.

Doch obwohl Fridays for Future inzwischen eine Fixgröße in der politischen Diskussion ist, ist die Bewegung von ihrem Ziel meilenweit entfernt. Oder doch nicht? Einige Argumente, warum die Klimastreiks die Welt zumindest ein wenig verändert haben – und es weiter tun werden.

1. Den Diskurs geformt

Es lässt sich nicht verneinen: Seit ein paar Jahren tut sich etwas in unseren Köpfen. Fragt man die Menschen in Europa nach der größten globalen Herausforderung, stellen sie die Klimakrise inzwischen an die erste Stelle. Ganz ähnlich ist die Situation in anderen Kontinenten.

Ob Fridays for Future die Welt erst wachgerüttelt hat oder die Bewegung nur deshalb so erfolgreich sein konnte, weil sie ohnehin in eine Zeit erhöhten Umweltbewusstseins fiel, ist so ungeklärt wie jene nach der Henne und dem Ei. Studien legen jedenfalls nahe, dass eine kleine, gut organisierte Minderheit ausreicht, um ein Umdenken in Gang zu setzen. Fakt ist, dass Greta Thunberg dem Frust und Ärger über nachlässige Klimapolitik ein Gesicht gegeben und kanalisiert hat.

Alena Zöch, die in der Grazer Ortsgruppe und auch im nationalen Organisationsteam aktiv ist, glaubt nicht, dass Fridays for Future allein für den Sinneswandel verantwortlich ist – aber wohl zu einem großen Teil. "Wir sind eben sehr zugänglich für alle– weil wir auch nicht so Hardcore-Aktivisten sind", sagt die Schülerin. Kunstblut-Happenings, spektakuläre Kletterstunts und groß angelegte Verkehrsblockaden überlässt Fridays for Future lieber etablierten Größen wie Greenpeace oder der radikaleren Schwester Extinction Rebellion.

Längst marschieren nicht mehr nur Schülerinnen und Schüler bei den Klimaprotesten: Wissenschafter, Eltern, Unternehmer, Künstlerinnen – sie alle haben inzwischen eigene Gruppen unter der "Future"-Dachmarke gebildet. Im Kern bleibt Fridays for Future aber eine Jugendbewegung, was auch Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle als Teil des Erfolgsrezepts sieht. "Es ist einfach eine schöne Erzählung, wenn Kinder und Jugendliche für ihre Zukunft eintreten", sagt sie zum STANDARD.

Und sie sei auch glaubwürdig: Denn die Anfänge von Fridays for Future fielen genau in eine Zeit, in der viele erst den Zusammenhang zwischen Klimawandel und lokalen (Un)Wetter-Ereignissen wie Hitzewellen und Naturkatastrophen verstanden.

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2. Die Politik verschoben

Auch in der Politik ist das Thema Klima so präsent wie noch nie. Um ein eigenes, ausführliches Klimaprogramm kommt keine Partei mehr herum, für viele Personen ist es wahlentscheidend. Die österreichischen Grünen setzen bei der Nationalratswahl 2019 und bei den Regierungsverhandlungen gar alles auf eine Karte und sind seitdem bereit, Glaubwürdigkeit in vielen anderen Fragen zu opfern. Seit Greta Thunberg zum ersten Mal vor dem schwedischen Reichstag streikte, bekam die EU einen "Green Deal" und Österreich eine grüne Regierungsbeteiligung.

Den "Fridays" ist das alles nicht genug. Als "völlig unzureichend" bezeichnete Greta Thunberg etwa den Green Deal der EU. Zusätzlich zur grundsätzlichen Forderung der Bewegung, die selbstgesteckten Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, fordert Fridays for Future Österreich den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2030, die Senkung der Emissionen um die Hälfte bis 2025 und eine ökosoziale Steuerreform ab dem Jahr 2020. Die Realität sieht in Österreich anders aus: Neue Verbrenner-Pkws dürfen noch bis 2030 zugelassen werden, die letzte Gasheizung muss hierzulande erst 2045 erlöschen.

Trotzdem: Während man Anfang 2019 noch diskutierte, ob Schüler mit ihrem Freitagsdemos nicht die Schulpflicht verletzen, sind zumindest die Themen der Klimabewegung in der Tagespolitik angekommen. Nicht nur die "Fridays" erwarten sich viel von der Politik: Stainer-Hämmerle ist etwa überzeugt davon, dass Österreich kommendes Jahr ein Modell der CO2-Bepreisung haben wird – "oder keine Regierung mehr", analysiert die Politikwissenschafterin die angespannte Lage.

3. Der Wirtschaft eingeheizt

Auch für Unternehmen gilt inzwischen: Kein Weg führt daran vorbei, sich zumindest oberflächlich mit Klimaschutz zu befassen. Auch wenn Politiker die Kernadressaten von Fridays for Future sind, macht die Bewegung auch der Wirtschaft ordentlich Druck.

Siemens musste etwa 2019 einen Shitstorm über sich ergehen lassen, nachdem der deutsche Arm der Bewegung den Industriekonzern wochenlang an den Pranger stellte. Adani, ein indischer Mischkonzern, der in Europa bisher kaum jemandem ein Begriff war, plant in Australien eine der größten Kohleminen der Welt. Siemens sollte eine Zug-Signalanlage für das Projekt liefern, nachdem Konkurrenten das Angebot aus ökologischen Gründen ausgeschlagen hatten. So geriet Siemens ins Kreuzfeuer der Klimabewegung,

Letztlich entschied sich der Konzern zwar dafür, die Anlage zu liefern – aber der Image-Schaden war bereits angerichtet. Selbst auf der Aktionärsversammlung dominierte das Thema.

Dazu kommt, dass sich Unternehmen in einer zunehmend klimabewussten Gesellschaft immer öfter erklären müssen und sich umfangreiche Selbstverpflichtungen auferlegen – welche die Aktivisten freilich kritisch beäugen. Bei Greenwashing-Verdacht hagelt es Kritik: So demonstrierte Fridays for Future etwa vergangenes Jahr gegen eine Photovoltaik-Anlage, welche OMV-Infrastruktur mit Strom versorgen soll.

4. Die Medien aktiviert

Mehr als 14.000 Artikel hat die APA-Tochterfirma Defacto 2020 in österreichischen Tageszeitungen gezählt, in denen die Klimakrise zumindest am Rande erwähnt wurde. Das sind zwar weniger als 2019 (21.000), aber immer noch fast dreimal so viele wie zehn Jahre zuvor. Medien widmen dem Thema seit einigen Jahren große Schwerpunkte, gründen neue Formate, schreiben zunehmend von Klimakrise oder -katastrophe statt -wandel.

Wäre die Klimabewegung eine PR-Agentur, würde sie sagen, dass sie das Thema erfolgreich "platziert" hat. Sie kommuniziert Protestaktionen medienwirksam, die wiederum zu noch mehr Klimabewusstsein und mehr Menschen auf der Straße führen. Ergo: Die Streiks halten das Thema in den Medien.

5. Emissionen nicht gesenkt

Was am Ende wirklich zählt, sind allerdings nicht Bekenntnisse, Forderungen oder Bewusstsein, sondern eine knallharte Zahl: Tonnen CO2. Und diese Zahl steigt weiter an: Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert für 2021 den zweithöchsten Anstieg an Treibhausgas-Emissionen in der Menschheitsgeschichte. Zurückzuführen ist das vor allem auf Kohlekraftwerke, die im Corona-Jahr auf Sparflamme liefen und jetzt wieder auf Hochtouren Kohle verfeuern.

Wissenschafter schätzen, dass nur noch rund sieben Jahre Zeit bleiben, um das Ruder herumzureißen. Momentan sieht es nicht danach aus, als würde das gelingen. Aber falls doch, dann ist dieser Teilerfolg sicher zu einem großen Teil den Klimastreiks der jungen Generation, den Fridays for Future, geschuldet. (Philip Pramer, 24.9.2021)