Führung in der Krise? Eines der Panels der Konferenz mit (von rechts) Moderatorin Karin Bauer, Jan Krims (Leadership Advisor), Jakob Kiblböck (SAP) und Silke Kurtz (Personalberatung Iventa).

Foto: Sabine Klimpt

Den großen Schulungstrichter ansetzen und so versuchen, Führungskräfte zu den Problemlösern für alles zu machen: Das kann nicht funktionieren, sagt Leadership-Berater Jan Krims wie eine Erlösungsbotschaft nach vielen Jahren, in denen Human Resources die sogenannte Führungskräfteschulung zur obersten Priorität gemacht hat, was in den Pandemiemonaten noch einmal an Drive gewonnen hat. Denn jetzt müssen die Teamleiterinnen und -leiter auch alle hybrid und mit diversen familiären Bürden (Homeschooling, Quarantäne wegen Schließungen) belasteten Mitarbeiter in einen noch fordernderen Arbeitsprozess quetschen und fehlende Fachleute herbeizaubern.

Tatsächlich, so Jan Krims, sei an der Organisation anzusetzen, die gute Führung schlicht verunmögliche, sei es mit Prozessen, mit Schubladen oder mit hierarchischen Ablaufmodellen.

"Human Relations" empfiehlt Michael Braungart, Pionier der Kreislaufwirtschaft (Cradle to Cradle), statt Ressourcensicht den Personalverantwortlichen. Wer es mit Menschen verantwortlich zu tun habe, müsse begreifen, dass Angst die Quelle von Feindseligkeit, Verweigerung, Aggression sei. Es gehe also um Beziehungen in der echten Personalarbeit.

Erst der Anfang

"Nichts ausprobieren ist jedenfalls falsch", so Elke Berger, Personalchefin der Raiffeisenlandesbank NÖ/Wien. Sie motivierte, HR auch als Chief Experiment Office zu betrachten und massiv in die Selbstreflexion zu investieren, denn Unsicherheiten blieben bestehen, eindeutige Wahrheiten und Antworten – das gebe es so nicht mehr.

Streckenweise servierte Veranstalterin Romy Faisst den rund 100 in Langenlois versammelten Personalchefinnen und – chefs bei der ersten analogen Konferenz nach langer Pandemieabsenz harten Tobak. Teilweise zeigten sich auch Ratlosigkeit und Erschöpfung, nachdem Unternehmen die Lockdowns überstanden und eine Art hybride Arbeitskultur etabliert haben. Tatsächlich, so die Botschaft, geht es jetzt erst richtig los mit der neuen Arbeitswelt. Durchatmen ist aus vielen Gründen – makroökonomisch wie innerbetrieblich – nicht möglich.

Durchgehend erlebt nun, wovon jahrelang nur geredet wurde, seine Wirklichkeitsprobe: Es geht um die Unternehmenskultur und um die Wertschätzung. "Soziale Anerkennung ist die wichtigste Ressource für die Zukunft", wie es die Philosophin Natalie Knapp formulierte. Damit appelliert sie auch an die soziale, gesellschaftspolitische Verantwortung von Unternehmen, letztlich an Menschen in Machtpositionen. Die prominente Autorin und Publizistin erinnerte mit Verve und den Erkenntnissen der Netzwerkforschung an die Rolle jeder und jedes Einzelnen: Was wir in die Welt tragen, multipliziert sich – rasend schnell online, aber auch schnell analog. Wer Positives aufnehme, gebe Positives weiter und umgekehrt. Damit gibt sie der individuellen Ohnmacht angesichts vieler überwältigender Schrecklichkeiten klein oder groß ein ganz persönliches Steuerungselement in die Hand. Ganz im Geiste der alten Weisen: Entkopple Reiz und Reaktion und überlege dir, was du weitergeben willst zur Multiplikation.

Rückwärts gewandte Menschen, sagt Organisationsentwickler Sebastian Körber als Anleitung für Selbstreflexion, sprechen in der Vergangenheitsform, erinnern immer daran, wie es früher war. Das könne schon hilfreich sein, aber nicht als Botschaft für heute und morgen.

Geschützte Räume

Zurück zu der Frage, was Personalverantwortliche ganz praktisch tun können, um ihre Führungskräfte und damit ihre Organisationen zu entlasten. Jan Krims schlägt eine neue Rolle der Gastgeberschaft vor: geschützte Räume für den Austausch schaffen, Gastgeberin sein für Menschen mit Verantwortung, die auf Augenhöhe auch Hilfe und Reflexion suchen.

Dass damit keine Aufwertung der meisten Human-Resources-Positionen auf den strategischen Entscheidertisch stattfindet – okay. Kurzfristig nicht. Allerdings: Gelingt es, diese Leistung für die Gesundheit der Organisation in Zahlen zu übersetzen, dann müsste auch die Geschäftsführung sehen, was ist.