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Forscher entnehmen einer Hufeisennase eine Blutprobe. Im Blut und im Kot dieser Familie von Fledertieren entdeckten Forschende nun Viren, die Sars-CoV-2 besonders ähnlich sind.

DNP via REUTERS

Zuletzt schienen sich die Hinweise zu mehren, dass die Pandemie, die uns seit eineinhalb Jahren in Atem hält, doch auf einen Laborunfall zurückzuführen sein könnte. Abgesehen von der Tatsache, dass die Pandemie ausgerechnet in Wuhan ausbrach, wo auch das auf Coronaviren spezialisierte Institut für Virologie seinen Hauptsitz hat, gab es noch einige andere Indizien: Man arbeitete dort beispielsweise an sogenannten Gain-of-Function-Experimenten, die natürliche Coronaviren für den Menschen "gefährlicher" machen.

Dazu erkrankten einige Mitarbeiter im Herbst 2019 mit grippeähnlichen Symptomen, und zudem reagierten die chinesischen Behörden auf Nachforschungen bisher durchwegs so, als ob sie etwas zu verbergen hätten. Konkrete Beweise für ein Laborleck fehlten bisher allerdings –und auch ein US-Geheimdienstbericht Ende August konnte diese nicht liefern.

Neue Indizien eher für "Spillover"

Diese fehlen umgekehrt aber auch für die These vom "Spillover", also einem "natürlichen" Überspringen von Tier auf Mensch. Zwei neue Studien, die freilich noch nicht abschließend fachbegutachtet sind, liefern nun neue Indizien, die wieder eher gegen die Laborhypothese sprechen: Zum einen scheint es ganz zu Beginn der Pandemie gleich zwei verschiedene Sars-CoV-2-Stämme in Wuhan gegeben zu haben, wie "Nature News" in der Vorwoche berichtete. Das deutet darauf hin, dass es zumindest zwei Spillover-Ereignisse gegeben haben könnte. Das schließt ein Laborleck nicht aus, macht es aber nicht wahrscheinlicher.

Zum anderen entdeckten Forscher um Sarah Temmam (Institut Pasteur) in laotischen und südchinesischen Hufeisennasen drei verschiedene neue Coronaviren namens Banal-52, Banal-103 und Banal-236, die große Ähnlichkeit mit Sars-CoV-2 aufwiesen. Bisher galt ein Virus namens RaTG13, das in Fledermäusen in Yunnan gefunden wurde, als der nächste bekannte Verwandte von Sars-CoV-2 – mit 96,1 Prozent Übereinstimmung. Banal-52 ist mit 96,8 Prozent noch einmal näher dran.

Rezeptor-Bindungsdomäne wie bei Sars-CoV-2

Vor allem besitzen die drei Viren sogenannte Rezeptor-Bindungsdomänen, die praktisch identisch mit jenen von Sars-CoV-2 sind: Damit könnten sie ebenfalls auf Menschen überspringen und an den ACE2 genannten Rezeptor menschlicher Zellen andocken, schreiben die Forschenden in ihrem Preprint, der auf der Plattform "Research Square" erschien. Das ist auch das Besondere am neuen Fund: Die spezifische – und bis zur Entdeckung der neuen Viren einzigartige – Rezeptor-Bindungsdomäne von Sars-CoV-2 trug zu den Spekulationen bei, dass das Virus in einem Labor entstanden sein könnte.

Allerdings fehlen den neuen Viren doch noch ein paar Merkmale, die Sars-CoV-2 aufweist. Dazu gehört vor allem die sogenannte Furin-Spalte auf dem Stachelprotein, die es dem Virus erleichtert, in menschliche Zellen einzudringen. Und gerade auch rund um diese Furin-Spalte gab es etliche Diskussionen, ob diese und damit auch Sars-CoV-2 natürlichen Ursprungs sein kann.

Antrag für umstrittene Forschung 2018

Angeheizt werden diese Diskussionen seit einigen Tagen durch Dokumente, die der aus Aktivisten und Forschenden bestehende Gruppe "Drastic" (Decentralized Radical Autonomous Search Team Investigating Covid-19) zugespielt und von dieser vor wenigen Tagen veröffentlicht wurden. Allem Anschein nach gab es ein Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie konkrete Pläne für genetische Experimente mit Coronaviren, denen man eine solche Furin-Spalte einbauen wollte, die in leicht modifizierter Form etwa auch beim Mers-Virus vorkommt.

Laut den Dokumenten haben Peter Daszak und die US-Organisation Eco Health Alliance einen entsprechenden Antrag namens "Defuse" gestellt und Fördergelder bei der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa) des US-Verteidigungsministeriums beantragt. Der Antrag wurde aber anscheinend abgelehnt. Sollte er echt sein, liefert er freilich auch noch keine Beweise für die Laborhypothese. Denn es ist unklar, ob überhaupt mit den Forschungen begonnen wurde, zumal es keine Finanzierung gab. Die Dokumente rücken aber einmal mehr Peter Daszak in kein vorteilhaftes Licht.

Weiterhin nur Indizien

Unter dem Strich liefern also die neuen Studien und auch die Drastic-Enthüllung keine eindeutigen Antworten – aber einige Indizien, die sowohl für die Annahme des natürlichen Ursprungs wie auch die Laborhypothese sprechen. Ungeklärt bleibt zudem die Frage ob es noch einen Zwischenwirt gab, bevor der Erreger auf den Menschen übersprang. Und eben: ob dieses Überspringen auf den (Wild-)Tiermärkten Wuhans geschah, wo zahlreiche potenzielle Überträgerspezies feilgeboten wurden, oder doch im Labor. (Klaus Taschwer, 24.9.2021)

Anm. der Red.: Der Text wurde um 0:00 durch die Enthüllungen von "Drastic" ergänzt