Trotz der putzigen Grafik ist "Tails of Iron" alles andere als ein Kinderspiel.

Foto: Odd Bug Studio

Aktuelle Gaming-Trends, die pessimistisch machen, ein zunehmendes Desinteresse an den immerselben AAA-Trends: Die Kollegen haben sich in letzter Zeit wiederholt enttäuscht von Spielen gezeigt. Zu fad, zu gleich, immer dasselbe, nur mit mehr In-Game-Transaktionen, Free-to-Play-Mechaniken und Multiplayer-Allgemeinplätzen.

Der Ex-Playstation-Boss Shawn Layden, jahrelang CEO der Playstation Worldwide Studios, hat in einem großen Interview mit Bloomberg recht freimütig die Gründe genau dafür genannt: Neue Hardware verteuert die Games-Entwicklung enorm, große Experimente mit neuen Gameplay-Ideen kann man sich da nicht mehr leisten. "Drei bis vier 'Silos' von Games werden weiterhin existieren, weil sie ohne großes Risiko als Sequels gemacht werden können, Abwechslungsreichtum ist dann Geschichte", so Layden.

Das kann man bedauern – aber man sollte darüber nicht vergessen, dass die AAA-Welt mit ihren Blockbustern längst nicht alles ist. Die riesige Welt unabhängiger Entwickler und ihrer Spiele ist zwar technisch nicht so aufwendig, inhaltlich und in Sachen Originalität führt aber für Spieleinteressierte längst eigentlich kein Weg an Indie vorbei.

Liebe Kommentatoren, die die Stagnation im AAA-Sektor bedauert haben: Indie wartet auf euch. Zum Beispiel mit diesen acht aktuellen Spielen.

Voidtrain

www.epicgames.com/store/de/p/voidtrain

(Windows, Early Access, 29,99 Euro Epic Games Store)

Epic Games

So ein Setting hat man noch nie gesehen: Im endlosen Nichts zuckeln wir auf Schienen durch eine bizarre Paralleldimension. Links und rechts unseres Gefährts schweben Felsbrocken, seltsame Kreaturen und jede Menge Rohstoffe, die wir zum Ausbau unseres Gefährts zur mächtigen Lokomotive brauchen.

Voidtrain ist eine Survival-Sandbox für bis zu vier Spielerinnen und Spieler mit umwerfender Atmosphäre und solidem, vom modernen Genreklassiker Raft abgeschauten Konzept. Die atemberaubende Atmosphäre macht es vor allem bei späteren Begegnungen mit anderen Zügen oder gewaltigen Monstern empfehlenswert.

Lamentum

www.obscuretales.com

(Windows, Nintendo Switch, PS4, Xbox One, ab 15,99 Euro)

PlayStation

So manchem Survival-Horror-Puristen sind die neuen Ableger des Genres, etwa Resident Evil: Village, längst zu wenig ihren Wurzeln verpflichtet, da kommt das spanische Pixelhorrorspiel Lamentum gerade recht. Wie in den Genre-Urahnen kämpft man auch hier ebenso sehr mit der ewigen Ressourcenknappheit wie mit grauenhaften Monstern, und sogar jedes einzelne Save-Game will mit Schreibmaschinenbändern, pardon: Tinte erst einmal bezahlt werden.

Die Gothic-Horror-Story um einen verzweifelt nach Heilung für seine Frau suchenden Aristokraten ist ebenso düster wie wendungsreich, der Schauplatz angemessen riesig, unheimlich und vor allem voller recht origineller Puzzles. Lamentum ist ein wohlig gruseliger Geheimtipp für Survival-Horror-Nostalgiker.

Dreamscaper

www.dreamscapergame.com

(Windows, Nintendo Switch, 20,99 Euro)

Nintendo

Spätestens der enorme Erfolg von Hades hat das moderne Rogue-lite bei vielen Spielerinnen und Spielern populär gemacht, mit Dreamscaper kommt ein weiteres Actionrollenspiel zur wachsenden Nische dazu. Als junge Frau Cassidy kämpft man sich wieder und wieder jede Nacht durch eine bizarre Traumwelt, beim Tod geht das Leben in der realen Welt weiter. Hier suchen wir nach Freunden, tüfteln an neuen Waffen und Gadgets und müssen mit einer auch nicht einfachen, banalen Wirklichkeit zurechtkommen – bis zur nächsten Nacht.

Die Verbindung von Traum und Wirklichkeit ist das Alleinstellungsmerkmal des stylischen Actionspiels, das wie sein großes Vorbild Hades durch dauernden Fortschritt motiviert: Auch wenn ein Run mit der Niederlage endet, lassen sich doch Verbesserungen und neue Fähigkeiten für den nächsten Versuch freischalten.

King's Bounty 2

www.kingsbounty2.com

(Windows, PS4, Xbox One, Nintendo Switch, 49,99 Euro)

Xbox

Wenn ein Games-Klassiker nach endloser Pause zurückkehrt, erwarten Fans eigentlich nur mehr vom Selben. Umso größer die Enttäuschung, wenn alles – fast alles – anders ist: Wie, der großartige Heroes of Might & Magic-Klon King's Bounty ist jetzt ein 3D-Rollenspiel? Steinigt sie! Doch genug Schnappatmung: Wenn man sich ein wenig an die ungewohnte Perspektive zwischen den Schlachten gewöhnt hat, ist King's Bounty 2 erneut ein Spiel, das man für dutzende Stunden nicht mehr weglegen mag.

Der Kern ist nach wie vor der taktische Rundenkampf gegen allerhand Fantasy-Heere, die Rahmenhandlung erlebt man wie erwähnt nicht mehr aus der Vogelperspektive, sondern per Third-Person-Ansicht – eine Innovation, die man nicht unbedingt rasend nachgefragt hätte, die aber nach einiger Eingewöhnungszeit nicht mehr von der Qualität des restlichen Spiels ablenkt. Fans haben keine Wahl, als wieder zuzugreifen, auch Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger werden sich freuen. Ein – was hiermit bewiesen wurde – unverwüstlicher Klassiker.

Cookie Clicker

store.steampowered.com/app/1454400/Cookie_Clicker/

(Windows, 3,99 Euro)

Playsaurus

Okay, das Web-Original dieses Spiels ist seit 2013 online, seit kurzem darf man aber auch zum Minipreis direkt in Steam auf Kekse klicken – und dass dieses Ereignis kurz nach Release dort mit fast 10.000 "überwältigend positiven" Rezensionen gefeiert wurde, ist Grund genug, Cookie Clicker nochmal hier zu erwähnen.

Das Spiel mit dem Keks ist einer der Urväter des Clicker-Genres, und wer seinem seltsamen Reiz noch nicht verfallen ist, kann diese Bildungslücke perfekt mit der neuen Version füllen. Ein immer noch ebenso absurdes wie absurd unterhaltsames Spiel – weniger ist manchmal mehr. Vorsicht: Cookie Clicker spielen ist einfach, damit aufzuhören absolut nicht.

Tails of Iron

www.unitedlabelgames.com/tails-of-iron

(Windows, Nintendo Switch, PS4, Xbox One)

PlayStation

"Gute Grafik" ist kein objektives Kriterium, denn auch ohne Raytracing, Partikeleffekte und 8K-Texturen lassen sich wahre Games-Kunstwerke verwirklichen. Das Action-Rollenspiel Tails of Iron etwa ist so wunderschön gestaltet, dass es eine wahre Freude ist. In einem Dark-Fantasy-Universum kämpfen Ratten und Frösche grausame Kriege gegeneinander aus, als Rattenprinz ist man auf der Suche nach Rache für den Tod des Vaters.

Wer meint, die niedliche Grafik mache Tails of Iron zum Kinderspiel, wird bald eines Besseren belehrt: Der ein bisschen von Dark Souls inspirierte taktische Nahkampf wartet nicht nur mit Härte, sondern auch einer heftigen Ladung Cartoon-Splatter auf. Ein Spiel nicht für Kinderhände – alle anderen haben große Freude daran.

Pathfinder: Wrath of the Righteous

wrath.owlcatgames.com

(Windows, Mac, 49,99 Euro)

Owlcat Games

Kein Herbst ohne wahnwitzig riesiges Rollenspiel, mit dem sich hunderte Stunden verbringen lassen: Pathfinder: Wrath of the Righteous ist genau das, was sich Fans der alten Schule von ihren RPGs wünschen. Eine gewaltig große Welt, eine epische Story, taktische Kämpfe und vor allem Komplexität, die jeden Pen&Paper-Spielleiter vor Neid erblassen lässt, machen den zweiten Videospiel-Eintrag ins Pathfinder-System zur sicheren Bank für Genrefans.

Gut für weniger Ambitionierte, dass sich in den Einstellungen einiges von dieser furchteinflößenden Komplexität reduzieren lässt. Auch gut, dass man ebendort auch den etwas mau geratenen Kreuzzugs-Strategieteil abschalten darf. Ein paar Bugs sind noch vorhanden, trotzdem schon jetzt eines der gehaltvollsten Rollenspiele des Jahres.

The Artful Escape

www.theartfulescape.com

(Windows, Xbox One/Series, 16,79 Euro)

GameTrailers

Schreiend schriller Style, pop-art-bunte Weltraumopern-SF, jede Menge Humor und vor allem 80er-Jahre-Space-Rock-Gitarrensoli gibt es in The Artful Escape. Als angehender Glam-Star durchquert man hier ein hinreißend schräges, professionell vertontes Abenteuer, das den Vergleich mit Tim Schafers Rock-Kult-Videospiel Brütal Legend nicht scheuen muss.

Spielerisch bietet The Artful Escape solides Platformer-Gameplay sowie Rhythmus-Battles gegen liebenswert-bizarre Wesen, aber wie im Musikbusiness auch, macht hier das Drumherum den Reiz aus: so schön, so einfallsreich und zugleich sympathisch abgefahren war dieses Jahr außer Psychonauts 2 sonst kaum ein Spiel. Wer partout keine Stromgitarre verträgt, wird hier nicht glücklich, alle anderen freuen sich über außergewöhnliche Space-Rock-Extravaganz. (Rainer Sigl, 26.9.2021)