Die Dimensionen der Schieflage des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande sind beängstigend. Der mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar verschuldete Konzern ließ am Freitag eine Zahlungsfrist für Anleihezinsen an ausländische Investoren verstreichen. Das sorgte nicht nur für ein neuerliches Beben in Chinas Immobiliensektor, der für etwa ein Viertel der chinesischen Wirtschaftsleistung steht. In ganz Asien brachen Schuldpapiere von Firmen mit schwacher Bonität ein. Investoren bringen angesichts eines aufziehenden Unwetters ihre Schäfchen bereits ins Trockene.

Evergrande Center in Shanghai.
Foto: AFP/HECTOR RETAMAL

Zunächst hat Evergrande eine 30-tägige Nachfrist, bevor der Konzern wegen der ausgefallenen Zinszahlung offiziell in Zahlungsverzug gerät – und damit insolvent wird. Genau danach sieht es derzeit aber aus: Die Zentralbank pumpt gewaltige Summen ins Bankensystem, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Zudem soll die Regierung in Peking Medienberichten zufolge die lokalen Behörden angewiesen haben, sich auf einen Zusammenbruch vorzubereiten – was nicht auf eine umfassende Rettung von Evergrande mit Staatsmitteln hindeutet.

Präsident Xi Jinping geht es weniger um funktionierende Märkte als um die vollständige Kontrolle der Wirtschaft. Nach dem Kaltstellen des aufmüpfigen Milliardärs und Alibaba-Gründers Jack Ma im Vorjahr oder der angedrohten Zerschlagung des Bezahldiensts Alipay gibt es offenbar keinen Willen, Evergrande vor dem selbstverschuldeten Kollaps zu bewahren.

Hoffentlich ergreift die Regierung geeignete Maßnahmen, um die Folgen dieser Politik einzudämmen – damit sich Evergrande nicht zu einem Flächenbrand wie 2008 die Lehman-Pleite ausweitet. Selbst wenn dies gelingt, werden die Auswirkungen auch in Europa zu spüren sein. Allein ein Wachstumseinbruch in China würde die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise empfindlich bremsen. (Alexander Hahn, 24.9.2021)