Auf der Kundgebung in Wien waren die meisten Demonstrantinnen und Demonstranten jung und maskiert.

Foto: Christian Fischer

Der Duft des Feindes zieht durch die Prater Hauptallee. Es stinkt nach verbranntem Sprit. Ein paar Meter fährt der kleine rote Traktor, dann kommt er wieder zum Stehen. "Farmers for Future", steht auf einem Schild, das ans Fenster geklemmt wurde. Die Berg- und Kleinbauernvereinigung hat sich den Schülerinnen und Schülern der Fridays-for-Future-Bewegung angeschlossen. Als Bäuerin arbeite man halt nicht mit Leiterwagerl, sondern mit Traktor, sagt eine junge Frau. "Aber den Klimawandel spüren wir radikal."

Etwas weiter vorne ruft eine der Organisatorinnen der Wiener Demonstration in ihr Mikrofon: "Act." Die Menge brüllt zurück: "Now!" Es ist der achte weltweite Klimastreik von Fridays for Future seit 2019. Allein in Österreich gibt es an diesem Freitag Aktionen in 14 Städten. In Wien waren tausende junge Menschen auf der Straße.

"Bäume fällen ist dumm"

Es ist ein Kampf gegen die Zeit und eine träge Elite. So empfinden es zumindest viele, die in der Prater Hauptallee stehen. "Die sind alt, aber wir und unsere Kinder müssen mit den Auswirkungen auch in 50 Jahren noch leben", sagt ein 20-jähriger Informatikstudent. "Es braucht den Systemwechsel, bevor es zu spät ist."

Er ist mit dieser Forderung bei weitem nicht alleine. Die Vereinten Nationen haben gerade einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht: Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ist ohne eine sofortige und starke Reduktion der Treibhausgasemissionen mittlerweile unerreichbar. Und die Folgen, wenn es so massiv wärmer wird, seien "katastrophal für Mensch und Planeten".

"Let it Bee", ließen Bienenschützer in Wien wissen.
Foto: Christian Fischer

In Richtung Kaiserwiese läuft eine Volksschulklasse mit Schildern in Baumform, die simple Lösungen anbieten: "Bäume fällen ist dumm", steht auf einem. Ein achtjähriger Bub mit blondem Pagenschnitt ruft in sein Megafon: "Wir sind hier – wir sind laut – weil man uns die Zukunft klaut." Die Kinder seien kaum zu bremsen, erklärt die Lehrerin. Ein paar habe sie gebeten, jetzt einmal Pause vom Demonstrieren zu machen und in Ruhe ein paar Schlucke Wasser zu trinken. "Die wissen alle schon ganz genau, worum es hier geht."

Die Demonstration verläuft friedlich und freundlich. Zur Begrüßung dröhnt es wie im Kasperltheater durch die Menge: "Seid ihr alle daaaa?" "Jaaaa", antworten die jungen Leute brav. Die Turnschuhe, Zöpfe und bunten Hoodies sollten aber nicht über die Ernsthaftigkeit des Anliegens hinwegtäuschen: Die Politik muss handeln. Now! Da sind sich alle einig und klar. "Irgendwann dürfen wir alle wählen", steht auf einem T-Shirt. Es ist wohl als Drohung zu verstehen. "Opa, was ist ein Schneemann?", wurde auf ein Schild gemalt, das eine junge Frau hochhält. Eine Sickerfrage.

Greta Thunberg war der Star bei der Demo in Berlin zwei Tage vor der Wahl.
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Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen stoßen bei der Aspernbrücke zur Demonstration. Sie verhandeln derzeit mit der ÖVP die letzten Züge der ökosozialen Steuerreform. "Die ist für mich richtungsentscheidend", sagt eine junge Studentin. "Die Grünen verfolgen die Strategie, möglichst lange in der Regierung zu sein, um zumindest irgendetwas zu bewirken. Aber beim CO2-Preis geht es jetzt wirklich um alles."

Video vom Klimastreik
DER STANDARD

Auch Kogler will "Systemwechsel"

Kogler und Gewessler sehen das eh auch so, aber eben auch etwas anders. "Es geht jetzt um den Systemwechsel und darum, einen Preispfad vorzugeben, das ist viel wichtiger als die konkrete Höhe des CO2-Preises", sagt der Vizekanzler. Fast täglich laufen derzeit Verhandlungsrunden zwischen ÖVP und Grünen.

Mitte Oktober wird das nächste Budget beschlossen, bis dahin muss der Plan der ökosozialen Steuerreform stehen. Die Verhandlungen sollen sich teilweise aber ziemlich ziehen. Auch der Regierung läuft die Zeit davon. "Klimaschutz ist kein Sprint, sondern ein Marathon", sagt Gewessler. Es ist seit langem einer ihrer liebsten Sätze.

Auf die Gefahr für die Tiere in der Polarregion wies man in Prag hin.
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Auch einige Wiener Grüne sind auf der Demo. Der nicht amtsführende Stadtrat Peter Kraus trägt ein Schild mit dem Slogan "There is no Planet B" und auf der Jacke einen dieser "Nobau"-Aufkleber, mit denen gegen den Bau eines Tunnels unter dem Naturpark Lobau demonstriert wird. "Angesichts dessen, dass der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig gestern im Rathaus gesagt hat, dass ihm der Druck von der Straße wurscht ist, ist das heute ein sehr starkes Zeichen", ist der neooppositionelle Wiener Grüne überzeugt.

24 Stunden Protest im Rathaus

Am Freitag um fünf vor zwölf Uhr Mittag – also kurz vor dem Start der Demonstration – hatten Aktivisten von Greenpeace die Besetzung eines Gangs im Rathaus gegen den Lobautunnel wieder beendet. "Nach über 24 Stunden Protest im Wiener Rathaus fordern wir den Bürgermeister ein letztes Mal auf, sich den jungen Menschen in seiner Stadt zu stellen", schreiben die Naturschützer in einer Mitteilung.

Der Demonstration haben sich auch zahlreiche andere große Organisationen wie der WWF, Global 2000, das Rote Kreuz oder der Gewerkschaftsbund angeschlossen. "Wahnsinn, was ihr erreicht habt", sagt Umweltministerin Gewessler zu einem Fridays-Aktivisten auf der Aspernbrücke. Er nickt, aber jetzt sei sie an der Reihe.

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Demonstrantin in Neu-Delhi: Künftige Generationen werden über uns richten.
Foto: AP / Manish Swarup

Die Scientists for Future hatten schon am Freitagvormittag die österreichischen Fakten zum Thema geliefert: Im Vorjahr sind die Emissionen hierzulande Corona-bedingt um geschätzte acht Prozent gegenüber 2019 zurückgegangen. Heuer gebe es aber wieder ein Plus von neun Prozent gegenüber 2020, ergeben neue Berechnungen des Klimawissenschafters Gottfried Kirchengast.

Fridays for Future appelliert an die österreichische Regierung, die Klimakrise "endlich als Krise" zu behandeln und nicht "auf technologische Wunderlösungen" zu warten. "Zeugnis für Türkis-Grün", steht auf dem Schild einer Aktivistin. "Klimaschutz: 5, Verantwortung: 5", ist darunter zu lesen. Auf der Demo in Berlin hält Greta Thunberg am frühen Nachmittag eine Rede: "Wir werden nicht aufgeben, wir wollen einen Wandel, wir verlangen einen Wandel. Es gibt kein Zurück." (Katharina Mittelstaedt, David Krutzler, 24.9.2021)