Olaf Scholz mit Frau Britta Ernst vor dem Wahllokal in Potsdam.

Foto: AFP/John McDougall

Einen Augenblick lang schien es, als wisse der sonst so wortkarge Olaf Scholz nicht so recht, wie er auf die Frage des zehnjährigen Romeo im ProSieben-Format "Kinder fragen Kanzler:innen" antworten soll, ohne ins Schwafeln zu geraten. "Was ist ein Scholzomat?", wollte der Jungreporter im Wahlkampf von dem SPD-Kanzlerkandidaten wissen. Früher, so Scholz, habe er wohl öfter einmal die immergleichen Sätze in die Mikrofone gesagt. Das sei aber lange her, setzte der 63-Jährige in bemüht einfachen Worten nach – und klang dabei schon wieder gehörig nach Scholzomat.

Tatsächlich eilt der wenig schmeichelhafte Spitzname dem Mann, der drauf und dran ist, Deutschlands nächster Kanzler zu werden, nun schon seit zwei Jahrzehnten voraus. Damals musste er als SPD-Generalsekretär Gerhard Schröders umstrittene Agenda 2010 verteidigen. Das Label vom hölzern auftretenden Bürokraten, der stets auf Parteilinie, aber ohne allzu viel linkes Sendungsbewusstsein durch die Institutionen marschiert, ist seither an dem gelernten Arbeitsrechtler haften geblieben.

Hamburger Bürgermeister

Wahr ist aber auch, dass kaum ein deutscher Politiker so wendig ist wie der gebürtige Niedersachse, der heute samt seiner Ehefrau kinderlos in Potsdam wohnt. So treu der einstige Jusos-Vizechef einst Schröder den Rücken freihielt, so leicht sollte es ihm später fallen, sich Angela Merkel unterzuordnen – erst als Arbeits-, dann als Finanzminister und Vizekanzler. Dazwischen sammelte er als Hamburger Bürgermeister Regierungserfahrung. Nicht nur einmal ließ Scholz im Wahlkampf dann auch fallen, wie reibungslos er mit der Kanzlerin zusammenarbeitet. Dass diese einer anderen Partei angehört, fiel dabei fast unter den Tisch. Wer weiter Merkel will, so Scholz' Botschaft, müsse diesmal SPD wählen.

Dass die SPD mit ihm an der Spitze nun zum ersten Mal seit 2005 wieder stärkste Kraft zwischen Watzmann und Wattenmeer wurde, verdankt Scholz aber auch gutem Timing. Als bei der Union Armin Laschet noch mit Markus Söder rang und Annalena Baerbock und Robert Habeck grüne Sträuße ausfochten, war Scholz bei der SPD schon gesetzt – und das, obwohl die Parteibasis ihrem Finanzminister bei der Wahl zum SPD-Chef 2019 noch eine krachende Niederlage zugefügt hatte. Dadurch hatte Scholz genügend Zeit, sich auf Vorwürfe – Stichwort Wirecard-Skandal, Stichwort G20-Krawalle – einzustellen. Nun muss Scholz beweisen, dass er neben Bürokrat und Kandidat auch Koalitionsbauer sein kann. Wenn es sein muss, auch per Scholzomat. (Florian Niederndorfer, 27.9.2021)