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Diese Fußabdrücke in New Mexico könnten der älteste verlässliche Hinweis auf die Besiedelung Amerikas durch den Menschen sein.
Foto: National Park Service/AP

Die wohl berühmtesten Fußspuren der älteren (Vor-)Menschheitsgeschichte gehören zu Vorfahren der Gattung Australopithecus: Die fossilen Fußabdrucke von Laetoli in Tansania sind ein beeindruckender Beweis dafür, dass dieser Typus der mit modernen Menschen verwandten Hominini bereits aufrecht auf zwei Beinen ging – und das besser und häufiger als andere Primaten. Datiert werden die Abdrücke auf rund 3,6 Millionen Jahren.

Wesentlich jünger sind die mit der Menschenfamilie in Verbindung gebrachten Spuren, die aktuell in Amerika für Aufsehen sorgen: Ein Forschungsteam schreibt im renommierten Fachmagazin "Science" über Fußabdrücke, die mit einem Alter von etwa 23.000 bis 21.000 Jahren die Besiedelungsgeschichte des amerikanischen Doppelkontinents neu schreiben könnten. Dies mag an das geflügelte Wort über Menschen in den USA erinnern, für die einhundert Jahre eine lange Zeit sind, während in Europa hundert Kilometer (wahlweise auch Meilen) als eine lange Strecke gelten: Immerhin weisen Funde in der spanischen Sierra de Atapuerca auf frühmenschliche Besiedelung vor 1,2 Millionen Jahren hin (die wiederum im Vergleich mit den afrikanischen Funden der Gattung Homo freilich jung sind).

Paradigmenwechsel in der Forschung

Amerika war jedoch offenbar der letzte Kontinent, den der Mensch als Lebensraum erschloss. Lange hielt sich die Theorie, dass die erste Besiedlungswelle am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 15.000 Jahren von Sibirien über die Landbrücke Beringia nach Nordamerika schwappte; vor etwa 11.500 Jahren wurde dann ein Korridor eisfrei, der auch die Ausbreitung nach Südamerika ermöglichte. Neuere Forschungsergebnisse förderten weitere Beweismittel und Aspekte zutage und entfachten immer wieder Diskussionen über die Details dieser These.

Doch es geht noch weiter: Seit etlichen Jahren häufen sich die Hinweise darauf, dass Homo sapiens schon um einige Jahrtausende länger in Amerika lebt. Während manche Forschungsarbeiten die ersten Amerikanerinnen und Amerikaner auf 20.000 Jahre und älter schätzen, beschreiben andere potenziell menschliche Spuren, die sogar rund 130.000 Jahre alt sein könnten.

Anthropologie mit Hand und Fuß

Viele dieser Hinweise sind umstritten. Oft handelt es sich um Steine, die man als Werkzeuge genutzt haben könnte, oder um Tierknochen, die aussehen, als könnten sie von Menschenhand bearbeitet worden sein. Im Gegensatz dazu befasst sich die aktuelle Studie mit Fußspuren, die im Nationalpark White Sands im US-Bundesstaat New Mexico gefunden wurden. Im verfestigten Schlamm des ausgetrockneten Otero-Sees gibt es tausende Abdrücke, manche von ihnen dokumentieren beispielsweise die Jagd von Steinzeitmenschen auf Riesenfaultiere.

So ähnlich könnte es vor etwa 22.000 Jahren im südlichen Nordamerika ausgesehen haben.

Die Forschungsgruppe analysierte 61 Fußabdrücke aus sieben Sedimentschichten, die Fachleuten zufolge zweifellos menschlich sind. Um herauszufinden, wie alt sie sind, setzte die Gruppe die Radiokarbonmethode ein – und zwar bei Pflanzensamen, die in mehreren Bodenschichten zwischen den Fußspuren steckten. Das Ergebnis: ein Alter von 23.000 bis 21.000 Jahren.

Versuchte Selbstwiderlegung

Um sich zu vergewissern, dass sie mit dieser Einschätzung richtig liegen, prüften die Forschenden mehrmals, ob es nicht zu chemischen Verfälschungen gekommen sein könnte. "Wir haben immer wieder versucht, unsere eigenen Ergebnisse zu widerlegen", sagt Daniel Odess, der als Archäologe des National Park Service an der Studie beteiligt war. "Und wir bekamen immer wieder die Antwort: Ja, sie sind wirklich so alt."

Das Resultat deutet darauf hin, dass Menschen schon auf dem Höhepunkt der Vergletscherung in Amerika lebten. Das Forschungsteam vermutet, dass sie also schon früher dorthin gelangten, als der Weg noch nicht durch Eisschilde erschwert wurde. Und weil die Abdrücke in verschiedene Gipsschichten eingeprägt sind, dürften sich Menschengruppen mindestens zwei Jahrtausende lang in diesem Gebiet aufgehalten haben.

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Die meisten Fußspuren führt das Team übrigens auf Kinder und Jugendliche zurück – größere Abdrücke, die wohl von Erwachsenen stammen, kommen seltener vor. Ebenfalls vorkommende Spuren von eiszeitlichen Tieren wie Mammuts lassen erahnen, dass Menschen schon damals Jagd auf die Megafauna machten.

Potenziell revolutionär

Nicht an der Studie beteiligte Fachleute schätzen diese – auch im Hinblick auf die Datierung – als solide ein. Einige äußerten aber gerade bei einem solch spektakulären Fund den Wunsch nach mehreren Beweislinien, um sich nicht nur auf die Radiokarbondatierung der Samen verlassen zu müssen. Der Anthropologe Loren Davis von der Oregon State University etwa merkt an, dass die Samen aus älteren Sedimenten ausgespült worden und damit älter als die Fußspuren sein könnten.

Das ließe sich beispielsweise kontrollieren, indem Lumineszenzdatierungen des Materials durchgeführt werden, schlägt Davis vor. So lässt sich feststellen, wann Quarzkörner zuletzt Licht ausgesetzt waren. Es dürften also weiterführende Untersuchungen durchgeführt werden, handelt es sich doch um eine "potenziell bahnbrechende" Studie, da sie den bisher stärksten Beweis für eine frühere Besiedelung Amerikas darstellt. Wenn sich die Ergebnisse als robust und richtig herausstellen, "wird das die Art und Weise revolutionieren, wie wir über Archäologie in Amerika denken", sagt der Forscher. (Julia Sica, 27.9.2021)