Landeshauptmann Thomas Stelzer hat nach der Wahl die Wahl – er kann und muss sich eine Partnerpartei zum Regieren suchen.
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ÖVP legt leicht zu

Thomas Stelzer bleibt Landeshauptmann, das war klar – mit wem er regieren wird, ist es nicht.
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Dass die ÖVP auch nach diesem Sonntag stärkste Kraft in Oberösterreich sein würde, war klar, aber das Wahlziel der Volkspartei war ambitionierter, auch wenn Landeshauptmann und VP-Landeschef Thomas Stelzer bei seiner Stimmabgabe tiefstapelte und sagte, er wünsche sich ein gutes Ergebnis, das sei "mehr als bei der letzten Wahl". Denn eigentlich wollte die ÖVP die Niederlage der Volkspartei 2015 unter dem damaligen Landeshauptmann und Parteichef Josef Pühringer korrigieren. Damals fuhren die Schwarzen ein Minus von 10,39 Punkten ein.

Am Sonntag sorgte die erste Hochrechnung um 16 Uhr für Ernüchterung. Ein Plus von 1,4 Prozentpunkten und 37,7 Prozent der Stimmen waren deutlich unter den Erwartungen der Volkspartei. Um kurz vor 23.30 Uhr, da waren alle Stimmen ausgezählt, stand die ÖVP bei 37,6 Prozent, das war ein Plus von 1,3 Prozentpunkten. Stelzer war dennoch "sehr dankbar, dass wir, obwohl zwei Parteien mehr in den Landtag gekommen sind, als Erster dazugewonnen haben und als erste Kraft so stark sind wie Zweite und Dritte gemeinsam."

ÖVP Wahlmotive:
1. Zufrieden mit der ÖVP-Politik
2. Landeshauptmann Thomas Stelzer
3. Stammwähler, Tradition

Der 54-jährige Jurist Stelzer hatte 2017 das Regierungs- und Parteiamt von Pühringer übernommen und etablierte seither einen betont nüchternen, sachpolitisch fokussierten Politikstil. Mit wem er in Koalition gehen wird, verriet Stelzer am Wahlabend noch nicht. Er ließ es offen, ob er als einziger der sechs ÖVP-Landeshauptleute bei der FPÖ bleibt oder nach dem Vorbild des Bundeskanzlers und der westlichen Parteikollegen mit den Grünen zusammenarbeitet. Es wäre eine Rückkehr zu dem Koalitionspartner, mit dem Stelzers Vorgänger Josef Pühringer eine politische Premiere wagte, die letztlich bis 2015 zwölf Jahre lang hielt. Am unwahrscheinlichsten dürfte in Oberösterreich eine Koalition mit der SPÖ sein, wie sie die ÖVP in der Steiermark – und unter umgekehrten Vorzeichen auch in Kärnten – hat.

Trotz des nur kleinen Stimmenzuwachses feierte die Volkspartei mit dem angereisten Bundeskanzler im schicken Innenstadt-Restaurant "Le Jardin" fröhlich und ausgelassen. Besonders begehrt bei der Parteijugend waren, nicht überraschend, Erinnerungsfotos mit dem Kanzler.

FPÖ verliert stark

FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner kämpfte um Platz zwei und die alte Koalition.
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Für Manfred Haimbuchner war es als Einzigen der Spitzenkandidaten ein bekanntes Gefühl, eine Landtagswahl für seine Partei zu verantworten: Der Parteichef der Freiheitlichen in Oberösterreich und bisherige Landeshauptmannstellvertreter führte die Blauen nämlich bereits zum dritten Mal in eine Wahl – und wusste, was die Partei und er selbst zu verlieren haben: vor allem den Status und die Rolle als Koalitionspartner der ÖVP in der oberösterreichischen Proporzregierung. Jedenfalls verloren die Blauen am Sonntag ein Drittel ihrer Stimmen.

Auf Verluste war die FPÖ aber eingestellt, quasi Nachwehen der Ibiza-Affäre, aber auch der in Oberösterreich ungern gesehene Wechsel von Norbert Hofer zu Herbert Kickl war eine unbekannte Variable bei dieser Wahl – und mit der neuen Partei MFG gab es zugkräftige Konkurrenz im corona-maßnahmenskeptischen Lager. Oberstes Wahlziel der FPÖ hinter dem konkreten Wahlergebnis war also zuvorderst die Fortführung der schwarz-blauen Koalition im Land. Platz zwei im Land hatte die FPÖ der SPÖ in der "Flüchtlingskrisenwahl" 2015 erstmals abgenommen. Damals legten die Blauen massiv auf den Rekordwert von 30,36 Prozent zu, während die SPÖ erstmals seit 1945 unter 20 Prozent (18,37 Prozent) abgesackt war.

Wahlmotive:
1. Gegen Corona-Politik
2. Asylpolitik, gegen Zuwanderung
3. Vertritt meine Interessen

Bei der ersten Hochrechnung am Sonntagabend (16 Uhr) stand ein Minus von 10,2 Prozentpunkten beim blauen Balken, das reichte zu dem Zeitpunkt für Platz zwei mit 20,2 Prozent. Am Ende war die FPÖ bei 19,8 Prozent (minus 10,6 Prozentpunkte).

Kein Grund also zum Feiern. Haimbuchner zog es denn auch vor, ein Nicht-Feierabendbier in der Parteizentrale zu trinken und nicht im zur Hälfte gefüllten Linzer Bierlokal "Josef", wo der Wahlabend von blauen Gefolgsleuten recht verhalten bei Weißwurst und Bier "gefeiert" wurde. Das passte ganz gut zur Botschaft aus der Wiener Parteizentrale.

FPÖ-Chef Kickl hatte zum Wahlergebnis in Oberösterreich gemeint: "Kein Grund zum Feiern, aber auch kein Anlass, die Köpfe hängen zu lassen." Einen Anlass für einen Kurswechsel sieht Kickl nicht.

SPÖ stagniert

Die rote Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer will keine persönlichen Konsequenzen ziehen.
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Am Wahlabend war das rote Wahlziel dann schon ziemlich geschrumpft: Hatte SPÖ-Landesparteichefin und Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer im Wahlkampf noch 20 Prozent als Ziel für die oberösterreichische Sozialdemokratie ausgegeben, sagte die Parteichefin nach den ersten Hochrechnungen, die die SPÖ zwar innerhalb der Schwankungsbreite, aber dennoch hinter der FPÖ auf Platz drei sahen: "Noch sind die großen Städte nicht ausgezählt, aber ich bin zuversichtlich, dass wir unser Ergebnis von 2015 noch leicht verbessern werden."

Wahlmotive:
1. Sozial, schaut auf kleine Leute
2. Arbeiterpartei, für Arbeitnehmer
3. Vertritt meine Interessen

Damals war die SPÖ auf 18,4 Prozent gekommen. Diesmal prognostizierte die erste Hochrechnung um 16 Uhr 18,3 Prozent für die Roten, minus 0,1 Prozentpunkte bei einer Schwankungsbreite von 2,2 Prozent. Im Endergebnis waren es schließlich 18,6 Prozent (plus 0,2 Prozentpunkte). "Unter diesen Umständen" sei das ein "gutes Ergebnis", hatte Gerstorfer zuvor gesagt. Zumal es mit Neos und der neuen Partei MFG zwei zusätzliche Parteien in den Landtag geschafft haben. Persönliche Konsequenzen, obwohl es für die SPÖ Oberösterreich vom historischen Tiefstand nicht wirklich aufwärts ging, will Gerstorfer nicht ziehen. Die Zeit bis zum Endergebnis vertrieben sich rund 100 SPÖ-Anhängerinnen und -Anhänger dann am Abend im Linzer Café Central. Bereits zuvor waren freundlich zurückhaltende Glückwünsche aus der Partei gekommen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ließ die Landespartei wissen: "Es ist erfreulich, dass es unter schwierigen Bedingungen erstmals seit fast zwei Jahrzehnten wieder ein Plus bei der Landtagswahl für die SPÖ Oberösterreich gibt."

Wiens Bürgermeister und SPÖ-Landeschef Michael Ludwig wies ebenfalls darauf hin, dass der Wahlkampf in Oberösterreich "unter nicht einfachen Voraussetzungen" von Gerstorfer "engagiert" geführt worden sei.

Grüne erreichen bestes Ergebnis

Spitzenkandidat Stefan Kaineder fuhr für die Grünen ein Plus ein.
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Das Ziel der oberösterreichischen Grünen war in diesem Wahlkampf wohl so klar wie selten zuvor. Nach einer innerparteilichen Verjüngungskur ging man mit Stefan Kaineder, dem es auffallend rasch gelungen ist, die Partei nach dem Abgang von Urgestein Rudi Anschober hinter sich zu einen, und einer neu entflammten Liebe zur ÖVP ins Rennen.

Obwohl die Grünen 2015 erstmals den Sprung über die Zehn-Prozent-Marke schafften, galten sie doch als Wahlverlierer. Nach zwölf Jahren Zusammenarbeit mit der ÖVP hatte die Konstellation keine Mehrheit mehr. Die ÖVP ging mit der FPÖ zusammen. Was sich nun wieder ändern soll, wenn es nach den Grünen geht.

Wahlmotive:
1. Umwelt- und Klimaschutz
2. Vertritt meine Interessen
3. Soziales, Menschlichkeit, Asyl

Im Wahlkampf lag ihr Fokus allein auf Klimaschutz. Kaineder selbst nutzte fast jede Gelegenheit, sich der ÖVP an den Hals zu schmeißen. Da wurden die eigenen christlich-sozialen Wurzeln beschworen, der Opa als ehemaliger ÖVP-Bürgermeister durfte nicht fehlen und auch "das Aufwachsen auf dem kleinen Mühlviertler Bauernhof" stand ebenso am Programm.

Im Gegenzug hielt man sich beim Thema Integration, das Kaineder sogar in der Landesregierung verantwortet, auffallend zurück.

Die Strategie ging auf: Mit 1,1 Prozentpunkten mehr erreichten die Grünen bei der ersten Hochrechnung 11,4 Prozent. Sie schlossen den Abend sogar mit 12,3 Prozent ab. Grünen-Chef Werner Kogler, der wie auch Ministerin Leonore Gewessler und Klubobfrau Sigrid Maurer im Linzer Kunstmuseum Lentos mitfeierte, freute sich über das "historisch beste Wahlergebnis" bei einer Landtagswahl in Oberösterreich. Der Bundessprecher sieht das Plus auch als Regierungsauftrag.

"Das ist der erste Schritt, das Land wird klimaneutral werden und wir werden der Grund sein, warum das so ist", sagte am späten Abend Spitzenkandidat Kaineder.

Neos mussten zittern

Neos-Spitzenkandidat Felix Eypeltauer musste am Sonntagabend um den Einzug zittern.
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Im zweiten Anlauf hat der pinke Einzug in den Landtag geklappt. Sonntagabend mussten die Neos aber zuerst noch zittern: Bei der ersten Hochrechnung um 16 Uhr kamen sie nur auf 3,9 Prozent. Am Ende hatten die Pinken die Vierprozenthürde mit 4,2 Prozent allerdings geknackt (plus 0,8 Prozentpunkte).

2015 waren die Pinken mit 3,5 Prozent knapp am Einzug gescheitert. Mit der Übernahme der Landespartei durch den erst 29-jährigen Felix Eypeltauer scheint jedenfalls ein Ruck in Richtung deutlich mehr Präsenz gegangen zu sein.Im Wahlkampf untermauerte der studierte Jurist aus tiefroter Familie – Uropa Ernst Koref war der erste SPÖ-Bürgermeister in Linz nach dem Zweiten Weltkrieg und die Großmutter Beatrix Eypeltauer in den 1970er- und 1980er-Jahren SPÖ-Staatssekretärin – schier unermüdlich seinen festen Willen, "Politik im neuen Gewand" für Oberösterreich machen und künftig gegen eine "Politik nach Gutsherrenart" agieren zu wollen. Stark war auch die Bundespräsenz im Wahlkampf, gemeinsame Auftritte mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gab es viele. Diese freute sich am Abend, dass ihre Partei den Einzug in den oberösterreichischen Landtag geschafft hat. "Wir haben heute Geschichte geschrieben", sagte Meinl-Reisinger.

Wahlmotive:
1. Programm, politische Ziele
2. einzig wählbare Partei
3. vernünftig, sachlich

Strategisch günstig ist es dem Neos-Spitzenkandidaten gelungen, sich von dem für die selbsternannte Transparenzpartei durchaus peinlichen Finanzskandal in der Linzer Fraktion im März loszusagen. Durch einen schnell erzwungenen Rücktritt des damaligen Linzer Obmanns konnte das Thema im Wahlkampf kleingehalten werden.

MFG schafft Sprung in Landtag

MFG-Spitzenkandidat Joachim Aigner schaffte aus dem Stand den Sprung in den Landtag.
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Listenplatz 6 bei der oberösterreichischen Landtagswahl gehörte einem Politikneuling. Das Parteikürzel stand bisher für "Mit freundlichen Grüßen". Spätestens seit Sonntag ist MFG auch ein politischer Begriff: Es ist der Name der impfskeptischen Liste Menschen, Freiheit, Grundrechte, die schon bei der ersten Hochrechnung mit 7,5 Prozent fix als neue Fraktion im Landtag ausgewiesen wurde und sich am späten Abend über 6,2 Prozent im Gesamtergebnis freuen konnte. Die Pandemie war also eine treffliche Rampe für den Sprung über die Vierprozenthürde.

Die Wahlkampagne – angeführt von Joachim Aigner, einem 45-jährigen Steuerberater, der seine Liste als "Bürger aus der Mitte" beschrieb – war inhaltlich fokussiert auf Impfskepsis und Corona-Maßnahmenkritik, räumlich vor allem im Innviertel und im Zentralraum präsent. Ein Plakat zeigte eine durchgestrichene Spritze zum Schriftzug "Nein bleibt Nein".

Wahlmotive:
1. Grundrechte werden untergraben
2. Gegen Impfpflicht
3. Corona-Maßnahmen überzogen

Im MFG-Programm finden sich aber auch andere Themen wie mehr Oppositionsrechte und Bürgerbeteiligung, ein Ende des Amtsgeheimnisses und die "bedingungslose Beibehaltung des Bargelds". Weiters angestrebt werden die Abschaffung von Berufspolitikern und der "Zwangsmitgliedschaft" bei Kammern, die Errichtung von "Lehrkanzeln für Ernährungsmedizin" und verpflichtender Ethikunterricht und die "Übernahme der Kosten für Prävention ungewollter Schwangerschaften durch die Krankenkasse". (Oona Kroisleitner, Lisa Nimmervoll, Markus Rohrhofer, 26.9.2021)