Ich habe es gerade noch geschafft: eine letzte Fahrt mit der Gleichenberger Bahn. Ende Oktober wird definitiv Schluss sein damit. Einzelne Politiker winden sich noch ein bisschen, diese Absicht auch in aller Härte ihren potenziellen Wählerstimmen bekanntzugeben. Die Umwidmung des Betriebsbahnhofs in Feldbach von einer "Verkehrsfläche" zur "Sondernutzung im Freiland (Erholung und Kultur)" ist bereits beschlossen. Und eine Eisenbahn ohne Betriebsbahnhof ist schwer vorstellbar.

Das Zusperren von Nebenbahnen schleppt sich bereits über Jahrzehnte. Jetzt wird endgültig aufgeräumt. Was lange Zeit noch im Schatten der allgemeinen Aufmerksamkeit dahindämmern konnte, eine kleine Existenz hatte, fällt nun ausgerechnet dem Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr und zur Ökologisierung der Wirtschaft zum Opfer.

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Steuergeld wird tatsächlich vermehrt in den Ausbau dicker öffentlicher Verkehrsadern gesteckt, die feinen Verästelungen werden indes langsam verödet, vom Weltgeschehen abgeschnitten. Regionalbahnen werden eingestellt, weil sie in keine großspurigen Konzepte passen, weil sie im globalen Wettlauf um Effizienzsteigerung keine Rolle mehr spielen und folglich nur noch als nutzloser Kostenfaktor wahrgenommen werden.

Es ist im Laufe der Jahrzehnte immer schwieriger geworden, Regionen mit geringer Besiedlungsdichte gut und kostengünstig mit öffentlichem Verkehr zu versorgen. Ohne Zweifel hat das Auto diese Dynamik begünstigt, um nicht zu sagen befeuert. Die Rechnung wurde längst serviert: je dünner besiedelt und strukturschwächer eine Region, umso höher die Anzahl der Automobile pro Einwohner.

Das Burgenland ist Spitzenreiter: 675 Autos pro 1.000 Einwohner. Die Steiermark liegt mit 616 Autos im Mittelfeld. Tendenz immer noch steigend. Verzicht auf das Auto ist ohne Anpassung der Strukturen nicht möglich. Öffentlichen Verkehr auszubauen, statt zuzusperren, ist in Ballungsräumen die leichtere Aufgabe. In Wien kommt nur auf jeden Dritten ein Auto, Tendenz fallend.

Die Tage der Gleichenberger Bahn sind gezählt, Ende Oktober fährt der Zug letztmalig ab. Denkwürdiges Zeichen in Zeiten strammer politischer Bekenntnisse zum öffentlichen Verkehr.
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Zauberwort Autobus

Um den öffentlichen Nahverkehr zu bewältigen, gibt es auf dem Land ein Zauberwort für Politiker, das heißt "Autobus". Doch Autobusse fahren entweder leer, zu selten oder gar nicht. Wenn doch, dann transportieren sie überwiegend Schüler. Auf deren Bedürfnisse sind auch die Fahrpläne abgestimmt.

Autobusse benötigen keine eigene Infrastruktur zum Fahren, insofern sind sie sehr billig. Über den Schülertransport hinaus sind sie wirtschaftlich aber kaum von Nutzen, also eigentlich sehr teuer.

So werden nun auch die Fahrgäste der Gleichenberger Bahn auf den Autobus verwiesen, der sogar nur halb so viel Zeit von Bad Gleichenberg nach Feldbach benötigt. Die Strecke ist nämlich viel kürzer und verläuft auf einer ganz anderen Route.

Die Gleichenberger Bahn wurde um 1930 als Teil eines größeren Konzepts gebaut, nämlich mit einem Anschluss nach Bad Radkersburg, der nie folgte. Sie schlängelt sich deshalb durch das oststeirische Hügelland, weil große Ortschaften wie Oedt bei Feldbach und Gnas angebunden werden wollten und auch wurden. Es ging nicht um die kürzeste Zeit von A nach B, sondern um hohe Nutzbarkeit für die Region.

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Die Bahn fährt auf Normalspur und wird elektrisch mit Oberleitung (1.800 Volt Gleichstrom) getrieben. Der Umbau auf den Wechselstrom der ÖBB wäre keine sehr aufwendige Arbeit, die Beschaffung neuer Zuggarnituren für eine direkte Anbindung an Graz nach 90 Jahren ohnehin eine Notwendigkeit und der Lückenschluss über Straden mit Bad Radkersburg eine schöne Perspektive. Zumal ja für die S3 von Graz über Feldbach nach Fehring ohnehin die Elektrifizierung ansteht.

Komatöser Zustand

Bad Gleichenberg, einer der traditionsreichsten ältesten Kurorte Österreichs (seit 1840), ist als solcher mittlerweile beinahe in einen komatösen Zustand geraten. Der fantastische Kurpark mit ebenso alten Bäumen wird mit großer Mühe am Leben erhalten, mehrere ehemalige Grand Hotels sind schon zu Parkplätzen planiert worden. Zwischen einer Wald-und-Wiesen-Therme und einer Kuranstalt für Haut- und Lungenkrankheiten üben die wenigen verbliebenen Hotels mit Engagement und Herzblut das Überleben.

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Das Umdenken in Zeiten einer dramatisch drohenden Klimaerhitzung wird wohl nicht nur aus einem Ersatz des Verbrennungsmotors durch einen Elektromotor bestehen können, um die Schuldenlast des Autoverkehrs zu bremsen. Eine bestehende, in ihren Grundzügen funktionierende elektrische Eisenbahn einzustellen mag kurzfristig wirtschaftlich sinnvoll sein. Es landen ein paar Rechnungen weniger in der Buchhaltung der Kostenträger. Aber es gibt keine Leistungen mehr und vor allem keine Perspektive.

Das oststeirische Hügelland besitzt enormes Potenzial im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens. Dieses Stück Eisenbahn könnte statt eines vernachlässigten Wochenendbummelzugs wieder zu einer sinnvollen Ergänzung des öffentlichen Personenverkehrs und vor allem, gut gemacht, zu einer Schlagader für sanften Tourismus werden. Wie sonst soll künftig ein Zug mit Luxuskurswagen die neuen wohlhabenden Umweltretter der Zukunft ins dereinst neu geschaffene Grand Hotel Öko-Resort nach Bad Gleichenberg zu Heilquellwasser-Trinkkur und Gelbem Muskateller bringen? (Rudolf Skarics, 30.9.2021)