Eine Wurzel des Erfolgs der KPÖ in Graz liegt weit zurück. Im Jahr 1992 baute der Vorgänger der jetzigen kommunistischen Vorsitzenden Elke Kahr, Ernest Kaltenegger, den Mieternotruf auf. Seit damals werden dort Mietverträge und Betriebskostenabrechnungen überprüft, die Rechtmäßigkeit und Höhe von Provisionen, es gibt Beratung bei Schikanen durch Vermieter und bei Kautionsrückzahlungen sowie Hilfe bei Kündigungen und Räumungsklagen.

Elke Kahr und ihr Vorgänger Ernest Kaltenegger bei der Wahlfeier der Grazer Kommunisten in Graz.
Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Elke Kahr hat das Erbe ihres Vorgängers stets sorgfältig gepflegt und ausgebaut. Das, unter anderem, zahlte am vergangenen Sonntag ein – abgesehen von der Hybris und Abgehobenheit des Grazer ÖVP-Langzeitbürgermeisters Siegfried Nagl und seinen teils fantastischen Plänen, die wohl viele Grazer eher abstießen.

Grundbedürfnis von Menschen

Man erkennt am Grazer Ergebnis jedenfalls die Binsenweisheit, dass Wohnen – besser: gutes, leistbares Wohnen – eines der Grundbedürfnisse der Menschheit ist. Man sieht auch, dass dieses Thema weit in die Mitte der Gesellschaft reicht. Wenn es selbst für doppelt verdienende Paare schwierig wird, einigermaßen leistbare, halbwegs geräumige Wohnungen zu mieten oder gar zu erwerben, wächst die Empörung. Das sieht man auch in Berlin. Nach Jahrzehnten, in denen Immobilienentwickler in der deutschen Bundeshauptstadt in Goldgräberstimmung waren, war das Thema nun im Kommunalwahlkampf der bestimmende Faktor – und nützte vor allem den Grünen, die es massiv besetzten.

Berliner Signal

Zeitgleich stimmten die Berlinerinnen und Berliner in einem Referendum für die Enteignung großer Immobilienkonzerne, um leistbaren Wohnraum zu schaffen. Interessantes Detail: Laut Umfragen war den Abstimmenden dabei klar, dass das Referendum für den Berliner Senat rechtlich nicht bindend ist – namentlich die Anhänger von SPD und Grünen bestehen gar nicht darauf. Es ist also keineswegs so, dass ausgerechnet die Berlinerinnen und Berliner zu überzeugten Kommunisten geworden wären – es ging ihnen offensichtlich um ein klares Signal an die Politik: "Gut zu wohnen ist uns wichtig – nehmt das endlich wahr!" Dass dies, vor allem in bevölkerungsreichen Städten, ein absolutes politisches Muss ist, sieht man am Beispiel Wien. Dort konnte sich die SPÖ nicht zuletzt wegen des sozialen Wohnbaus so lange an der Macht halten.

Wiener Beispiel

Über die Jahrzehnte wurden hunderttausende Gemeindewohnungen errichtet, rund 500.000 Menschen wohnen dort. Es war dies oft ein heiß umstrittenes Thema, vor allem die Frage, wer denn nun Anspruch auf eine solche Wohnung hat. Die SPÖ verstand es dabei, ihre Wohnungs- und Wohnbaupolitik stets so zu adaptieren, dass sie auch mit wechselnden und wachsenden Wohnbedürfnissen der Bevölkerung Schritt hielt. Trotz aller immer wieder auftretender Probleme im Detail: Politisch ist sich das für die SPÖ am Ende immer irgendwie ausgegangen. Jetzt steht man auch in Wien, im internationalen Vergleich mit Verzögerung, vor dem Phänomen rasant steigender Immobilienpreise – und einem immer teurer werdenden freien Mietenmarkt. Nicht zuletzt deshalb baut das "rote Wien", damals noch in Koalition mit den Grünen, seit 2015 wieder neue Gemeindewohnungen.

Mit plötzlichen kommunistischen Fantasien von Städterinnen und Städtern hat das nichts zu tun – weder in Wien noch in Berlin noch in Graz. (Petra Stuiber, 27.09.2021)