Nur noch 13.782 Gründerzeit-Zinshäuser nach hauseigener, strenger Definition zählte Otto Immobilien zuletzt in Wien.

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Der Wiener Zinshausmarkt wird nach einer kleinen Corona-bedingten Delle nun wieder regelrecht mit Geld überschwemmt: Im ersten Halbjahr 2021 wurden laut dem aktuellen Zinshausmarktbericht von Otto Immobilien 677 Millionen Euro in Zinshäuser investiert, das waren um 50 Prozent mehr als im langjährigen Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2020. Nur 2018 und 2019 gab es bisher noch höhere Volumina im ersten Halbjahr. "Es ist somit klar, dass sich der Markt wieder von den Einschränkungen aufgrund der Coronakrise erholt und annähernd auf Vorkrisenniveau befindet", betont der Leiter der Investmentabteilung bei Otto, Christoph Lukaschek.

Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres betrug das Plus gleich 83 Prozent, denn im ersten Halbjahr 2020 wurden – ohne "Nachlauf", also ohne verspätete Grundbucheintragungen – keine 400 Millionen Euro investiert. Insgesamt kam das Gesamtjahr 2020 dann aber doch wieder auf fast 1,3 Milliarden Euro und war damit das viertstärkste Jahr am Wiener Zinshausmarkt.

Nur noch 13.782 Gründerzeit-Zinshäuser

Otto Immobilien legt noch dazu bei der Definition dessen, was ein Zinshaus ist, sehr enge Grenzen an: Betrachtet werden ausschließlich Gründerzeit-Zinshäuser mit Baujahren zwischen 1848 und 1918, die in geschlossener Bauweise und im Stil des Historismus errichtet wurden und in denen kein Wohnungseigentum begründet wurde.

Und von denen gibt es quasi naturgemäß immer weniger: Hauptsächlich wegen sogenannter Parifizierungen, also der Begründung von Wohnungseigentum, verschwinden Häuser regelmäßig aus der Statistik, aber es finden auch Abbrüche statt. Im Herbst 2009, als der erst Otto-Zinshausmarktbericht erschien, zählte das Unternehmen noch 15.529 Gründerzeit-Zinshäuser, aktuell hält man bei nur noch 13.782 (per Stichtag 14. August 2021).

Äußere Bezirke liegen bei Verkäufen vorn

Verkauft wurden im ersten Halbjahr 263 Zinshäuser bzw. Zinshausanteile, mit Ausnahme der Bezirke 4, 8 und 11 kam es in allen Wiener Gemeindebezirken zu einem Plus. "Die meisten Häuser wurden im 6. und 20. Bezirk verkauft", berichtet Martin Denner, Leiter der Otto-Researchabteilung. Dennoch halte der Boom der Bezirke außerhalb des Gürtels in Summe an: 68 Prozent der Transaktionen und 51 Prozent der Transaktionsvolumina fanden außerhalb des Gürtels statt.

Dort blieben die Preise grosso modo stabil, jedenfalls was die Maximalpreise betrifft. Nur in den Bezirken 12 und 21 gab es bei den Maximalpreisen hohe Ausschläge von jeweils 14 Prozent. Die Mindestpreise hingegen haben in mehreren Bezirken spürbar angezogen, unter anderem in den Bezirken 1, 2 und 3 mit Verteuerungen zwischen zehn und 15 Prozent. "Die niedrigsten Einstiegspreise sind zwar weiterhin in den Bezirken außerhalb des Gürtels zu finden, aber mittlerweile wird kein Wiener Gründerzeit-Zinshaus in einem durchschnittlichen Zustand unter 1.800 Euro pro Quadratmeter verkauft", weiß Richard Buxbaum, Leiter Wohnimmobilien bei Otto.

Weniger Share-Deals

Der Anteil der Transaktionen mit Volumina von mehr als 7,5 Millionen Euro hat zugelegt, auch wenn immer noch 75 Prozent aller Transaktionen einen Wert von unter fünf Millionen aufwiesen. Das liegt auch daran, dass bei den Verkäufen sehr viele Zinshausanteile dabei waren, nämlich knapp 54 Prozent.

Die Zahl der sogenannten Share-Deals – dabei handelt es sich um Liegenschaftserwerb nicht über das Grundbuch ("Asset Deal"), sondern über das Firmenbuch, indem eine Gesellschaft erworben wird – ging erstmals seit drei Jahren zurück; und zwar um 15 Prozent, wie Florian Schmidl, Partner bei Mazars Austria, berichtet. Damit lag der Anteil der durch Share Deals verkauften Gründerzeit-Zinshäuser mit 26,3 Prozent etwa auf dem Niveau von 2018 und 2019.

Unternehmen verkaufen mehr

Auf der Käuferseite dominierten klar die Unternehmen, "aber auch auf der Verkäuferseite werden sie immer stärker", berichtet Buxbaum. Demnach gingen sowohl knapp 64 Prozent aller Käufe als auch 52 Prozent aller Verkäufe von Unternehmen aus. Bei den Verkäufen wurden rund 56 Prozent des Transaktionsvolumens von Unternehmen erzielt, 43 Prozent waren Privatpersonen zuzuschreiben. Die Gruppe der Sonstigen, etwa Privatstiftungen, setzte bei den Verkäufen nur ein Prozent des Transaktionsvolumens um.

Beim Wertsteigerungspotenzial der Häuser wird offenbar immer öfter auf das Dachgeschoß geschaut. "Ein hoher Anteil der verkauften Häuser weist hier ein Ausbaupotenzial auf", berichtet Lukaschek. Da werden dann auch relativ hohe Quadratmeterpreise bezahlt, denn man erwerbe mit so einem Haus sozusagen auch Baugrund für weitere Wohnungen. Ein Ende dieses Trends sei nicht in Sicht, im Gegeneil: "Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren aufgrund des Mangels an Grundstücken das Interesse an Zinshäusern mit Ausbaupotential weiterhin sehr hoch sein wird." (red, 27.9.2021)