Der strohblonde Knirps sitzt am Simulator und fährt in längst vergang’nen Tagen, längst vergang’ner Zeit, drei Generation zurück. "Schau, Maxi, da sind noch andere Spiele", will die Mama ihn weglocken vom derzeitigen Objekt der Faszination. "Komme gleich!" Fahrsimulatoren für Kinder (und Erwachsene), Kinderwerkstatt, Carrera-Rennbahn, all das ist ebenso Bestandteil des breit angelegten Konzepts, das Jakob Iglhauser, Geschäftsführer des Museums Fahr(t)raum in Mattsee, realisiert hat. Dazu zählen weiters umfangreiche Veranstaltungsangebote im Hause, von Vorträgen (Hans-Joachim "Striezel" Stuck etwa sprach im Juli über seine Rennsportzeit) über Cabarets, Konzerte bis hin zur Hochzeit. Eine weitere Angebotsschiene sind chauffierte Ausfahrten mit Fahrzeugen aus dem Museumsbestand, um die 300 jährlich, denn die Autos gehören bewegt, so die Philosophie der Mattseer. Und: Man ist bei sechs bis acht Oldtimer-Veranstaltungen pro Saison mit Fahrzeugen dabei, verständlicherweise solchen, wo nicht allzu viele Kilometer anfallen, Gaisbergrennen, diverse Concours d’Elegance.

Foto: Stockinger

Der Spiritus Rector, der Mann hinter all dem, das ist der ältestes Sohn von Ferdinand Porsches Tochter Louise: Ernst Piëch, und den haben wir die Ehre nach mehreren Corona-bedingt geplatzten Anläufen in diesem prachtvollen Museum zu treffen. Und wie wir ihn so im Café befragen und er uns anschließend von Objekt zu Objekt führt, bestätigt sich, was ohnehin zu vermuten gewesen war: Der soignierte Herr ist ein wandelndes Lexikon, lebendige Zeitgeschichte, vieles von dem, was er zu berichten weiß, stammt aus einer Welt von gestern und ist doch ganz im Heute angekommen, Commander Spock würde sagen: fas-zi-nierend. Sein allergrößtes Verdienst ist und bleibt dabei schlicht dies: dass er als Einziger in der großen Porsche-Piëch-Familie sich des Erbes, des Vermächtnisses seines Großvaters annimmt.

Und wie er das tut! "Von der Kutsche bis zum Käfer" spannt sich der Erzählbogen, die Ausstellung ist multipel interaktiv, trittst du an ein Fahrzeug heran, ertönt dessen Motorengeräuschkulisse, gleich bist du mittendrin statt nur dabei. Dieses "lebendige" Ausstellungskonzept, dieses "andere Museum" mit Objekten zum Angreifen war Piëch wichtig. Das Konzept kommt gut an, 2019, im bisher besten Jahr, zählte man 75.000 Besucher, 65 Prozent davon aus Österreich, gefolgt von Deutschland, der Rest stammt aus Tschechien, Ungarn, Italien. Und Iglhauser weiß: Überraschend viele Frauen sind da darunter, rund 40 Prozent.

Foto: Stockinger

In den frühen 1990ern hat Piëch mit dem Sammeln begonnen. Grundintention war, alles zu horten, was Ferdinand Porsche konstruiert hat, "mit einer Einschränkung: Wenn ich Großvater sage und die Ergebnisse seiner Ideen meine, dann war das ja nicht er alleine. Das war immer ein Team." Er könne sich auch gut erinnern, dass Ferdinand Porsche sich stets auch für fremde Einfälle begeistern konnte. "Wenn wir auf einer Automobilausstellung waren, sagte er: ,Komm her. Schau dir das an. Diese brillante Idee, schau, was der gemacht hat.‘ Also: Die Kombination eigener und fremder Ideen, das war mit ein Geheimnis seines Erfolgs. Und der Umstand, dass er das Team motivierend führte."

Ein Schwerpunkt von Ernst Piëchs Aktivitäten war, "zu sammeln, was der Großvater vor der Käfer-Zeit gemacht hat. Das ist uns so gut gelungen, dass wir heute die weltgrößte Austro-Daimler-Sammlung besitzen. Von den 110 verbleibenden Fahrzeugen haben wir ein Drittel." Fazit: "Wir sind sammlungsmäßig so komplett, dass es kaum ein Angebot mehr gibt, wo ich sagen würde, das fehlt uns."

Foto: Stockinger

Meilensteine

Und da stehen sie also in Mattsee, diese "Meilensteine der Mobilität". Ebenerdig stimmungsvoll inszeniert und blendfrei ausgeleuchtet die Automobile und Rennwagen, im Keller eine Traktorenausstellung, die dieses gesamte Porsche-Kapitel umfasst. Porsche sollte seinerzeit ja auch einen "Volks-Traktor" bauen, einen "Volks-Schlepper". Piëch deutet auf einen mit offener Holzpritsche vorne drauf: "Auf so einem habe ich damals fahren gelernt." Hier unten finden sich auch zwei militärische Objekte: Kübel- und Schwimmwagen. Ernst Piëch kann sich noch gut erinnern an diverse Panzerprojekte. "In St. Valentin sind wir mit einer Lafette gefahren. Steigung 45 Grad. Dann hat der Großvater gesagt: 'Stehen bleiben.' Anschließend: 'Anfahren!' Dann ist eine Steinlawine hinten weggegangen, und wir waren über dem Hügel drüber. War ein Wahnsinn. Aber sammeln? Irgendwo muss man sich eine Grenze setzen."

Lohner-Porsche Mixte (1901)
Foto: Stockinger

Diesseits dieser Grenze: Für das Museum gibt es Ausbaupläne, die ein weiteres Kapitel von Porsches Tätigkeit, weitergefasst: der Familiengeschichte, beherbergen wird – Flugzeuge. "Wir haben eine Brandenburg C1 aus dem Ersten Weltkrieg. Mit so einer ist mein Onkel, der Bruder meines Vaters, bei einem Aufklärungsflug über Udine abgeschossen worden. Tolle Maschine, flog 6.000 Meter hoch." Der Motor: Sechszylinder-Austro-Daimler, 16 Liter Hubraum – und Konstrukteur Ferdinand Porsche. Der Mattseer Doppeldecker ist ein Nachbau rund um den originalen Motor. "Die zweite Maschine ist eine Klemm." Eine Art Motorsegler, produziert 1928 bis 1939, Konstrukteur des Zweizylinder-Boxers mit 21 PS? Richtig, Ferdinand Porsche, während seiner Zeit bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft.

Das Projekt – eine Halle auf die jetzige drauf – hat sich verzögert, die explodierten Holzpreise haben es von der Größe her auf die Hälfte des ursprünglichen Vorhabens reduziert, aber wenn alles klappt, geht es bald los. "Wenn wir Glück haben, können wir im September 2022 eröffnen – der Umbau findet ja bei laufendem Museumsbetrieb statt."

"Prinz Heinrich"-Wagen (1910)
Foto: Stockinger

Und damit schlendern wir noch eine letzte Runde allein durch den Fahr(t)raum, in aller gebotener Ehrfurcht. Was da alles an Schätzen versammelt ist. Lohner-Porsche Mixte mit Radnaben-Elektromotoren, 1901. Rüber zum "Kaiserwagen" (Austro-Daimler 14/28), dem greisen Kaiser und Autoskeptiker Franz Joseph geschenkt vom Österreichischen Automobil-Club. Weiter zum "Prinz Heinrich", ein Favorit auch von Ernst Piëch. 1910 von Porsche bei Austro-Daimler für den Einsatz bei der "Prinz Heinrich-Fahrt" in Deutschland entwickelter Sportwagen. Echter Siegertyp, ewiggültige Eleganz. "Alpenwagen", 1911, letzter Über lebender seiner Art. Austro-Daimler ADM-R. "Auch der ist einer meiner Lieblingsautos", hatte Ernst Piëch beim Rundgang verklärten Blicks betont, "1929, selber Jahrgang wie ich". Mit dem gewann Hans Stuck seine Bergrennen.

Links Porsche-Enkel und Museumsgründer Ernst Piech am Steuer des Lohner-Porsche Mixte von 1901, einem Hybridfahrzeug mit Radnaben-E-Motoren. Rechts Geschäftsführer Jakob Iglhauser.
Foto: fahr(T)raum

Und mit dem Austro-Daimler AD 35 HP Double Phaeton von 1914 "Louise-Wagen" aus dem Besitz von Ernst Piëchs Mutter – ein Geschenk Ferdinands an seine Tochter zu deren 16. Geburtstag (1920); den Führerschein hatte sie damals bereits seit zwei Jahren – beenden wir unsere fulminante kleine Zeitreise, winken noch einmal dem kleine Maxi zum Abschied und machen uns beglückt von dannen. (Andreas Stockinger, 13.10.2021)