Im Grunde geht es immer um das Gleiche: Energie aus der Umgebung einzufangen, sie zu speichern, zu verteilen, noch einmal zu speichern, vielleicht in ihrer Erscheinungsform abermals zu wandeln und dann in nutzbare Wärme, Kälte und/oder Bewegung umzusetzen. Strom wurde bisher überwiegend aus Kohle, Erdgas, Erdöl, Wasserkraft oder durch Atomspaltung gewonnen, nur wenig aus Sonne und Wind. Dieses eingespielte Team muss nun ausgetauscht werden, weil die fossilen Anteile unser gewohntes Klima kaputtmachen und damit gravierend die globalen Lebensumstände für alle Lebewesen verändern. Naturgemäß eine enorme Herausforderung ist der Wandel weg von der Nutzung fossiler Energieträger – weil diese auf kleinstem Raum bei zugleich geringem Gewicht große Mengen Energie enthalten und unter entsprechenden Rahmenbedingungen relativ sicher verarbeitet und transportiert werden können.

Getankter Wasserstoff wird beim Pkw im 700-Bar-Tank gespeichert, bei Nutzfahrzeugen hat man sich auf 350 Bar geeinigt. An den batterieelektrischen Weg glaubte Toyota lange nicht. Deshalb ging man, wie beim Hybridantrieb, als einsamer Pionier Richtung Wasserstoff und brachte das erste serienmäßige Brennstoffzellenauto. Der Mirai läuft nun schon in zweiter Generation. Diesem Auto fehlt eigentlich nur noch das Tankstellennetz.
Foto: Toyota

Kohlenstoff weglassen

Fossile Energieträger können unterschiedlichste chemische Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff sein. Jetzt gilt es, einfach gesagt, den Kohlenstoff wegzulassen, jedenfalls den aus fossilen Quellen. Wir wissen es ja: Dieser Kohlenstoff war ursprünglich auch pflanzlichen Ursprungs, er hat sich aber über Jahrmillionen auf der Erde gebildet. Verbrennt man ihn innerhalb weniger Jahrzehnte, reichert er sich in der Atmosphäre an und führt zu ihrer Überhitzung. Auch wenn Vulkanausbrüche und Meteoriteneinschläge in vergangenen Jahrtausenden zu ähnlichen Effekten geführt hatten, diesmal liegen Problem wie Lösung in Menschenhand. Kohlenstoff sollte in unserer Energiewirtschaft also höchstens in jenem Maße weiterhin verwendet werden, als er direkt nachwächst. Oder wenn er aus CO₂ zurückgewonnen werden kann.

So bleibt nur noch der Wasserstoff als kompakter Energieträger als direkter Nachfolger fossiler Treibstoffe. Genauso wie bei Kohlenwasserstoffen lässt sich auch die Energie des reinen Wasserstoffs durch Verbrennen in Wärme und Bewegung umsetzen. Es ist aber eine eigene Kunst, Wasserstoff herzustellen und seinen Energieinhalt sicher und preisgünstig zu nutzen. Darin übt sich nun die Menschheit – und ist noch ziemlich am Anfang damit.

Foto: Toyota

Einerseits hat man schon viel Erfahrung mit Wasserstoff. Er ist ein wichtiger Grundstoff für etliche Industriezweige und eines der am meisten weltweit gehandelten chemischen Produkte. Und es besteht keine Gefahr, dass er uns je ausgehen wird: Er ist mit 90 Prozent das häufigste Element im Universum. Wasserstoff fällt bei chemischen Prozessen an (40 Prozent), überwiegend als Nebenprodukt bei der Erdölverarbeitung), etwa 60 Prozent des global gehandelten Wasserstoffs werden eigens hergestellt, derzeit davon ca. 95 Prozent hauptsächlich durch Reformierung aus Erdgas und nur fünf Prozent aus Elektrolyse1). Der derzeit verfügbare Wasserstoff stammt so fast ausschließlich aus fossilen Quellen. Also muss hier schon der Hebel angesetzt werden.

Vereinfacht zusammengefasst: Nach der bisher üblichen chemischen Abspaltung des Wasserstoffs von Erdgas (CH₄) muss nun Wasser (H₂O) in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt werden. Das geschieht mittels Elektrolyse. Es gibt dafür verschiedene Verfahren, welches genau angewendet wird, hängt von Kosten und Wirkungsgrad ab. Hoher Wirkungsgrad ist wichtig wegen der Energiebilanz, geringe Kosten sind die Voraussetzung, dass ein Produkt überhaupt gekauft werden kann.

Wasserstoff-Lkw im Röntgenblick
Foto: FEV

Für die Elektrolyse benötigt man bekanntlich elektrischen Strom. Hier liegt das stärkste Argument für Wasserstoff. Er ist als Energieträger eine geradezu zwingend logische Ergänzung zum Strom: um elektrische Energie einzufangen, zu speichern und wenn nötig in Form komprimierten Gases oder flüssig zu lagern und transportieren. Wasserstoff hat bezogen auf das Gewicht etwa den dreifachen Energieinhalt von Benzin oder Erdgas, allerdings bei extremer Ausdehnung, also sehr geringer Dichte. Deshalb muss er stark komprimiert (auf 300 bis 700 Bar) oder gar verflüssigt werden. Letzteres tritt erst bei Abkühlen unter minus 250 Grad ein, also nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad). Komprimieren wie Tiefkühlen erfordern für sich schon große Mengen Energie, dabei gehen allein schon 15 bzw. 30 Prozent wieder verloren.)

Ideal und Wirklichkeit

Aber zuerst muss man Wasserstoff überhaupt herstellen. Als Idealvorstellung gilt, den zuweilen reichlich vorhandenen Überschussstrom von Wind- und Solarkraftwerken in Wasserstoff umzuwandeln, um damit die Energie des Stroms zu speichern. Klingt gut, ist aber zu simpel gedacht. Die Elektrolyse ist ein chemischer Prozess, der hohe Kontinuität verlangt. Die Wasserstoffproduktion kann folglich auch nicht einfach nach Belieben rauf- und runtergefahren werden.

Nächster kritischer wie auch verlockender Punkt für kühne Pläne: Die dichtest besiedelten Regionen, wo der höchste Bedarf an Energie besteht, zeichnen sich durch eher moderate Klimaverhältnisse aus, also wenig Sonne, wenig Wind. Die energetisch lukrativen Regionen Sahara (Sonne) und Patagonien (Wind) in Megakraftwerke zu verwandeln, um den dort gewonnenen Wasserstoff dann in alle Welt zu verschiffen, ist ein nahe liegender, aber sehr technokratischer Ansatz, der auch einer näheren politischen, sozialen und ökologischen Betrachtung bedarf.

Trotzdem spricht viel dafür, dass sich Wasserstoff als wichtiger Sekundärenergieträger etablieren wird. Aufgrund seiner extremen Eigenschaften ist er zwar nicht ganz einfach im Umgang, jährlich werden aber bereits 50 Millionen Tonnen Wasserstoff erzeugt1) und unterschiedlichsten Zwecken zugeführt. Das Handling damit ist also grundsätzlich längst erprobt. Man muss es allerdings auf den Verkehrssektor erweitern, was durchaus eine zusätzliche Herausforderung ist.

Audi betreibt in Werlte (Niedersachsen) eine Pilotanlage zur Herstellung von Methan aus Wasserstoff, mit dem Ziel,
seine Erdgasfahrzeuge klimaneutral zu betreiben. Lobenswerter Ansatz, der inzwischen durch die radikale Konzernentscheidung in Richtung Elektroantrieb ausgehebelt wurde.
Foto: Audi

Bevor wir uns den konkreten Fahrzeugen zuwenden, noch einen kleinen Seitensprung zu einer Spezialanwendung des Wasserstoffs. Mit Wasserstoff und CO₂ aus Industrieabgasen lässt sich Synthesegas herstellen. Daraus können wiederum flüssige Kraftstoffe gewonnen werden, die mit Benzin und Diesel praktisch identisch sind: E-Fuels – gewissermaßen eine Art Biosprit, ohne in ökologisch sensible landwirtschaftliche Abläufe einzugreifen. Damit ließe sich der derzeitige Fahrzeugbestand klimaneutral betreiben. Zusätzliche chemische Prozesse bedeuten aber auch zusätzliche Wirkungsgradverluste und Kosten. Dieser aufwendige Weg wird wohl Bereichen vorbehalten bleiben, wo die Verwendung von Wasserstoff pur nicht infrage kommt, etwa in der Luftfahrt.

Wasserstoff ist so ein mächtiges Schlagwort, dass er für viele zur einzigen Zielvorstellung nach Heizöl, Benzin und Diesel geworden ist. Viele halten ihn auch für talentiert genug, das batterieelektrische Auto bald abzulösen, dieses also gleich wieder zur Übergangstechnologie zu degradieren. Das liegt aber weniger in der Genialität des Wasserstoffs als Energieträger als vielmehr in der menschlichen Sucht nach simplen Antworten und einfachen Rezepten. Wasserstoff in seiner ökologisch sinnvollen Ausprägung ist ein Teil der Elektromobilität, jedenfalls dann, wenn er in der Brennstoffzelle wieder zu elektrischem Strom verwandelt wird und einen Elektromotor treibt.

Klarer Weg

Schon länger zeichnet sich ein klarer Weg ab: Die zunehmende Leistungsfähigkeit der Lithium-Akkus und aussichtsreiche Nachfolgetechnologien (Feststoffbatterie, Lithium-Luft) festigen den Einsatz des batterieelektrischen Antriebs von der Mikromobilität bis zum Pkw und darüber hinaus auch noch für viele Bereiche des Lastentransports. Das hat einen wichtigen Grund: Den geringsten Wirkungsradverlust erfährt man, wenn man elektrischen Strom direkt in einer Batterie speichert und an einen E-Motor weitergibt. Für die Mobilität ergibt die folgende Faustregel: Erst wenn es einen technischen Ausschließungsgrund für den batterieelektrischen Weg gibt, kommt der Wasserstoff ins Spiel. Dann ist noch immer die Frage, ob dieser eine Brennstoffzelle befeuert oder einen Verbrennungsmotor. Denn das CO₂-Problem kommt ja nicht vom Verbrenner, sondern vom bisher verwendeten fossilen Kraftstoff.

Wasserstoff erscheint in der Mobilität dann als Energieträger attraktiv, wenn eine möglichst große Energiedichte gefordert ist, etwa um große Lasten schnell und weit zu transportieren. Da versagt die Speicherung von Strom in Batterien. Gewicht und Platzbedarf eskalieren. So wird auch auf dem Nutzfahrzeugsektor intensiv geforscht. Hier hat die Brennstoffzelle die besten Karten, zumal ihr Wirkungsgrad in der Stromerzeugung bei 50 Prozent liegt1) und durch den E-Antrieb kaum mehr zusätzlich Energie verlorengeht. Schwächen zeigt sie allerdings im dynamischen Betrieb, also bei schnell wechselnden Belastungen. Bei hoher Belastung sinkt der Wirkungsgrad rapid, gleichzeitig wird die Wärme abfuhr zum Problem.

BMW hat sich sehr früh und sehr
lange mit Wasserstoffbetrieb im Pkw
befasst. Beide Elemente, Energiespeicher und Antriebsaggregat, haben sich nicht durchgesetzt. 2009 wurde der Versuch eingestellt. Trotzdem war nichts vergeblich: Sowohl der Verbrennungsmotor als auch der Tiefkühltank warten noch anderweitig auf Einsatz, der Tiefkühltank im Schiff, beides im Lkw.
Foto: BMW

Deshalb gibt es auch Anwendungsbereiche, wo der Verbrennungsmotor nach wie vor attraktiv erscheint – in Kombination mit Wasserstoff. Während die Brennstoffzelle nur Wasserdampf ausscheidet, bilden sich bei motorischer Verbrennung auch Stickoxide, die sich aber auf ein extrem niedriges Niveau drücken lassen, praktisch auf null. Der Verbrenner verwertet zwar nur 42 Prozent der Energie im Wasserstoff – günstigstenfalls.1) Er büßt aber bei ständig wechselnder Beanspruchung mit hohen Lastspitzen weder nennenswert an Leistungsfähigkeit noch Lebensdauer ein. Er ist wohl auch aufgrund seiner 150-jährigen Entwicklung insgesamt kompakter, robuster und billiger als die Brennstoffzelle. Für Spezialanwendungen in der Bau- und Landwirtschaft erscheint der Verbrennungsmotor mit Wasserstoffbetrieb auch nach dem Erdöl attraktiv.

Dass Wasserstoff im Handling nicht einfach ist, wurde schon erwähnt. So sind auch Lagerung und Aufbau einer Verteilungsinfrastruktur entsprechend schwierig und kostspielig – nicht zuletzt wegen der ausgeprägten Sicherheitsvorgaben. Der Knackpunkt ist die geringe volumetrische Energiedichte. Um mit Fahrzeugen die geforderten Reichweiten zu erzielen, muss er hoch verdichtet oder tief gekühlt werden, also verflüssigt. In die Thematik wurde in den vergangenen Jahrzehnten schon sehr viel Forschungsgeld gesteckt, auch Fördergeld. Immerhin ergaben sich daraus drei mögliche Arten der Lagerung: Verdichtung auf 350 Bar im Nutzfahrzeugbereich, wo ausreichend Platz für die Tanks ist (billigere Tanks, weniger Energieaufwand beim Verdichten). Das Gewicht des Wasserstoffs ist hingegen kein Problem, ein Kilogramm enthält fast dreimal so viel Energie wie ein fossiler Kraftstoff. Für Personenwagen gelten Drucktanks mit 700 Bar mittlerweile als Standard. Denn nur damit sind die Tanks für die geforderten Reichweiten von 400 Kilometern und mehr kompakt genug unterzubringen.

Zielführende Anwendungsfälle

Durch Tiefkühlung lässt sich Wasserstoff auf sein geringstes Volumen bringen. BMW praktizierte das beim Hydrogen 7 (bis 2009): In einem Zylinder mit 74 Liter Inhalt brachte man 9 kg Wasserstoff unter. Das Kühlen erfordert schon sehr viel Energie (30 Prozent). Und das auch noch mit möglichen Folgeverlusten: Indem Wärme in den Tank mit tiefkaltem Wasserstoff eindringt, erhöht sich dort der Druck. So muss Wasserstoff entweder gleich verbraucht oder in die Umgebung abgelassen werden. Nach einer Woche Stillstand wäre der Tank leer. Trotzdem gibt es für flüssigen Wasserstoff noch immer zielführende Anwendungsfälle: etwa den Transport über die Weltmeere. Das Schiff kann mit dem abgelassenen Wasserstoff betrieben werden. Auch im Nutzfahrzeugbereich und in der Luftfahrt mit langen Phasen Dauerbetrieb ist Flüssigwasserstoff noch nicht vom Tisch. (Rudolf Skarics, 11.10.2021)