Die Ära der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Mobilität hat 2004 begonnen. Damals fuhr, nach mehreren Jahren Vorbereitung und begleitet von viel medialem Tamtam, die A-Klasse von Mercedes mit diesem revolutionären Antriebssystem vor. Unterflur verbaut, da war die sperrige Technik unterzubringen, das war von Anfang an so geplant. Seitdem eilt die Wasserstoff-Brennstoffzelle (FC) von Erfolg zu Erfolg ... Halt, stopp, Paralleluniversum – in unserem, da verblieb das ambitionierte Vorhaben, um mit Georg Simmel zu sprechen, im Schattenreich der unerlösten Möglichkeiten.

Da waren allzu viele ungelöste Fragen. Thermische Probleme etwa. Hitze und Kälte bereiteten der Brennstoffzelle enorme Schwierigkeiten. Oder die Kosten. War die A-Klasse so schon sündteuer für einen Kleinwagen, mit Wasserstoff-Brennstoffzelle wäre sie schier unleistbar geworden. Die Revolution wurde abgesagt. In Fachkreisen zirkulierte dann die Häme, von dieser Technik höre man alle paar Jahre, in ein paar Jahren sei es so weit.

Bei BMW steckt man schon mitten in der Alltagserprobung für den X5 i Hydrogen Next, der nächstes Jahr in Kleinserie kommt.
Foto: BMW

Inzwischen ist Hohn unangebracht, die technischen Probleme sind im Griff, einzelne Hersteller und Zulieferer haben enorm viel Forschungs-, Entwicklungsarbeit und Kapital in die Sache gesteckt, die Probleme verlagern sich auf die Infrastruktur – und den Umstand, dass die batterieelektrische Mobilität nun die Nase vorn hat. Allein dem Schwerverkehr überlassen will man Wasserstoff-Brennstoffzelle aber auch wieder nicht, speziell die Japaner und Koreaner sind mit voll alltagstauglichen Serienfahrzeugen da, und auch einige europäische Hersteller tasten sich behutsam an die Sache heran, zumal der Riesenmarkt China ebenfalls und zusätzlich auf die Sache setzt. Blöd, wenn der Markt dort anspringt, und man ist nicht dabei.

Was haben wir also, derzeit, demnächst und vielleicht bald einmal. Beginnen wir mit Toyota. Als die Ende 1997 mit dem Prius das erste Großserien-Hybridfahrzeug lancierten, erklärten sie von Anfang an, dies sei als Brückentechnologie hin zur Wasserstoff-Brennstoffzelle gedacht. Und derweil der Hybridantrieb für Furore sorgte, ging es in den Entwicklungslabors rund. 2014 war es so weit, mit dem Mirai fuhr das erste in größerer Stückzahl gefertigte Serienauto vor, bis 2020 wurden 10.000 Fahrzeuge abgesetzt. Inzwischen ist bereits die zweite Generation da, und mit der wären die Weichen tatsächlich auf Großserie gestellt, 30.000 Stück pro Jahr sind angepeilt. Die Fortschritte von einer Generation auf die nächste werden auch bei den technischen Rahmendaten deutlich: Statt 114 kW leistet der Elektromotor nunmehr 134, statt zwei sind drei 700-Bar-Tanks an Bord, und obwohl größeres Auto, 4,98 m lang, kommt der Mirai statt bisher 500 Kilometer 650 km weit. Fährt sich? Flott und völlig problemlos. Kostet ab 60.920 Euro. Und um der Konkurrenz die Technologie schmackhaft zu machen, gab Toyota übrigens sogar zahlreiche Patente frei.

Hyundai ist neben Toyota jener
Automobilhersteller, der sich am nachdrücklichsten mit der Wasserstoff-Brennstoffzelle befasst.
Mit dem 120 kW starken Nexo
treiben die Koreaner das Thema
erstmals in die Breite, der knapp 4,70 m lange SUV ist auch in Österreich erhältlich und kostet 78.000 Euro, die Reichweite ist apokalyptisch: 666 Kilometer. Hauptnachteil, wie derzeit noch generell: geringe Tankstellendichte.
Foto: Hyundai

Die wollte Honda nicht, die technologiefixierten japanischen Konkurrenten machen schon immer gern ihr eigenes Ding, das jüngste mit Wasserstoff-Brennstoffzelle, seit 2016, heißt Clarity FC. 4,90 m lang, 130 kW stark, 650 km Reichweite (noch nach NEFZ). Problem allerdings: Mangels Nachfrage stellt Honda heuer die Produktion ein. Immerhin, wenn der Markt es verlangt, könnten sie jederzeit wieder loslegen.

Expertise selbst erarbeiten

Auf selbst erarbeitete Expertise setzt auch der Hyundai-Kia-Konzern. Ohne viel Brimborium haben die 2018 mit dem Nexo ihr zweites FC-Vehikel lanciert, einen 4,67 m langen SUV mit 163 PS und 666 km Reichweite (ab 78.000 Euro). Insgesamt will Hyundai um 2025 jährlich rund 110.000 Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos absetzen (und 560.000 batterieelektrische), und längst breiten die Koreaner das Thema auch auf die derzeit mehr versprechende Nutzfahrzeugsebene aus. Kia winkt für sich aber ab.

Was wurde inzwischen aus Daimler? Als Pionier und gebranntes Kind verlauteten sie angesichts der Fernost-Offensive, man lasse gerne anderen einmal den Vortritt. Ende 2018 ging es allerdings an die Verteilung einer Kleinserie vom GLC F-Cell (155 kW, 478 km Reichweite, Akku: 51 km Reichweite), der ebenso naheliegender- wie interessanterweise Wasserstoff-Brennstoffzelle und Plug-in-Hybrid kombiniert – kombinierte, muss es heißen, nach zwei Jahren wurde die Produktion eingestellt. Es sollte wohl nur rasch um das Absetzen einer Duftmarke gehen: Hallo, wir sind noch da, sind dran am Thema, können auch im Pkw-Bereich jederzeit loslegen.

Mercedes, einst Pionier bei Wasserstoff-Brennstoffzelle, ging zwischendurch ein paar Jahre in Warteposition und ließ anderen den Vortritt. Jüngst, Ende 2018, zeigte man aber mit dem GLC F-Cell auf, der zusätzlich noch Plug-in-Hybrid ins System integriert hat. Denn: Nach zwei Jahren lief die Produktion schon wieder aus.
Foto: Daimler

Das tut Mercedes’ deutscher Premium-Lieblingsgegner nächstes Jahr, mit dem X5 i Hydrogen Next in Kleinserie. Mit Wasserstoff haben die Weißblauen lange Erfahrung, bis 2010 befeuerten sie einen 7er mit dem flüchtigen Sprit. Mit sagenhaften Wirkungsgradverlusten. Nun also erstmals kombiniert mit Brennstoffzelle, das Know-how hat man sich in Kooperation mit Toyota und in weiten Bereichen auch selbst erarbeitet (siehe auch Interview mit BMW-Wasserstoff-Chef Jürgen Guldner), und es wäre nicht BMW, wenn die nicht was mit ordentlich Schmackes, wie man bei denen sagt, hinstellen würden.

Leistungsorientiert

Prinzipiell fährt dieser X5 mit 125 kW, dank zusätzlicher Leistungspufferbatterie – Projektleiter Guldner: "um ordentlich Beschleunigungsdynamik zu haben, aber auch möglichst viel Energie rückgewinnen zu können" – erbringt das Antriebssystem aber in der Spitze 275 kW. Konkrete Reichweitenangaben liegen noch nicht vor, aber da die beiden 700-bar-Tanks sechs Kilogramm Wasserstoff fassen und die drei im Mirai 5,6, wird man grob geschätzt wohl auf irgendwas zwischen 650 und 700 km kommen. Hohe Leistung, hoher Kühlaufwand? Guldner: "Ja, wir haben einen erhöhten Kühlaufwand, aber der überschreitet in Summe nicht den von unseren großen Verbrennungsmotoren."

Eher vage im Vergleich dazu die Pläne für Wasserstoff-Brennstoffzelle im VW-Konzern. Zwar fungiert Audi als Kompetenzträger, h-tron lautet das zugehörige Kürzel, die Ingolstädter glauben aber selbst nicht recht an eine Zukunft, jedenfalls nicht vor 2030.

Und die Perspektive bei den anderen Konzernen? Eben erst hat Stellantis, der Zusammenschluss von PSA (Peugeot, Citroën, Opel und DS) und Fiat-Chrysler, eine ambitionierte, 30 Milliarden Euro schwere Elektrifizierungs-Roadmap vorgestellt. Der zufolge will man, ganz ähnlich wie Renault (Kangoo Z.E. Hydrogen, Master Z.E. Hydrogen; aus einem Joint Venture namens Hyvia sollen bis Jahresende drei FC-Neuzugänge auf Basis Renault Master kommen), kleine Nutzfahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen anbieten. Mal sehen, ob Opel dafür weiter als Kompetenzzentrum fungieren wird – die Deutschen haben ja in der GM-Ära 20 Jahre Erfahrung mit dem Thema sammeln können. Stellantis Rüsselsheim jedenfalls ist als Kompetenzstandort bestätigt.

GM selbst winkt inzwischen ab, Ford ebenfalls. Man darf trotzdem gespannt sein, wie es weitergeht mit Wasserstoff-Brennstoffzelle. Wer weiß, ob nicht die zupackenden Chinesen bei dem Thema dem Rest der Welt in zehn Jahren um die Ohren fahren werden. (Andreas Stockinger, 15.10.2021)