Bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zogen teils Kleinfamilien neben Rechtsextremen und Verschwörungsideologen durch deutsche und österreichische Städte.

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Spenden, eine Armbrust zur Vorbereitung auf die vermeintliche Apokalypse – oder doch lieber Nahrungsergänzungsmittel um 22,95 Euro? Rechte Verschwörungserzähler wie Attila Hildmann und Nikolai Nerling bewerben auf Websites oder in Telegram-Kanälen ihre Onlineshops oft Hand in Hand mit Hassrede und Fake-News über die Corona-Pandemie. Rechtsextreme und -radikale Organisationen wie das Compact-Magazin, die NPD und Pegida rufen unterdessen zu Spenden auf.

Die Zahlung wird oft über Dienstleister wie Visa, Mastercard, Paypal und Klarna abgewickelt – obwohl diese teils über explizite Richtlinien verfügen, die die Verbreitung von Hass und Gewalt untersagen, wie das Institute for Strategic Dialogue (ISD) in einer Studie herausfand.

Im Vorfeld der deutschen Bundestagswahl waren entsprechende Gruppierungen an der Verbreitung des Narrativs einer gefälschten Wahl und von persönlichen Angriffen auf die Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten beteiligt. Laut dem deutschen "Verfassungsschutzbericht 2020" stammen außerdem 53 Prozent aller politisch motivierten Straftaten aus dem rechtsextremen Spektrum.

Die ISD-Recherchen konzentrierten sich deshalb auf "17 mutmaßlich rechtsextremistische Gruppen und Rechtspersonen in Deutschland". Darunter befinden sich "politische Parteien, Nachrichtenseiten, Verlage, Verbände und Organisationen sowie prominente Personen deutschsprachiger rechtsextremistischer Bewegungen". Auswahlkriterium für die Beobachtung war neben einer großen Reichweite auch, dass die Gruppen und Rechtsträger derzeit vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet werden, mit unter Beobachtung stehenden Gruppen verbunden sind oder unter dringendem Tatverdacht der Volksverhetzung stehen.

Mangelnde Durchsetzung

Neben dem eingangs erwähnten – und behördlich gesuchten – Attila Hildmann finden sich in der Analyse deshalb die rechtsradikalen Influencer Frank Krämer und Sven Liebich wieder. Aber auch Organisationen wie die Neonazipartei Der III. Weg, die neurechte Bewegung Ein Prozent und die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung Deutschland (IBD).

Insgesamt 20 Bezahldienste nutzen die analysierten Akteure zur Beschaffung von Geldern, von denen zwölf die Nutzung ihrer Plattformen zur Verbreitung von Hass und Gewalt explizit untersagen.

Einer davon ist das schwedische Unternehmen Klarna, in Österreich auch bekannt als Sofortüberweisung. Dessen Services nutzen unter anderem die rechtsextreme Kampfsportveranstaltung Kampf der Nibelungen und Nikolai Nerling. Aber auch Hildmann wickelte vor der Übernahme seiner Website durch die Hackergruppe Anonymous Zahlungen über Klarna ab.

In einem Statement gegenüber dem STANDARD teilte das Unternehmen mit, eine Überprüfung der Kundendatenbank einzuleiten und Händler im Falle eines Regelbruchs zu kündigen. Außerdem wolle man sicherstellen, dass keine im Verfassungsschutzbericht genannten Gruppen, Parteien und Personen Klarna weiterhin als Zahlungsoption anbieten. Im Falle einer Umsetzung würde das nicht nur eine Sperre der oben genannten Akteure, sondern auch ein Ausschluss der rechtsextremen Partei NPD und der als Verdachtsfall gelisteten Jungen Alternative Deutschland, also der Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD), bedeuten.

Fragwürdige Gemeinnützigkeit

Am weitesten verbreitet sind aber nach wie vor klassische Banküberweisungen. Vermutlich 15 der 17 analysierten Akteure nutzen diese zur Finanzierung, einige Gruppen rufen laut dem ISD außerdem zu Spenden auf, ohne einen Gemeinnützigkeitsstatus zu haben – wodurch diese legal zu Schenkungen werden. Andere gelten wiederum trotz einer Aufführung im Verfassungsschutzbericht als gemeinnützig.

Häufig werden Spenden über die Onlinebank Paypal gesammelt. Auf Anfrage teilte das Unternehmen mit, fragwürdige Kontoaktivitäten fortlaufend zu prüfen. Als lizenziertes Kreditunternehmen unterliege man allerdings dem Bankgeheimnis und könne keine weiteren Informationen teilen. In den Nutzungsrichtlinien wird die Förderung von Hass, Gewalt und Intoleranz allerdings als verboten aufgelistet.

Handlungsempfehlungen

Das Problem liegt für das ISD in einer Diskrepanz zwischen klar formulierten Regeln und der Umsetzung ebendieser. Für entschiedene Sofortmaßnahmen brauche es laut den Forschern leicht zugängliche Meldemechanismen für die Öffentlichkeit, aber auch eine "Analyse und Risikoeinschätzung bezüglich der möglichen Nutzung ihrer Produkte durch Hassgruppen".

Die Nutzungsbedingungen, so der Vorschlag, sollten nicht nur für eine stärkere Eindämmung von Missbrauch durch Hassgruppen aktualisiert, sondern branchenweit abgestimmt werden. Stellt ein bestimmter Dienst derzeit seine Dienstleistungen ein, haben betroffene Gruppen oder Personen weiterhin zahlreiche Alternativen. Eine Möglichkeit wäre also die unternehmensübergreifende Einführung einer Art "Untergrenze". Außerdem wird empfohlen, eine Risikobewertung und Hintergrundprüfung von Kunden durchzuführen, bevor ihnen Services verfügbar gemacht werden, um eine potenzielle Gefahr oder die Finanzierung rechtswidriger Aktivitäten zu erkennen.

Denn die schon jahrelange Mobilisierung durch Verschwörungsideologen und rechte Akteure hat seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie schlussendlich ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Nicht zuletzt mündete das in der versuchten Stürmung des deutschen Reichstags im August 2020 und dem Mord an einem Tankwart, der einen Kunden auf die Maskenpflicht hinwies. Laut dem ISD brauche es deshalb ein ganzheitlicheres "Konzept zur Disruption des rechtsextremen Online-Ökosystems". Vor allem müsse deren Finanzierung aber Teil der anstehenden Koalitionsgespräche sein. (Mickey Manakas, 28.9.2021)