Bis Weihnachten soll es in Deutschland eine neue Regierung geben. Das ist der Wunsch des SPD-Wahlsiegers Olaf Scholz. Er hat allerdings nicht dazugesagt, ob er den 24. Dezember dieses Jahres meint. Damit könnte er schon einmal eine unfreiwillige Vorschau darauf gegeben haben, was dem Land bevorsteht.

Es wird wohl schwierig, einen Nachfolger für Langzeitkanzlerin Angela Merkel zu finden, denn die Wählerinnen und Wähler haben zwar gesprochen, sich aber sehr kompliziert ausgedrückt.

Knapp, aber doch haben sie Scholz und seine SPD zu Wahlsiegern gemacht, und so will Scholz selbstverständlich sein Comeback und die Aufholjagd der Sozialdemokraten mit einem Triumphmarsch ins Kanzleramt krönen. Die linke, also die rot-rot-grüne und ohnehin unwahrscheinliche Option, kam ihm abhanden. Also bleibt die Ampel.

SPD-Wahlsiegers Olaf Scholz will die Aufholjagd der Sozialdemokraten mit einem Triumphmarsch ins Kanzleramt krönen.
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Das klingt einfach, ist es aber nicht. Zwar sind die Grünen bereit. Doch FDP-Chef Christian Lindner hat im Wahlkampf mehrmals geklagt, ihm fehle die Fantasie für ein solches Bündnis. Schließlich wollen SPD und Grüne die Steuern für Reiche erhöhen – ein Graus für Lindner und die Seinen.

Doch FDP und Grüne müssen sich ja nicht sofort Scholz an den Hals werfen. Armin Laschet ist auch noch da – schwer gerupft, aber wild entschlossen zu kämpfen. Denn er weiß: Sein politisches Überleben ist an Merkels Erbe geknüpft. Gelingt es ihm nicht, das Kanzleramt zu halten, kann er als CDU-Chef in Frühpension gehen.

Mit der FDP kann Laschet gut, doch die von ihm ins Auge gefasste Jamaika-Regierungs-WG hat ein paar Haken. Es wäre recht voll dort, denn eigentlich handelt es sich um vier beteiligte Parteien: CDU, CSU, Grüne und FDP.

Verpatztes Projekt

Die CSU ist so sauer über das ganze verpatzte Projekt "Kanzlerkandidatur", dass man sich lebhaft vorstellen kann, wofür sie sich in den kommenden Jahren starkmachen wird: zuerst für Bayern und dann noch einmal für Bayern.

Außerdem würden FDP und Grüne sich mit dem Wahlverlierer Laschet verbünden, dessen Rückhalt in der Union noch mehr geschwunden ist. Um dies als "Zukunftsprojekt" auszugeben, bräuchte es schon eine gute Marketingagentur.

Man kann im Moment also festhalten: Die Ampel blinkt heller als Jamaika – doch das muss auf lange Sicht noch gar nichts heißen. Macht bedeutet ja letztendlich Mathematik und ein paar unwiderstehliche Angebote dazu.

Jetzt müssen die Beteiligten erst ausloten, was geht und was nicht. Da haben Grünen-Chef Robert Habeck und Christian Lindner gut vorgelegt. Nicht sie warten, wer sich für sie interessiert, sondern die beiden "Kleinen" nehmen die Sache in die Hand. Wenn sie sich einig werden, wenden sie sich an Union oder SPD. So geht Kanzlermachen.

Ein Druckmittel, das über allen schwebt, ist ein ähnliches wie 2017 – der Rückfall in die ungeliebte große Koalition, die diesmal aber eine andere, umgekehrte wäre: Die SPD führt, die Union darf bloß den Kellner geben.

Auf jeden Fall ist Deutschland zu wünschen, dass sich die Verhandlungen nicht wieder über fast sechs Monate hinziehen wie im Jahr 2017. Angela Merkel wird nur noch kommissarisch im Amt sein. Es darf kein zu großes Vakuum entstehen, Deutschland braucht stabile Verhältnisse – am besten bis zum Weihnachtsfest des Jahres 2021. (Birgit Baumann, 27.9.2021)