Elke Kahr führt die Grazer KPÖ nach Jahrzehnten der Sozialpolitik an die Spitze.

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Grob gestrickter Pulli, die Lesebrille auf den Kopf gesteckt: Sie hätte gerade auch direkt aus einem Beratungsgespräch kommen können, um kurz ein paar Fragen zu beantworten. Doch Elke Kahr stand wieder einmal im Wahlstudio des ORF im Grazer Rathaus. Wieder musste sie den Erfolg ihrer Partei erklären, der außerhalb von Graz seit über 20 Jahren verlässlich für eine "Überraschung" sorgt.

Aber diesmal war sogar die 59-Jährige selbst ein bisschen sprachlos. Da sie die Hochrechnungen nicht mehr sehen konnte, erfuhr sie erst direkt vor ihrem Auftritt davon, dass sie aus der Grazer Gemeinderatswahl diesmal als Siegerin hervorgegangen war. Mit fast 29 Prozent warf Kahr den langjährigen ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl aus dem Amt.

Es sei nicht um den Wahlkampf, sondern um die Jahre davor gegangen, erklärte Kahr den Erfolg ihrer Partei, den die Spitzenkandidatin nie sich alleine auf die rote Fahne heften würde.

Arbeiterkind

Kahr wurde als Kleinkind von einem Schlosser und einer Hausfrau adoptiert und wuchs in einem Arbeiterviertel von Graz auf. Nach der HAK-Abendmatura arbeitete sie kurz bei einer Bank und wurde 1985 Mitglied der KPÖ, für die Ernest Kaltenegger im Gemeinderat saß. Kahr lernte hier ihren Lebensmenschen, den Vater ihres Sohnes, Franz Parteder, kennen, der lange Zeit das Mastermind der steirischen KPÖ war. 1993 zog Kahr in den Gemeinderat ein, 2005 übernahm sie als Stadträtin das Wohnungsreferat.

Lange Zeit war das Thema Wohnen das Erfolgsgeheimnis der KPÖ. Das jetzt aber immer noch als Hauptgrund anzunehmen greift zu kurz. Kahr wurde von Nagl übel mitgespielt, als sie vor fünf Jahren Zweite wurde, Nagl aber den FPÖ-Chef Mario Eustacchio zum Vizebürgermeister machte und ihm auch noch das Wohnungsressort übergab, während Kahr das schwierige Verkehrsressort bekam. Das sollte die KPÖ endgültig dezimieren.

Die Rechnung ging nicht auf. Kahr betrieb neben der Tätigkeit als Verkehrsstadträtin weiter Miet- und Sozialberatungen. KPÖ-Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer gewann inzwischen ebenfalls das Vertrauen der Wählerschaft. Stets blieb die Partei, deren Mandatare auf Gehalt verzichten, das sie in einen Sozialfonds einzahlen, dabei skandalfrei. Wenn Mitbewerber im Endspurt des Wahlkampfs vor einer KPÖ-Diktatur warnten, blieben sie freundlich und ruhig. Ihre Gelassenheit wird Kahr für die Regierungsverhandlungen brauchen. (Colette M. Schmidt, 27.9.2021)