Rapperin Cardi B sitzt mit Babybauch auf einem phallusförmigen Thron, hinter ihr sind unübersehbar zwei stilisierte Frauenhintern platziert. Im Video Rumors von Lizzo und Cardi B sind die weiblichen Kurven Teil des Szenenbilds. Vorlage für die digital animierten Pos im Hintergrund waren "Sophia" und "Hermine", Vasenmodelle der österreichischen Künstlerin Andrea Kollar. Durch einen Zufall sind sie im Video der Body-Positivity-Ikone Lizzo gelandet: der Po von "Sophia" ähnelt dem von Cardi B und der von "Hermine" dem von Lizzo.

Andrea Kollar ist mit ihren Körpervasen aber schon länger erfolgreich. "Sophia", "Hermine" und "Matilde" werden in Wien gefertigt, sie stehen heute in den Häusern von Sammlerinnen und Sammlern in Los Angeles, New York und Hongkong. Auffällig an den Objekten: Nur kleine Erhebungen markieren die Brüste, im Fokus steht der gerundete Po. "Lange wurden Frauen von männlichen Künstlern dargestellt, Frauen sehen den weiblichen Körper anders", sagt Kollar.

Omnipräsenz

Mit Instagram hat die Body-Positivity-Bewegung auch eine Verkaufsplattform für die Darstellung weiblicher Rundungen gefunden. Andrea Kollar hat dort mehr als 70.000 Follower, allein im vergangenen Jahr hat sie rund 1300 Vasen und Skulpturen in alle Welt verschickt. 80 Prozent ihrer Kundschaft sind weiblich.

Ähnlich erging es der Designerin Anissa Kermiche. Ihre "Butt Vase" wurde von Influencerinnen wie Leandra Medine über Instagram begehrenswert gemacht. Die Omnipräsenz des weiblichen Hinterns kommt nicht von ungefähr. Das streichholzdünne Körperideal der vergangenen Jahrzehnte wurde mit dem Siegeszug der Social-Media-Kanäle infrage gestellt.

Prall und rund wie ein Pfirsich-Emoji soll die weibliche Kehrseite sein. Dafür wird sich sogar unters Messer gelegt. Warum wurde der "Brazilian Butt Lift" zu einer weit verbreiteten Schönheits-Op?
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Während Frauen vor zehn Jahren eine Oberschenkellücke, die sogenannte "Thigh-Gap", erreichen wollten, dreht sich nun alles um die Kehrseite. Der Po soll so prall und rund wie ein Pfirsich-Emoji sein. Dass es so weit kam, ist eine längere Geschichte. Sieben Jahre ist es her, dass Kim Kardashian mit ihrem Po das Internet sprengen wollte. Der Reality-Star jonglierte auf dem Titel des Paper-Magazins auf ihrem Hintern ein Champagnerglas.

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Obsessive Inszenierung

Doch das war erst der Anfang. Heute wird kaum eine Silhouette in den sozialen Netzwerken so obsessiv inszeniert wie die Sanduhrfigur – und mit ihr der runde Po. Eine der präsentesten Posen im Netz ist das #Belfie, das "Butt-Selfie". "Mit dem Rücken zum Spiegel stellen, über die Schulter schauen, Auslöser drücken": Im Netz gibt es unzählige Anleitungen für das perfekte "Po-Selfie". Protagonistinnen dieser Umorientierung: Kim Kardahian, Nicki Minaj oder J.Lo.

Deren Selbstbespiegelungen blieben nicht folgenlos. Laut der internationalen Gesellschaft für plastische Chirurgie haben die Eingriffe am Allerwertesten zwischen 2015 und 2019 um 65,9 Prozent zugenommen. Erledigte Ende des 19. Jahrhunderts die Tournüre, ein Formkissen über dem Po, das Aufpolstern, wird sich nun unters Messer gelegt.

Operative Po-Vergrößerung

Eine der populärsten Operationen: der "Brazilian Butt-Lift", kurz BBL, die Po-Vergrößerung mit Eigenfett oder Implantaten. Als ihr Erfinder gilt der brasilianische plastische Chirurg Ivo Pitanguy. Die Operationsmethode, um den Hintern praller erscheinen zu lassen, eroberte die USA und Europa. Weiße Frauen begehren, was lange als Prototyp eines schwarzen Schönheitsideals galt.

Doch das sei eine fragwürdige Erzählung, schrieb zuletzt die amerikanische Journalistin Crystal Martin auf der US-Website The Cut. Der "Brazilian Butt-Lift" sei "ein "Frankenstein’sches Monster, erschaffen von Popkultur, Social Media, und der Schönheitsindustrie", und setze schwarze Frauen ebenfalls unter Druck.

"Eine deutliche Steigerung der Nachfrage" nach dem Brazilian Butt-Lift bestätigt Shirin Milani-Helletzgruber, Fachärztin für Plastische Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie in Wien: Das Gros der Interessierten sei zwischen 20 und 45 Jahre alt. Mitverantwortlich macht die Ärztin Vorbilder wie Lopez oder Kardashian, ausgerechnet. Letztere streitet bis heute ab, ihren Po künstlich vergrößern lassen zu haben.

Beim BBL handelt es sich um den risikoreichsten Eingriff in der ästhetischen Chirurgie. Immer wieder gebe es Probleme mit den Implantaten, auch "das Einspritzen großer Fettmengen ist oft nicht komplikationslos", sagt Milani-Helletzgruber.

3000 Menschen sollen laut der internationalen Gesellschaft für plastische Chirurgie weltweit an dem Eingriff beziehungsweise den Folgen gestorben sein. Entsprechend zurückhaltend behandelt die Ärztin die Anfragen. Das hält allerdings viele Frauen nicht davon ab, auf der Videoplattform Tiktok Bilder von sich zu zeigen – Hashtag #bblbeforeandafter. (Anne Feldkamp, RONDO exklusiv, 3.10.2021)