Die Dokumentation "Britney vs. Spears" erzählt die Geschichte des Streits um die Vormundschaft der Popsängerin Britney Spears.

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Im Streit um die Vormundschaft zwischen der US-Popsängerin Britney Spears und ihrem Vater Jamie legt Netflix jetzt eine mit Spannung erwarteten Dokumentation nach. "Britney vs. Spears" ist seit Dienstag abrufbar und erhebt neue Vorwürfe. Schuldig gemacht am Drama um die Entmündigung des Popstars haben sich laut dem Film ganz viele: der Vater, der Ex-Ehemann, Anwälte, Mitläufer und nicht zuletzt eine völlig entfesselte Medienmeute, die rücksichtslos Jagd machte auf einen Star in einem ausbeuterischen Entertainmentsystem. Spears kämpft derzeit in einem vielbeachteten Rechtsstreit gegen die Vormundschaft ihres Vaters.

Die Dokumentation blickt hinter die Kulissen des Popgeschäfts, erlaubt aber auch Einblicke in die Arbeit der Regisseurin Erin Lee Carr und der Journalistin Jenny Eliscu, die vor zwei Jahren mit ihrer Recherche begannen und rasch auf Gerüchte und Verschwörungen zu einer "Geschichte von Macht und Kontrolle" stießen. Die Arbeit gestaltete sich zunächst schwierig: "Keiner wollte reden", sagt Carr. Das sollte sich ändern.

Netflix

Brutales Medieninteresse

Carr und Eliscu erzählen die Story ab 2007 und lassen von Anfang an keinen Zweifel, für wen sie Partei ergreifen. Zumindest fragwürdig erscheint, dass in der Dokumentation ausgerechnet jenes Paparazzi-Material ausgiebig zur Verwendung kommt, das von Carr doch so kritisiert wird. Dieses ist aber in jedem Fall irritierend und könnte für weitere Diskussionen sorgen: Wo immer Spears öffentlich auftrat, war sie mit brutalem Medieninteresse konfrontiert, das der Star selbst zumindest in den gezeigten Szenen merkwürdig gelassen über sich ergehen ließ.

Vorwürfe erheben die Dokumentaristinnen vor allem gegenüber dem Verfahren zur Entmündigung von Spears: Wieso konnte es gelingen, diese innerhalb von weniger als fünf Tagen durchzupeitschen? In dieser Frist hätte Spears Einspruch erheben können. Etliche weitere Ungereimtheiten bleiben aber. So wird die Popsängerin auch in der Phase des Rechtsstreits als weitgehend kontrolliert und selbstbestimmt dargestellt. Eingeräumt wird aber auch, dass Spears selbst einer Vormundschaft zugestimmt habe, sich jedoch eine unabhängige Person und nicht den eigenen Vater vorgestellt hatte. Mit den Bildern der kontrolliert wirkenden Vielarbeiterin lässt sich das nicht erklären.

Viele Zeugen

Im Film kommen unzählige Eingeweihte zu Wort, so etwa Mark Vincent Kaplan, Scheidungsanwalt von Ex-Ehemann Kevin Federline, diverse Lebensabschnittsmenschen wie ihr ehemaliger Manager Sam Lutfi oder Felicia Culotta, Spears' frühere Assistentin und enge Vertraute. Der Star selbst spricht nicht, ein Umstand, den die Macherin Carr bereits öffentlich bedauerte: "Ich habe immer gehofft und geträumt, mir etwas gewünscht und zu den Doku-Göttern gebetet", sagte sie der "Los Angeles Times". "Ich habe immer wieder versucht, sie zu kontaktieren. Aber ich musste mich damit abfinden, dass es unwahrscheinlich war, dass es jemals passieren würde", sagte sie.

Nichtsdestotrotz ist die Doku voll von berührenden Szenen, nicht zuletzt aufgrund eines Mitschnitts von Spears' Aussage bei der ersten Anhörung vor Gericht im Juni: "Ich bin wahnsinnig wütend und deprimiert. Ich weine jeden Tag." Und: "Mein Vater und alle an dieser Vormundschaft Beteiligten sollten im Knast sitzen." In der Öffentlichkeit habe sie bisher nie darüber gesprochen: "Was ich durchmache, ist peinlich und demoralisierend. Das ist der Hauptgrund, warum ich das nie offen aussprach." Und sie dachte "ehrlich, keiner würde mir glauben". Am 30. Juni lehnte das Gericht Britney Spears' Antrag auf Beendigung der Vormundschaft durch Jamie Spears ab.

An die Öffentlichkeit gelangte der Fall nach einer Dokumentation der "New York Times". Ein weiterer Film des US-Mediums wurde erst diese Woche veröffentlicht und zeigt, wie Spears unter der Vormundschaft ihres Vaters jahrelang massiv überwacht worden sein soll. Am 7. September beantragte Jamie Spears die Aufhebung der Vormundschaft. Am Mittwoch ist die nächste Anhörung in dem Verfahren angesetzt. (Doris Priesching, 28.9.2021)