Was kann sich Österreich zur Steuerentlastung oder in Sachen Klimainvestitionen leisten?

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Hat der Staat nach der Corona-Pandemie noch finanzielle Spielräume, etwa für Klimainvestitionen oder Steuersenkungen? Das ist aktuell vielleicht die wichtigste wirtschaftspolitische Frage. Immerhin plant ja die türkis-grüne Regierung eine Steuerentlastung, am 13. Oktober will sie Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) präsentieren. Zugleich ist klar, dass beim Klimaschutz etwas getan werden muss. Österreichs CO2-Ausstoß wird nach einem Rückgang in der Pandemie heuer wieder steigen. Sollen die Zusagen der Republik nicht leere Versprechungen sein, etwa im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens, muss also etwas geschehen.

Der Fiskalrat, dem 15 Experten angehören und der die Aufgabe hat, über die Budgetsituation des Staates zu wachen, hat nun einen umfassenden Bericht dazu vorgestellt, was sich die Republik in den kommenden Jahrzehnten leisten können wird und was nicht. Bis 2070 reichen die Projektionen.

Spielraum enden wollend

Während der Zeitraum sehr lange ist und Prognosen daher mit Vorsicht zu genießen sind, wird über den Bericht eines klar: Trotz der Corona-Pandemie hat der Staat einen finanziellen Spielraum für zusätzliche Ausgaben, und zwar sogar dann, wenn die Schulden nicht weiter ansteigen sollen. Aber: Dieser Spielraum ist endend wollend. Wenn jetzt das Geld ausgegeben wird für Steuersenkungen, dann ist der Spielraum weg. Investitionen in Klimaschutz, in Bildung oder Digitalisierung müssten dann über neue Schulden gemacht werden – oder könnten gar nicht stattfinden.

Neu an dem Bericht ist, dass erstmals auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit einbezogen werden. Durch höhere Ausgaben und weggebrochene Einnahmen ist Österreichs Staatsschuld spektakulär gestiegen: Die Staatsschuldenquote hat um 13,4 Prozentpunkte auf 83,9 Prozent der Wirtschaftsleistung zugenommen. Allerdings laufen die meisten der Corona-Hilfen 2021 aus, zumindest wenn es keine bösen Überraschungen gibt.

Diese Prognose ist freilich mit groben Unsicherheit behaftet, der Wintertourismus könnte ja schlecht laufen bei hohen Infektionszahlen, sogar wenn Hotels nicht zusperren müssen. Unter der optimistischen Annahme, dass nicht wieder große Hilfspakete aufgelegt werden müssen, geht die Neuverschuldung Österreichs schon im kommenden Jahr stark zurück. Die Republik profitiert aber noch von einem anderen Effekt: Die Zinsen sind dank der Politik der Europäischen Zentralbank extrem niedrig. "Das Niedrigzinsumfeld führt zu einem weiteren deutlichen Rückgang der Zinsausgaben auf 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in den 2030er- und 2040er-Jahren", heißt es in dem Bericht.

Die Folgen der niedrigen Zinsen

Der Durchschnittszins auf die Staatsschuld wird bis Mitte der 2030er-Jahre deutlich unterhalb der Wachstumsrate der Wirtschaft liegen. Das hat wichtige Folgen. Um zu messen und zu beurteilen, wie sehr ein Land verschuldet ist, wird immer die Schuldenquote berechnet: Dabei werden die Schulden in Relation zur Wirtschaftsleistung gesetzt. Wenn nun die Zinsausgaben unter der Wachstumsrate liegen, heißt das, Österreich Schuldenquote wird automatisch zu sinken beginnen. Wenn die gestiegene Schuldenlast langsam auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt werden soll, ergibt sich dennoch ein freier Spielraum, heißt es im Bericht des Fiskalrates. Diesen kann der Staat nutzen, um Geld auszugeben, wofür auch immer.

Der Spielraum beläuft sich auf etwa zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind rund acht Milliarden Euro. Aber: Über die kommenden 20 Jahre ist der Spielraum vorhanden, spätestens 2040 ist er weg. Aber dann kehrt sich die Entwicklung um, die Ausgaben steigen also immer mehr, und die Schulden werden zulegen. Das liegt am demografischen Wandel, also an höheren Ausgaben für Pensionen, für Pflege und Gesundheit.

Ein Beispiel: Auf Basis von Berechnungen des Wifo-Instituts geht man davon aus, dass die Pensionsausgaben von 13,3 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2018 auf über 15 Prozent im Jahr 2060 klettern. Ebenso werden Pflege und Gesundheit teurer. Sprich: Ab 2040 müsste der Staat also sparen, wenn er nicht schon aufgrund laufender Ausgaben eine höhere Verschuldung will.

Steuersenkung braucht Gegenmaßnahmen

Das führt zur Eingangsfrage zurück: Was kann sich der Staat leisten? Permanent wirkende Erhöhungen der Staatsausgaben oder Senkungen würden den vorhandenen Spielraum im Budget auffressen, für zusätzliche Investitionen bliebe dann kein Platz mehr, es sei denn, die Staatsschulden würden deutlich nach oben gehen. Sprich: Wer jetzt Steuern senkt, muss sich später neue Wege einfallen lassen, um Investitionen in Klimaschutz oder für Bildung zu finanzieren. (András Szigetvari, 28.9.2021)