Die damalige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bei der Verkündung des Urteils im Jahr 2018.

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4,34 Milliarden Euro Strafe: Zu diesem Urteil kam die EU im Juli 2018 gegen Google. Das Unternehmen habe seine Marktmacht rund um Android in mehrerlei Hinsicht unfair ausgenutzt. Doch während Google umgehend ein paar Änderungen an seinem Geschäftsgebaren vornehmen musste, wartet das EU-Budget noch immer auf die Strafzahlung. Hat Google doch umgehend Berufung eingelegt.

Apple-Strategie

Nun geht der Rechtsstreit in die nächste Runde: Am Montag hat das Berufungsverfahren zum Android-Fall begonnen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Dabei wurde schnell klar, mit welcher Strategie Google ein anderes Urteil erreichen will. Die EU-Kommission habe schlicht den Wettbewerb mit Apple komplett ausgeblendet, kritisierte Google-Anwältin Meredith Pickford vor dem Gericht.

Durch eine künstlich verengte Marktdefinition sei Google fälschlicherweise als alleiniger Dominator am Smartphone-Markt dargestellt worden, obwohl Apple in der EU eine sehr wichtige Rolle spiele. Der Anwalt der Kommission, Nicholas Khan, sieht das naturgemäß anders: Der Marktanteil von Apple sei vergleichsweise klein, vor allem aber verfolge der iPhone-Hersteller ein ganz anderes Geschäftsmodell.

Unterschiede

Damit spielt Khan auf einen der umstrittensten Punkte im ursprünglichen Urteil an. Da Apple die iPhones unter alleiniger Kontrolle hat, kann man darauf auch vorinstallieren, was man will. Google erreicht die Vorinstallation der eigenen Dienste hingegen über ein kompliziertes Netz an Vorschriften und Verträgen, die rund um Android abgeschlossen werden – und ist erst damit wettbewerbsrechtlich angreifbar.

Genau hier setzt denn auch einer der zentralen Argumentationspunkte von Google an: All diese Verträge seien überhaupt nur notwendig, weil Android Open Source ist, der Quellcode also frei genutzt werden kann. Über diese Abmachungen stelle man einerseits die Kompatibilität zwischen sämtlichen Geräten her, zudem sei das eben das Geschäftsmodell von Android: über mitgelieferte Dienste die Entwicklung des Betriebssystems zu finanzieren.

Symbian-Erinnerungen

Dabei verweist das Unternehmen auch auf den Status früherer Jahre: Vor Android habe Nokias Symbian eine entscheidende Rolle im Mobilfunkmarkt eingenommen. Für App-Entwickler sei dies aber ein Albtraum gewesen, da es eine Fülle nicht zueinander kompatibler Versionen gegeben habe. Entsprechend wichtig seien die Kompatibilitätsvorschriften rund um Android, diese aufzuweichen sei weder im Interesse von Nutzern noch von Entwicklern.

Unterstützung holt sich Google von einigen Partnern. So sagt etwa der Browserhersteller Opera aufseiten des Android-Herstellers aus. Dessen zentrale Message: Android habe dem Browser viele Möglichkeiten eröffnet. Denn während es etwa bei Apples iOS gar nicht möglich ist, einen echten, unabhängigen Browser anzubieten, könnten Smartphone-Hersteller unter Android sogar alternative Browser als Default-Wahl vorinstallieren.

Ebenfalls für Google angetreten sind HMD Global (Nokia) und Gigaset, die beide betonen, dass sie ohne Android nicht im Geschäft wären. Der Anwalt von Gigaset übte dabei auch dezidiert Kritik am ursprünglichen Urteil der EU. In dessen Rahmen sei nämlich die verpflichtende Bündelung von Google-Diensten mit dem Play Store untersagt worden, was wiederum Google dazu gezwungen hat, ein klassisches Lizenzmodell einzuführen, um die Kosten der Entwicklung zurückzubekommen. Dieses mache bei günstigen Geräten nun einen bedeutenden Teil der Kosten aus, sei also nicht im Sinne der Konsumenten.

Kritik

Die Gegenseite sieht das naturgemäß anders: Mit dem Open-Source-Modell habe Google geschickt – und durch die Milliarden aus dem Suchmaschinenmonopol finanziert – Partner angelockt, nur um dann durch die erwähnten Verträge jeden Wettbewerb zu unterbinden, formuliert es Thomas Vinje von der Lobbying-Gruppe Fairsearch, deren Beschwerde den ganzen Fall ursprünglich ins Rollen gebracht hat.

Realität

Unabhängig von all diesen Diskussion bleibt der Umstand, dass das EU-Urteil bislang aus Konsumentensicht praktisch nichts an der Situation geändert hat. Sichtbarstes Ergebnis ist, dass die Nutzer beim Neueinrichten eines Android-Smartphones seitdem zwischen verschiedenen Suchmaschinen wählen können. Dass dies nichts an der Marktmacht der Google-Suche geändert hat, kommt natürlich dem Softwarehersteller zupass. Kann man so doch argumentieren, dass die Nutzer offensichtlich Google bewusst nutzen und nicht durch eine Voreinstellung bloß dazu verleitet werden.

Ein Urteil im Berufungsverfahren wird erst für kommendes Jahr erwartet. (Andreas Proschofsky, 28.9.2021)