Rektorin Hanappi-Egger kämpft für ein Lehrsetting mit Interaktion und Diskurs.

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Das Audimax der Wiener Wirtschaftsuni.

Heribert CORN

Es wuselt wieder auf dem Campus der Wirtschaftsuniversität Wien, und Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger findet das großartig. "Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn ich in der zwar schönen, aber menschenleeren Architektur spazieren gehe", sagt sie. Die Rektorin hat sich trotz Coronavirus dazu entschieden, so viel Lehre wie möglich an der Universität zuzulassen, die 2,5G-Regel soll die Studierenden vor Ansteckungen schützen. "Mit dem Online-Unterricht ging viel verloren. Jetzt soll das Studierendenleben zurückkehren", sagt sie im Interview mit dem STANDARD.

Um dieses zu verbessern, fordert die Rektorin nun mehr Professuren für ihre Universität, optimal wären zusätzliche 18. "Wir wollen bei den Betreuungsverhältnissen zumindest an den internationalen Durchschnitt herankommen", sagt Hanappi-Egger. Zwar habe ihre Hochschule schon mit den Leistungsvereinbarungen für die vergangenen drei Jahre 30 Stellen mehr bekommen. Aber: "Wir haben traditionell schlechtere Betreuungsverhältnisse als andere Universitäten. Wir brauchen noch einmal einen Schub."

Die Verhandlungen der Unis mit dem Bildungsministerium um das Budget bis 2024 sind gestartet. Es gibt 12,3 Milliarden Euro zu verteilen, und die Rektorin will ein entsprechendes Stück vom Kuchen, um die Betreuungsverhältnisse an ihrer Hochschule zu verbessern.

Schlechtestes Betreuungsverhältnis

Derzeit kommen an der WU auf eine Professur bzw. ein Äquivalent 85 Studierende, das ist in den Wirtschaftswissenschaften der höchste Wert in ganz Österreich. Hanappi-Egger will zumindest ein Verhältnis von 1:65 erreichen. "Das wäre der nächste Schritt. Um international wettbewerbsfähig zu sein, bräuchten wir eigentlich ein Verhältnis von 1:45."

Die Universität Wien hat ein Betreuungsverhältnis von 1:71, alle anderen Hochschulen liegen unter 1:50. Am besten schneidet die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien mit 1:11 ab.

Ein gängiges Argument aus dem Wissenschaftsministerium lautet: Es sei logisch, dass es an Technik- und Musikuniversitäten mehr Personal gebe, schließlich sei die Betreuung in Laboren und mit Musikinstrumenten wesentlich aufwendiger als die Lehre mit Büchern, wie sie an der WU zum Großteil stattfinde. "Ich weiß nicht, wann jemand aus dem Ministerium das letzte Mal in einem Hörsaal an der WU gestanden ist", entgegnet Hanappi-Egger. Ja, an ihrer Hochschule gebe es keine naturwissenschaftlichen Labore, aber die Digitalisierung führe dazu, dass ihr Personal mehr Infrastruktur für die Forschung – etwa zu Big Data – brauche. "Da haben wir einen anderen Bedarf als vor zig Jahren."

"Es geht um die Art der Didaktik"

Zudem seien für ein gutes Lehrsetting Interaktion und Diskurs nötig. "Da ist es egal, ob ich das in einer Informatikvorlesung oder in den Wirtschaftswissenschaften tue. Es geht nicht um den Inhalt, sondern um die Art der Didaktik. Da meine ich schon, dass auch die WU-Studierenden ein Recht darauf haben", argumentiert Hanappi-Egger. Abgesehen davon sei die Fächergruppe ihrer Universität bereits jetzt die billigste. "Ich bekomme für einen Studierenden weniger Geld als eine Kunst- oder eine Medizinuni. Dann noch zu sagen, die Studierenden an der WU können ohnehin in großen Hörsälen unterrichtet werden – das halte ich schon fast für ein bisschen zynisch."

Sollte das Ministerium ihrer Hochschule nicht mehr Personal zusprechen, so könne sie die Vorgaben der Politik "nicht ernsthaft zusagen", sagt Hanappi-Egger. Das Ministerium erwarte sich bessere Ergebnisse bei internationalen Hochschulrankings, exzellente Forschung und internationale Kooperationen im Wissenschaftsbereich. "Wir haben sehr viele Bachelor- und Masterarbeiten zu betreuen, meine Leute haben dadurch weniger Zeit zum Forschen."

Budget fehlt der Rektorin auch für die Corona-Schutzmaßnahmen. Derzeit kontrolliert das Sicherheitspersonal an den Eingängen einiger WU-Gebäude den Impf- bzw. Teststatus der Studierenden. Das zusätzliche Geld habe zum Teil das Ministerium zur Verfügung gestellt, aber "das meiste finanzieren wir aus dem Globalbudget und müssen dafür woanders einsparen".

Dennoch will Hanappi-Egger die Hochschule vor Ort offen halten. "Die Universität lebt davon, dass es viel Betrieb gibt. Die Studierenden sollen im Hörsaal sein und diskutieren, einander treffen, sich vernetzen." Wie schlecht es den Studentinnen und Studenten mit der Online-Lehre teilweise ging, habe die Hochschule auch an der erhöhten Nachfrage an psychologischer Hilfe und Beratungen gesehen. Hat es beim Start des Angebots der WU im Sommersemester 2019 noch 64 Beratungen gegeben, waren es im vergangenen Studienjahr schon 420. (Lisa Kogelnik, 29.9.2021)