Urbane Welt aus dem Computer: Hier nutzt ein Designer die künstliche Intelligenz von Mlxar, um eine Stadt aus hochaufragenden Säulen und Plattenbauten zu entwerfen.

Foto: Chromfell

Ein Bauwerk in allen seinen Details zu entwerfen ist eine zeitraubende Angelegenheit. Doch wenn man vorhat, eine ganze Stadt am Reißbrett zu gestalten, ist der Aufwand kaum überschaubar. Spieleentwickler stehen vor dieser Aufgabe. Ihre virtuellen Welten werden monumentaler, detailreicher, realistischer.

Oft arbeitet eine Armee an Designern an tausenden 3D-Modellen, die zur Kulisse für rätselhafte Storys, Autorennen oder wilde Schießereien wird. Die Modellierung der Abenteuergroßstadt im Spieleklassiker "Grand Theft Auto 5" von 2013 war so eine Mammutaufgabe. Die Entwicklung dauerte nicht nur fünf Jahre, mit Kosten von 265 Millionen Dollar war sie auch eine der teuersten aller Zeiten.

Diese Art der Gebäudemodellierung möchte das Wiener Start-up Mlxar einfacher, schneller und kostengünstiger gestalten, ohne dass dabei Kreativität, Vielfalt oder Realismus eingebüßt werden. Die Antwort auf den enormen Arbeitsaufwand ist hier der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI).

Neuronale Netzwerke sollen mit Trainingsmaterial gefüttert werden, um daraufhin eine große Bandbreite an 3D-Gebäudemodellen auszuspucken. Ein Ansatz, der es letztendlich viel leichter machen könnte, große und dennoch sehr detaillierte virtuelle Welten zu erschaffen.

Schnittpunkte von KI und Architektur

Der Kopf hinter Mlxar ist Benjamin James, der gemeinsam mit Co-Gründer Michal Busta das Unternehmen Anfang 2021 aus der Taufe gehoben hat. James vereint drei Expertisen, die für sein Vorhaben, Architektur aus KI-Systemen auf den Weg zu bringen, vorteilhaft sind. Der US-Amerikaner studierte Wirtschaft und arbeitete jahrelang in New York und London. Später kam er nach Wien, um Architektur an der Akademie für angewandte Kunst zu studieren. Und er ist nebenher leidenschaftlicher Programmierer.

"Als ich Einblick in die Praxis der Architektur bekam, war ich schockiert, dass Technologie im Designprozess so eine limitierte Rolle spielt", berichtet James über seine Motivation. "Mit ihren Plänen und Modellen bringt die Architektur standardisierte Outputs hervor, die in zwei- und dreidimensionalen Informationen codiert sind. Ich entdeckte, dass sie sehr gut mit Arbeitsweisen von KIs zusammenpasst."

Mit der Idee, neue Werkzeuge am Schnittpunkt von KI und Architektur zu entwickeln, machte sich James auf die Suche nach einem passenden Markt für seine Idee. "Als Architekt ging ich davon aus, dass sich ein resultierendes Produkt auch zuerst an Architekten richten würde", blickt der Gründer zurück.

Doch es zeigte sich, dass gerade Spieleentwickler ein Tool dieser Art gut brauchen können. "Wir designen mehr Gebäude in einem Spiel als ein Architekt in zehn Jahren – und das, ohne eine Ausbildung als Architekt zu haben", bekam James von ihnen zu hören.

Unterstützung beim Schärfen der Geschäftsidee kam vom Wiener Start-up-Inkubator Inits und von der Förderagentur FFG. Das Austria Wirtschaftsservice (AWS) half im Rahmen eines KI-Förderprogramms. KI-Experte Michal Busta wurde zum Co-Gründer.

Prototyp-Erstellung

Im Moment arbeiten die Gründer noch an ihrem Prototyp. Der Fokus verschiebt sich langsam von der eigentlichen KI in Richtung Benutzerinterface und Integration in die Workflows der Spieleentwickler. "Wir zeigen mit unserem Tool, dass auch die KI ganz schön kreativ sein kann", sagt James. "Das bedeutet nicht, dass sie besser ist als der Designer. Aber wir bieten die Möglichkeit, dass Designer damit ihre eigene Intuition erweitern."

Am Beginn des Arbeitsprozesses mit der Mlxar-Anwendung muss der KI beigebracht werden, welche Art von Gebäuden man schaffen möchte – in Form von Skizzen, Plänen, Referenz- und Stilbildern, Aufnahmen von Fassadenelementen oder anderen Details. Dazu gibt man dem System Parameter mit auf den Weg, die das gewünschte Ergebnis vordefinieren.

Dazu gehört etwa, wie eng oder offen eine Stadt gestaltet sein soll. "Die KI nimmt diese komplexe Information und schafft daraus eine fast unendliche Palette an möglichen Lösungen", erklärt James. Stile, räumliche und formale Zusammenhänge oder funktionale Aspekte – all das soll das System verstehen und für seine Gestaltungsarbeit anwenden können.

Weitere Inspirationen

Die resultierenden Modelle können nun bearbeitet, kombiniert, verworfen oder weiterentwickelt werden, um im Fall der Spieledesigner eine virtuelle Welt auszustaffieren. Langfristig möchte der Gründer aber auch nicht auf seine ursprüngliche Zielgruppe vergessen – die Architekten. Auch für sie sollen schließlich Werkzeuge entstehen, die auf Basis der menschlichen Ideen neue Lösungen zeigen und damit weitere Inspirationen ermöglichen.

Die Parameter, die man der KI mitgibt, sind vielleicht Vorgaben bezüglich Sonneneinstrahlung oder Gebäudehülle, die ein nachhaltiges Bauen sicherstellen. Letztlich sollen auch Stadtplaner und Visual-Effects-Artists in Filmen mit Anwendungen von Mlxar arbeiten. Das System soll zum Designpartner werden, der nicht einfach nur ausführt, was der Nutzer vorgibt, sondern Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigt.

Schnelles Wachstum

Bereits jetzt arbeitet Mlxar mit Wiener Spieleentwicklern zusammen. Anfang 2022 soll eine marktfähige Anwendung vorliegen. James ist überzeugt, dass sie in der globalen Gamingbranche Anklang findet. "Ich kenne weltweit kein Projekt, das etwas Ähnliches macht", sagt der Gründer. "Wir wollen schnell wachsen und schließlich auch in andere Märkte expandieren."

Bevor es aber so weit ist, steht noch eine Ausstellung auf dem Programm. Dabei geht es um die Frage, ob künstliche Intelligenz den Stil eines bestimmten Architekten lernen kann. Das System soll Werke im Stile des 1870 geborenen Josef Hoffmann, eines Vertreters der Wiener Werkstätte, schaffen. Gezeigt werden sie im Winter im Museum für angewandte Kunst (Mak).(Alois Pumhösel, 5.10.2021)