Patti Smith liest man, um ewig ein Kind zu bleiben: Valerie Pachner und Voodoo Jürgens beim Stelldichein.

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Wie steigt man aus einer Szene aus, die die Jugend geprägt und einen als Mensch geformt hat – und das, ohne sich selbst, seine Liebe zur Musik und seine Freunde zu verraten? Another Coin for the Merry-Go-Round, das Langspielfilmdebüt des österreichischen Regisseurs Hannes Starz, porträtiert das Abschiednehmen von einem Lebensentwurf, der sich im Kreis dreht.

Anna (Valerie Pachner) und ihre Freunde leben nach ihrem bewährten Ablauf aus Bandprobe, Bier exen, Drogen nehmen, tanzen, mehr Drogen nehmen, Mist bauen – und alles wieder weglachen. Sie gehören zur Wiener Hardcore-/Alternative-Szene, jobben, wenn, dann nur nebenbei, und der einzige Kontakt zur Außenwelt ist eine psychedelisch angehauchte Gruppe von Roleplayern in Herr der Ringe-Kostümen, die nach einem Schatz sucht. Am liebsten ist der Freundeskreis in altbekannten Gürtellokalen unterwegs, wo sich lokale Bands ein Stelldichein geben: Neben Bulbul sind das die Thirsty Eyes und Alicia Edelweiss. So drehen sie sich im titelgebenden Karussell auf die 30 zu, und selbst der Selbstmordversuch von Niko (Voodoo Jürgens) ist für die Freunde kein Grund umzudenken. Es lässt sich ja auch noch im Rollstuhl zugedröhnt im Kreis drehen.

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Große Lust an Verweisen

Neben dem treibenden Soundtrack ist es die DIY-Ästhetik, die mit verwaschenen Handkamera-Bildern und grellen Zwischentiteln gegen das glatte HD-Gegenwartskino anschreit und sich ästhetisch in die Szene einschreibt, die Another Coin for the Merry-Go-Round porträtiert: den Hardcore-/Alternative Rock der 90er- und frühen 2000er-Jahre. Das geschieht detailgenau und mit großer Lust an Verweisen – immer wieder werden Szene-Codes und das Thema "Erwachsenwerden" auffällig im Film platziert: Alles beginnt 2019, Daniel Johnston, ein von Anna und Niko verehrter US-amerikanischer Musiker, ist verfrüht gestorben; Anna erzählt aus dem Off über das "(n)irgendwo ankommen" und liest Gedichte des jungen Wilden Arthur Rimbaud.

In die Gespräche und die Zwischentitel werden Zitate von Alternative-Bands eingestreut, und schließlich findet Anna in Nikos Zimmer einen Stapel Bücher: fünfmal Patti Smiths Autobiografie Just Kids. Anna, die das Buch liebt, hat es Niko Jahr für Jahr zum Geburtstag geschenkt, doch der hat es nie zu Ende gelesen.

Brüchigkeiten

Wo Anna Patti Smith zu wörtlich nimmt und immer Kind sein möchte, will der zurückhaltende Niko gar nicht mehr sein. Um Annas hinausgezögerten und Nikos verfrühten Abschied von ihrem Lebensentwurf innerhalb einer Szene, die hängengeblieben zu sein scheint und deren aktivistische Seite von Hedonismus und Melancholie überschattet wird, dreht sich Starz' Film.

Seinem starbestückten Ensemble – von Voodoo Jürgens in seiner ersten Hauptrolle über Valerie Pachner, die gerade ihre internationale Karriere startet, bis hin zu Tinka Fürst und Max Bogner – gelingt es dabei meist, aber nicht immer, die Geschlossenheit der inszenierten Welt brüchig und die Emotionalität des doppelten Abschiednehmens spürbar zu machen. (Valerie Dirk, 29.9.2021)