Viele gemeinsame Fotos von Christian Lindner (links) und Robert Habeck (rechts) gibt es bisher nicht. Das könnte sich ändern.

Foto: imago/Metodi Popow

Christian Lindner hat am Dienstag schon einmal die Nase vorn. Der FDP-Chef kennt den Bundestag, er ist dort seit 2017 vertreten. Und schon am Tag nach der Bundestagswahl wurde Lindner wieder zum Fraktionschef gewählt – mit 97,8 Prozent der Stimmen.

Robert Habeck hingegen kommt als Novize. Er holte bei der Bundestagswahl das Direktmandat in seinem Wahlkreis Flensburg-Schleswig und zog damit neu in den Bundestag ein. Es gibt viel zu besprechen und zu organisieren, doch Habeck hält doch kurz vor einer Kamera an, um etwas klarzustellen.

"Annalena Baerbock und ich werden in großer Gemeinsamkeit und großer Geschlossenheit und großer Stärke die Koalitions- und Sondierungsgespräche führen", sagt er. Und, dass die grüne Partei "in 120-prozentiger Geschlossenheit" hinter Baerbock stehe. Er und sie hätten "alle Fragen geklärt". Damit wollte Habeck offensichtlich dem Eindruck entgegenwirken, als sei die ehemalige grüne Kanzlerkandidatin nach dem enttäuschenden Wahlergebnis abgemeldet. "Ich gehe wieder meiner Wege", sagt er noch und verschwindet.

Doch Habeck kann sich noch so bemühen – es ist offensichtlich, dass er der Chefverhandler bei den nun anstehenden Sondierungen und Koalitionsgesprächen sein wird.

Gemeinsamkeiten ausloten

Aber es gibt noch jemand Zweiten, der sich ebenso wichtig nimmt, und das ist nicht Baerbock, sondern Lindner. Bisher waren sich die beiden Alphamänner politisch nicht unbedingt grün, wenngleich sie sich persönlich gut verstehen und auch duzen.

Jetzt aber sind die Konkurrenten in gemeinsamer Mission unterwegs und loten aus, ob FDP und Grüne in einer Ampel oder Jamaika-Koalition überhaupt zusammenfinden könnten. Gelingt das, wollen sie gemeinsam entscheiden, ob sie sich lieber den Sozialdemokraten zur Bildung eines Ampelbündnisses zuwenden oder doch mit der Union Richtung Jamaika marschieren.

Lange ist es noch nicht her, da flogen zwischen FDP und Grünen die Giftpfeile. Lindner höhnte, dass die Ökopartei sich ein "Bullerbü" mit Lastenrädern bauen wolle. Der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin sorgte mit einem Tweet für Aufregung, in dem er "FDP" als Abkürzung von "Fick den Planeten" bezeichnete.

Auch Habeck und Lindner gerieten schon vor laufenden Kameras aneinander. Unvergessen ist ein Auftritt der beiden bei ARD-Talkerin Anne Will im Jahr 2018. Als "cremig" und als "Klimanationalisten" bezeichnete Lindner Habeck und die Grünen, was Habeck sehr hoch hinauf auf die Palme brachte. Sein Konter: Lindner sei beim Klimaschutz so zurückhaltend, denn sonst "könnte sich ja mal was ändern". Er giftete Lindner auch an: "Kannst du mal zur Kenntnis nehmen, dass wir zu viel Braunkohlestrom produzieren?" Darauf Lindner: "Du redest viel."

Politologe versus Philosoph

Spätestens seit diesem Auftritt wurde die Beziehung der beiden auch unter dem Aspekt gesehen: Wer ist der Eloquentere, der Bessere, der Stärkere, der Smartere?

Lindner, 42 Jahre alt und studierter Politologe, ist ein beherrschter Redner, der äußerst präzis formuliert. Habeck (52), der promovierte Philosoph, hingegen ufert bei seinen Sätzen gern einmal aus. Beide gelten als die männlichen Stars ihrer Partei. Lindner ist in seiner Partei ohnehin konkurrenzlos, Habeck dürfte bei den Grünen nun wieder zur Nummer eins werden.

Und sie können miteinander auch ganz entspannt. Am Abend nach der Bundestagswahl kam, wieder in der Talkshow von Anne Will, von Linder folgende Anregung: "Wie wäre es, wir würden uns selbst ein neues Denken verordnen, vielleicht auch im Sinne von Robert Habeck?"

Wenn sie es allerdings gemeinsam in eine Regierung schaffen, könnte es ein neues Rennen um einen Prestigeposten geben. Beide möchten Finanzminister werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.9.2021)