Thomas Brezina begeistert mit seiner Arbeit seit Generationen Kinder und Jugendliche. Hinter den Kulissen gibt es in seinen Firmen aber durchaus Reibereien.

Foto: Matthias Cremer

"Ein Mann, den niemand hasst", postet ein Fan unter einem der ersten Videos von Thomas Brezina auf seinem Tiktok-Account. Der wohl bekannteste Kinderbuchautor des Landes wurde seit der Corona-Pandemie zum selbsternannten Glücksbotschafter: Nach seinem Ratgeber für "schwere Zeiten" vergrößert der 58-Jährige seine Social-Media-Reichweite nun täglich – durch Lächeln, versteht sich.

Hinter Brezinas Frohsinn steckt auch die Geschichte des wohl erfolgreichsten Kinder-Medien-Multis des Landes. Über 550 Bücher hat er für Kinder und Jugendliche geschrieben, etliche Preise gewonnen. Für den ORF produziert er seit mehr als 13 Jahren das Kinderprogramm, auch dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet. Als Unternehmen will sich Brezina jedoch nicht begreifen. Als ihn der DER STANDARD 2006 nach der wirtschaftlichen Dimension seines Tuns gefragt hatte, blockte er ab. Derartige Fragen würden dem Ansehen der Kinder schaden, sagte er damals.

Dahinter eine Stiftung

Ein Blick ins Firmenbuch verrät, dass Brezina wirtschaftlich gut organisiert ist. Seine Geschäftsfelder sind in mehrere GmbHs geteilt: Die Tom Storyteller Gmbh kümmert sich um alle wirtschaftlichen und vertraglichen Aufgaben, um Brezina ein "ungestörtes und kreatives Arbeiten" zu ermöglichen, wie es aus der Firma heißt. Andere GmbHs sind für Fernsehbeiträge und andere Projekte zuständig. Hinter den Gesellschaften steckt die 2000 gegründete Privatstiftung Brezinas. Als Besitzerin der GmbHs geht es der Stiftung darum, das Werk Brezinas zu fördern und sein Vermögen zu vermehren.

Die Tower10KidsTV – eine von Brezinas Firmen – kümmert sich exklusiv um das Kinderprogramm im ORF. Gemäß des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags soll dies gewaltfrei, werbefrei und von pädagogischem Mehrwert sein. "Kinder begeistern und nicht belehren", würde es in Worten Brezinas heißen. Quasi alle ORF-Aufträge der vergangenen Jahre für Kinderprogramm gingen an die Tower10KidsTV. Wer also vom ORF-Kinderfernsehen spricht, meint Thomas Brezina.

Das Quasimonopol hat sich Brezina erarbeitet: Er soll mit 17 Jahren beim ORF begonnen haben, mittlerweile werden ihm ausgezeichnete Beziehungen zu noch Generaldirektor Alexander Wrabetz nachgesagt.

Massive Budgetkürzungen

Laut Ex-Programmchef Wolfgang Lorenz war das Kinderprogramm 2010 noch mit zehn Millionen Euro jährlich dotiert, mittlerweile dürften Brezinas Firmen mit nur noch rund drei Millionen Euro pro Jahr auskommen müssen. Weder Brezina noch der ORF wollten diese Zahlen bestätigen. Die Kürzungen passierten schrittweise, daraufhin setzte man sukzessive auf billigere oder weniger Formate.

Die Firma kommentierte die Kürzungen nur knapp: "Die verbleibenden TV-Formate werden selbstverständlich weiterhin mit der Qualität produziert, für die Thomas Brezina und Tower10KidsTV stehen." Auch vom ORF heißt es, dass zwar weniger, aber hochqualitative Produkte hergestellt werden, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

"Alle immer erschöpfter"

Wer mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spricht, erhält ein differenzierteres Bild: Gerade im Zuge der Einsparungen 2018 wurde massiv an Personal gekürzt, die Arbeit blieb dieselbe. Ein Ex-Mitarbeiter stellt die Auswirkungen so dar: "Es sind alle immer erschöpfter geworden."

Dass es Mitarbeiter gab, die nicht zufrieden waren, zeigt auch ein Beschwerdebrief aus dem vergangenen Jahr, der an Wrabetz persönlich ging. Eine Person, die das Unternehmen sehr gut kennt und dort gearbeitet haben will, bekrittelt in diesem Brief, dass Personal der Tower10KidsTV regelmäßig Tätigkeiten für andere Teile der Brezina-Unternehmen und für Brezina persönlich leisten musste. Diesen Vorwurf weist die Produktionsfirma vehement zurück. Leistung für andere GmbHs seien projektbezogen verbucht und abgerechnet worden. Der ORF sagt, dass keine Extraleistungen verrechnet wurden, man deshalb davon ausgehe, dass die Leistungen extra bezahlt wurden.

Dass der Erfolg Brezinas bei immer weniger Budget seinen Preis hat, bezeugen weitere Ex-Angestellte. "Thomas braucht Ameisen, die für ihn arbeiten", sagt eine langjährige Ex-Mitarbeiterin der Tower10KidsTV unter Wahrung ihrer Anonymität. Sie verwies auf die hohe Fluktuation im Unternehmen. Tatsächlich wechselte die Geschäftsführung acht Mal innerhalb der vergangenen neun Jahre. Auch zahlreiche andere Mitarbeiter verließen das Unternehmen – sei es wegen Überarbeitung, eines plötzlichen Zerwürfnisses mit Brezina persönlich oder wegen der Kürzungen. Nach Personalabbau gefragt, antworten zwei Geschäftsführer von Brezinas Unternehmen ausschweifend. Die Personalkürzungen seien zu ihrem "Bedauern" passiert, die Qualität des Programms sei davon aber unberührt geblieben.

Fluktuation in Stiftung

Die Geschäftsführer kümmern sich um das Management des alltäglichen Geschäfts, sind aber meist auch im Stiftungsvorstand vertreten. Daher trafen die Fluktuationen auch Brezinas Stiftung. Brezina tauschte die Vorstände innerhalb von 20 Jahren 18-mal. Was auch immer der Grund dieser Fluktuationen sein mag: Unter jeder von Brezinas Unterschrift ist wie gewohnt ein lachender Smiley zu finden – selbst im Firmenbuch.

Wer im Stiftungsrat Expertise für Kinderfernsehen erwartet, findet neben Brezina einen ehemaligen Chef einer Fertighausfirma, einen Rechtsanwalt und einen Immobilienunternehmer. Auf Nachfrage meldeten sich zwei Vorstände, die angaben, jahrelang in großen Unternehmen tätig gewesen zu sein. Für sie sei es eine "Ehre", mit Brezina zu arbeiten. Um Menschen begeistern zu können, sei unter anderem eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre notwendig.

Brezina für Kreatives

Kein Geheimnis ist, dass Brezina sich am liebsten auf die kreative Arbeit fokussiert. Er produziert (Dreh-)Bücher en masse, sei es in seinem Schreibwohnwagen im Wiener Garten oder von London aus, wo Brezina auch lebt. "Manchmal rief Thomas vom Strand in England aus an und gab mir das Lied für die neue Produktion durch", erinnert sich eine Ex-Mitarbeiterin.

Die Umsetzung von Brezinas Ideen obliegt der Wiener Redaktion. Zuvor müsse aber öfter "glattgebügelt" werden, was Brezina in höchster Geschwindigkeit produziert hat, so ein Ex-Mitarbeiter. Den Erzählungen mehrerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufolge sei die Arbeit aufreibend. Brezina sei distanziert und launisch, selten vor Ort, und außerdem werfe er seine eigenen Pläne mehrmals – auch in allerletzter Sekunde vor Launch – über den Haufen. Wer widerspreche, falle in seine Ungnade.

Brezina lässt die zwei Geschäftsführer seiner GmbHs antworten. Sie bleiben unkonkret, schreiben aber, dass der Qualitätsanspruch Brezinas von allen "großartig getragen" werde, alle würden die Grundlage für seinen Erfolg kennen.

Brezina für ORF-Player?

Nach mehr als zehn Jahren Brezina-Kinderprogramm im ORF könnte eine Veränderung anstehen: Der ORF-Player, die geplante Streamingplattform, soll ein Kinderprogramm bekommen. Brezina hat ein Konzept vorgelegt, aber auch Konkurrenten sollen dies getan haben.

Sollte der Kids-Channel wie die bisherige Kinderprogrammschiene "Okidoki" heißen, wäre diese Marke ganz ohne Thomas Brezina nur schwer vorstellbar. (Laurin Lorenz, 29.9.2021)