Der ORF-Stiftungsrat trifft sich am 14. Oktober für eine Sondersitzung zur Festlegung der GIS-Gebühren.

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Wien – "Sicherung und Stärkung des Medienstandortes Österreich – die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im fairen Wettbewerb" nennt Bundeskanzler Sebastian Kurz den Vortrag an den Ministerrat zur Digitalnovelle am Mittwoch. Bis Ende des Jahres wollen ÖVP und Grüne eine Punktation vorlegen, die Umsetzung der ORF-Gesetzesnovelle soll im Laufe des nächsten Jahres erfolgen. Unabhängig davon trifft sich der Stiftungsrat m 14. Oktober für eine Sondersitzung zur Festlegung der Gebühren. Diese dürften steigen.

Im Ministerratsvortrag wird betont, dass es eine hohe Verantwortung gegenüber dem privaten Marktumfeld gebe und der heimische Wettbewerb durch die Novelle nicht "unverhältnismäßig verzerrt" werden dürfe, der ORF aber auch technologische und programmliche Innovationen im Interesse des österreichischen Publikums entwickeln können müsse.

Die zuletzt vor elf Jahren angepassten Rahmenbedingungen bedürfen aufgrund des raschen Wandels am Medienmarkt Anpassung unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben. Ziel müsse es sein, den ORF national und international als konkurrenzfähiges Medienangebot zu positionieren, heißt es in dem Papier. Dabei soll die Gesetzesnovelle sicherstellen, dass sich das öffentlich-rechtliche Programmangebot im Onlinebereich von jenem der privaten Medienunternehmen unterscheidet.

Anpassungen bei der Bereitstellungsfrist

Konkret ist dem Ministerratvortrag zu entnehmen, dass orf.at erhalten und weiterentwickelt werden soll. Zudem sind "beispielhaft" Anpassungen bei der Bereitstellungsfrist von Inhalten – derzeit darf der ORF die meisten Inhalte nur sieben Tage zum Abruf zur Verfügung stellen -, der eigenständigen Gestaltung von Apps sowie der Präsenz auf digitalen Drittplattformen vorgesehen. Der vom ORF geplante Player bleibt "in Kooperation mit privaten Anbietern ein wichtiges medienpolitisches Vorhaben".

Mit der Digitalnovelle ist eine Überarbeitung der ORF-Finanzierung vorgesehen. So ist von einer "Neuordnung der kommerziellen Kommunikation" die Rede, um "gebotenen europarechtlichen Vorgaben zu entsprechen". Die notwendige Finanzierung des ORF für den digitalen Transformationsprozess wird zudem an "strukturelle Parameter" geknüpft.

Stiftungsrat-Sondersitzung zu Gis-Gebühr

Zwecks Finanzierung des ORF treffen sich die 35 Stiftungsräte des obersten ORF-Gremiums am 14. Oktober per Skype zu einer Sondersitzung. Dabei steht die Neufestsetzung des Programmentgelts am Programm, wie die APA als auch der "Kurier" erfuhren. Dabei dürfte vom amtierenden ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der den Antrag bis Jahresende stellen muss, eine GIS-Gebührenerhöhung von rund acht Prozent vorgesehen sein, DER STANDARD berichtete.

ÖVP-Mediensprecher Melchior: Erhöhung "völlig deplatziert"

Diese Erhöhung der GIS-Gebühren sei "völlig deplatziert", sagt dazu ÖVP-Mediensprecher Axel Melchior am Mittwoch. "Denn damit beschert Wrabetz den ORF-Seherinnen und -Sehern kurz vor seinem Abgang deutlich spürbare und ungerechtfertigte Zusatzkosten. Als Volkspartei sehen wir den Anstieg der GIS-Abgabe äußerst kritisch, denn aus unserer Sicht braucht es eine Politik der Entlastung, nicht der Gebührenerhöhungen", so Melchior. Die Steigerung läge damit unter der kumulierten Inflationsrate seit der letzten Gebührenerhöhung vor rund fünf Jahren. Im ORF-Stiftungsrat haben ÖVP-nahe Stiftungsräte die Mehrheit.

Kritik von SPÖ-Mediensprecher Leichtfried

Kritik kommt am Mittwoch auf von SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried. Dass ÖVP und Grüne mittlerweile sogar die "Ankündigung einer Punktation" in einen Ministerratsbeschluss schreiben, sei "mehr als peinlich". "Die türkis-grüne Medienpolitik erschöpfe sich "in Postenbesetzungen im ORF – die überfällige Reform für einen unabhängigen, auch digital fitten ORF, ist offenbar wieder auf der langen Bank".

Leichtfried: "Wenn die ÖVP jetzt gegen diese Anpassung ist, stelle sich die Frage: 'Fällt die ÖVP dem Generaldirektor von ihren Gnaden, noch bevor Weißmann sein Amt übernommen hat, in den Rücken? Oder handelt es um den ersten Disziplinierungsversuch, indem man Weißmann die finanzielle Rute ins Fenster stellt?'. Dabei gebe es zentrale Herausforderungen für den ORF, für die es politische Entscheidungen und den gesetzlichen Rahmen, also ein neues ORF-Gesetz, braucht.

Leichtfried: "Um ORF-Inhalte verstärkt auch online, zeitunabhängig und mobil nutzen zu können, muss man den öffentlich-rechtlichen Auftrag adaptieren und den ORF zu einem Plattformunternehmen weiterentwickeln. Nur dann kann der ORF in allen Altersgruppen relevant bleiben. Der ORF braucht digitale Entwicklungsfreiheit und Ermöglichung neuer Angebote, Zugänge und Kanäle, um den massiven technologischen Entwicklungen gerecht werden zu können. Im Gegenzug dafür kann ich mir weitgehende Werbebeschränkungen im Digitalbereich vorstellen, um den Wettbewerb mit anderen Online-Anbietern nicht zu verzerren." Und es gehe auch darum, den ORF in seiner journalistischen Freiheit und Unabhängigkeit zu stärken. Leichtfried fordert ein stärkeres Redaktionsstatut und Änderungen beim Wahlmodus für den ORF-Generaldirektor.

FPÖ will wieder Antrag auf Abschaffung der Gis-Gebühr einbringen

Entschieden gegen die geplante Erhöhung der ORF-Gebühren sprachen sich am Mittwoch FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl und FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker aus. Der ORF entwickle sich immer mehr zu einer Geldvernichtungsmaschine, beklagte Kickl. Man müsse auch davon ausgehen, "dass der öffentlich-rechtliche Auftrag unter dem neuen von der ÖVP und ihren grünen Handlangern inthronisierten Generaldirektor Weißmann noch weiter in den Hintergrund rücken werde." Die FPÖ kündigt einen neuerlichen Antrag im Nationalrat zur Abschaffung der GIS-Gebühren an. "Die Zwangsgebühren sind ersatzlos zu streichen", so die FPÖ. Die Erhöhung diene "offenbar einzig und allein dazu, die Propagandamaschinerie der ÖVP zu finanzieren", sagt FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker.

Streaminglücke

Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, will jedenfalls die Streaminglücke für den ORF geschlossen wissen, DER STANDARD berichtete. Derzeit darf der ORF für Streaming keine GIS-Gebühr verlangen. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2015. Da aber ORF-Inhalte zusehends auf Laptops oder Mobiltelefonen rezipiert werden und immer mehr Haushalte auf Fernseher und Radios verzichten, droht dem ORF langfristig ein signifikanter Rückgang bei den Gebühreneinnahmen. Diese machen rund zwei Drittel des ORF-Umsatzes aus. Denkbar wäre, dass ORF-Streaming künftig nur nach Eingabe eines GIS-Codes zugänglich ist.

Dass der ORF derzeit keine Inhalte "online first" und "online only" produzieren darf, will Blimlinger ebenfalls ändern. "Online first"-Inhalte sollen "jedenfalls" ermöglicht werden. "Online only" wolle man "versuchen". Hinsichtlich des ORF-Players betont Blimlinger, dass dieser Möglichkeit zur Kooperation mit Privaten aufweisen müsse. "Uns ist hier besonders wichtig, dass es nicht nur um den kommerziellen Privatrundfunk, sondern jedenfalls auch um den nichtkommerziellen Rundfunk geht", so die Mediensprecherin der Grünen.

Zusammenarbeit mit Konfliktpotenzial

Der designierte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann betonte mehrmals, dass er angesichts der Konkurrenz vonseiten internationaler Plattformen offen für intensivere Kooperation mit heimischen Privaten sei. Mehrere gewichtige Player im privaten Medienbereich wie ProSiebenSat.1Puls4-Geschäftsführer Markus Breitenecker, Servus TV-Intendant Ferdinand Wegscheider oder auch Eugen A. Russ, Vizepräsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), sahen das in jüngster Vergangenheit ebenso. Dabei ist bei allem Willen zur forcierten Zusammenarbeit auch Konfliktpotenzial gegeben. So ist die Idee eines gemeinsamen "Austro-Players" vom Tisch. Wegscheider will nicht, dass Servus TV ledigliches "Anhängsel" bei einem ORF-Player wird.

"Das Spielfeld ist dermaßen uneben, dass es Beschränkungen braucht – und zwar erhebliche", meinte Russ in einem Medienspezial des Wochenmagazins "profil" und dem Branchenmedium "Horizont". Nötig sieht er diese bei allen Elementen, "die primär textbezogen sind und den Bereich Informationen anbelangen". Dieses Feld würden bereits private Anbieter bestens bedienen, weshalb dafür auch keine Gebührenfinanzierung nötig sei. Gebühren für den fiktionalen oder auch Kulturbereich sein dagegen "unstrittig", so Russ. (APA, red, 29.9.2021)