"Seit dem letzten 'Bond' hat die Welt einen unglaublichen Schub gemacht": Ben Whishaw über die Verschiebungen des Bond-Films und die Pandemie.

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Ohne seine Einfälle wäre James Bond ziemlich aufgeschmissen. Die Rede ist natürlich von Q (kurz für Quartermaster), der für die technischen Raffinessen beim Secret Service zuständig ist. Seit Skyfall ist Q verjüngt und wird vom britischen Charaktermimen Ben Whishaw verkörpert, der ihm nun auch digitale Expertise verleiht. Kurz vor dem Start von Keine Zeit zu sterben am Donnerstag spricht er darüber, wie sich das Franchise neu erfindet.

STANDARD: Alle sprechen davon, dass sich der neue Bond der Zeit anpassen muss – werden auch Qs Erfindungen zeitgemäßer, etwa nachhaltiger und grüner?

Whishaw: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht! Jemand vom Fach hat aber unlängst einmal über den MI6 gesagt, dass Leute wie Q heutzutage dort die Arbeit übernehmen müssten. Die echten Qs, die Computerprogramme schreiben etc., sind dringlicher als Leute wie Bond, die draußen Dinge zerstören und herumschießen. Ich weiß nicht, in welche Richtung sich die Gadgets entwickeln, aber die Filme verändern sich insgesamt, weil sich die Welt ja selbst so verändert. Zwischen dem letzten Bond und dem neuen hat die Welt einen unglaublichen Schub gemacht. Es ist wichtig, dass das die Filme mitreflektieren.

James Bond 007

STANDARD: Die Beziehung zwischen Q und Bond gleicht ja auch ein wenig der zwischen einem Nerd und einem Mannskerl. Q macht sich sogar über Bonds Schießwütigkeit lustig.

Whishaw: Genau so ist es. Sie sind ein seltsames Paar. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese beiden Menschen zusammenarbeiten. Ich habe aber das Gefühl, dass sie sich durchaus mögen. Und sich respektieren. Im neuen Film sind sie sogar voneinander abhängig, die Beziehung geht also noch tiefer. Dieser Bond ist eine noch reichere Erfahrung: Es gibt alle üblichen Spektakel, Gadgets, Verfolgungsjagden, aber er ist stärker im Persönlichen verankert. Einer der Produzenten meinte sogar, er könne den Film nicht sehen, ohne dabei zu weinen.

STANDARD: Q ist einer der langlebigsten Sidekicks im Bond-Universum. Haben Sie ihn als Nerd neu erfunden?

Whishaw: Das war Regisseur Sam Mendes, er hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie er Q zum Computer-Geek macht, während Bond ein wenig der Zeit hinterherhinkt. Q wäre also der neue Bursche, der mit der Technologie Schritt gehalten hat. Daraus ist dann von Film zu Film eine Beziehung zwischen den beiden entstanden, das gilt übrigens für alle Mitglieder des MI6, sie sind stärker involviert.

STANDARD: Im Vorfeld der Filme herrscht immer große Geheimniskrämerei. Stimmt es, dass Sie nicht das ganze Drehbuch zu lesen bekamen?

Whishaw: Ich habe es dann irgendwann doch bekommen, aber nur häppchenweise. Aber das ist okay. Die Geheimnistuerei ist komisch, aber sie sorgt auch dafür, dass sich das alles besonders speziell anfühlt. Mir gefällt die Intensität, die sie dem Projekt verleiht. Am Set ist es freilich nicht so, da dreht man den Film, und jetzt, wo ich das dritte Mal dabei bin, gibt es schon Abkürzungen zwischen mir und den anderen Schauspielern. Es ist also geheimtuerisch, zugleich ist es wie eine Familie, zu der man zurückkehrt. Mit dem Unterschied, dass mit Daniel Craig nun ein Teil die Familie verlässt – das macht es bittersüß.

STANDARD: Werden Sie selbst weitermachen?

Whishaw: Ich hatte nur einen Vertrag für drei Filme. Das ist der dritte. Wenn es für mich eine Zukunft gibt, wäre das nett, wenn nicht, respektiere ich das: Das Franchise wird sich in neue Bereiche erweitern.

STANDARD: Fühlt es sich nicht seltsam an, dass Sie nun über einen Film reden müssen, der seit zwei Jahren fertig ist – wie beurteilen Sie den Erwartungsdruck, der auf dem Film lastet?

Whishaw: Es ist gar nicht so leicht, über etwas zu sprechen, was schon so lange abgedreht ist. Und dann sind wir alle noch dazu durch eine globale Pandemie marschiert, die traumatisierend war. Ich bin durch die Verspätung jedoch nicht gestresst – solange der Film herauskommt und in einem Kino gesehen werden kann. Das Warten wird sich lohnen, denn man sollte den Film nicht auf einem Tablet sehen. Ich hoffe, dass der Film zur Renaissance des Kinogehens beiträgt. (Dominik Kamalzadeh, 29.9.2021)