Der Sheriff hat im Bernabeu getroffen.

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Jubel nach dem Schlusspfiff.

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Madrid – Prophylaktisch zehn Euro ins Phrasenschwein, dann kann es losgehen. Geld spielt nicht Fußball, Marktwert gewinnt keine Spiele. Der Kaderwert des FC Sheriff Tiraspol beträgt laut transfermarkt.at 12,38 Millionen Euro – jener von Rapid Wien 34,55 Millionen, jener von Real Madrid 793,5 Millionen. Trotzdem bezwang Sheriff am Dienstagabend in der Champions League Real mit 2:1. Auswärts wohlgemerkt.

Bei Real Madrid war ÖFB-Teamspieler David Alaba über neunzig Minuten im Einsatz, für Sheriff erzielte Sebastien Thill in der 90. Minute das Siegestor. Der 27-jährige Luxemburger wechselte zu Saisonbeginn vom FC Progrès Niederkorn als Leihspieler nach Tiraspol. Jetzt ist er nach zwei Spieltagen Teil einer Mannschaft, die eine Champions-League-Gruppe mit Real, Inter Mailand und Schachtar Donezk anführt.

Firma als Staat

Aber wer ist dieser Underdog an der Tabellenspitze? Zunächst etwas Geografie: Tiraspol liegt in Transnistrien, einem nur 4.100 Quadratkilometer großen Landstrich im Osten von Moldau an der Grenze zur Ukraine. Die Region hat sich 1990 für unabhängig erklärt, sie ist de facto ein eigener Staat mit eigener Verwaltung und Währung – obwohl kein Land sie als solchen anerkennt. Knapp 500.000 Menschen leben dort.

Tatsächlich aber ist Transnistrien eher eine Firma. Eine Firma namens Sheriff, die, der Name lässt es bereits vermuten, im Juni 1993 von ehemaligen Polizisten aus der Sowjetunion als Sicherheitsfirma gegründet wurde. Daraus ist ein Großkonzern entstanden, der 60 Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschaftet: Sheriff gehören eine Wohnbaugesellschaft, eine Supermarktkette, ein TV-Sender, Banken, Kasinos und vieles mehr.

Firma als Parlament

Damit nicht genug: Die Partei Erneuerung verfügt über 29 der 33 Sitze im transnistrischen Parlament – sie ist genau genommen der politische Arm von Sheriff. Präsident von Transnistrien ist seit 2016 der frühere Armee-Oberst Wadim Krasnoselski, zuvor Sicherheitschef von: Sheriff. Und schließlich: Einer der zwei Gründer von Sheriff ist Viktor Guschan, wenig überraschend Präsident und Gönner des firmeneigenen Fußballklubs.

Der FC Sheriff ist so ziemlich das Einzige, das Transnistrien noch mit Moldau verbindet. Der Klub, 1996 gegründet, seit 1998 erstklassig, ist in der ersten Liga von Moldau mittlerweile 19-mal Meister geworden. Nur der FC Dacia Chisinau (2011) und der FC Milsami aus der Stadt Orhei (2015) kamen den Wespen, wie die Spieler des FC Sheriff wegen der Vereinsfarben Gelb und Schwarz genannt werden, überraschend dazwischen.

Firma als Fußballklub

Der Klub aus Tiraspol aber ist vergleichsweise gut ausgestattet. Er besitzt ein modernes Trainingsgelände und ein schickes Stadion mit immerhin 13.000 Plätzen. Der Kader ist mit 24 Legionären international besetzt. "Es ist nicht einfach, aber der Fußball vereint uns", sagt Trainer Juri Wernydub – ein Ukrainer.

Der Fußball mag die Spieler beim FC Sheriff vereinen, Wernydub glaubt jedoch, dass seine Mannschaft und ihre Spiele in der Champions League "Moldau und Transnistrien vereinen". Nun ja. Die Spieler wie der peruanische Verteidiger Gustavo Dulante wollen von Spannungen eh nichts wissen: "Der einzige Unterschied ist: Wir haben den Rubel, sie nutzen den Lei." (red, sid, 29.9.2021)