Die Mandlwand in Mühlbach am Hochkönig diente alljährlich einer Zusammenkunft der Neonaziverbindung als Kulisse.

Foto: Stefanie Ruep

Die Polizei habe sie vor den Gästen ihrer Almhütte gewarnt, erzählt die ältere Frau. "Ich hab diese Leute aber schon seit Jahren zu Gast", so die Eigentümerin. Es habe nie Beschwerden gegeben. Besuch von der Polizei bekam Frau S., weil es sich bei "diesen Leuten" um organisierte Neonazis handelt, um Mitglieder der internationalen Vereinigung "Hammerskin Nation". Akteure des durchorganisierten Netzwerks werden in den USA, in Portugal, aber auch in Deutschland für schwere Straftaten verantwortlich gemacht. Ihre Opfer waren immer Minderheiten, Migranten und andere, die nicht ins Weltbild der Neonazis passen.

Seit Jahren soll ein jährliches Treffen der Hammerskins am Ortsrand von Mühlbach auf dem Hochkönig abgehalten worden sein. Das hat das antifaschistische Webportal "Exif-Recherche" zuletzt publiziert.

Gewalttaten international

"White Power"-Ideologie und Antisemitismus prägen das Weltbild der Hammerskin Nation. Die internationale Vereinigung Rechtsextremer wurde in den späten 1980er-Jahren in den USA gegründet. Durch ihre strenge Hierarchie, formalisierte Zugangsbeschränkungen, elitäres Gehabe und Gewaltaffinität spitzt die Vereinigung Bestrebungen jeder faschistischen Bewegung zu. Zentrale Akteure des Neonazinetzwerks huldigen nicht nur Rechtsterroristen in der Öffentlichkeit. Ihre Mitglieder brüsten sich auch mit Schusstrainings und Gewalttaten.

Manche der Hammerskins landeten auch schon vor Gericht: Ein bekannter deutscher Hammerskin soll für portugiesische "Kameraden" Waffen besorgt haben. 2008 wurden in Portugal dann 31 Neonazis, darunter zahlreiche Hammerskins, wegen Nötigung, Verhetzung, Entführung, Raubes und illegalen Waffenbesitzes verurteilt.

2011 hatten sich fünf migrantische Männer im deutschen Winterbach vor Neonazis, darunter zahlreiche Hammerskins, in eine Gartenhütte geflüchtet. In der Folge hatte die Hütte "Feuer gefangen", hieß es vor Gericht. Elf Rechtsextreme wurden wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen verurteilt, das Gericht sprach von einer "Hetzjagd".

Am 5. August 2012 stürmte ein Mann im US-Bundesstaat Wisconsin einen Sikh-Tempel und ermordete sechs Menschen. Er war Hammerskin. Und auch wenn in der Aufklärung rund um das Netzwerk des rechtsterroristischen NSU in Deutschland noch viele Fragen offen geblieben sind – sicher ist: Auch hier bestanden enge Kontakte zu den Hammerskins.

Bayerischer Ableger zu Gast in Salzburg

Hinter Holzstößen am Ortsanfang von Mühlbach am Hochkönig steigt eine Asphaltstraße steil durch den Wald an. Kaum lichtet sich der dunkle Nadelforst, gerät ein beschauliches Holzhaus am steilen Abhang in den Blick. Die Selbstversorgerhütte mit schmucker Inneneinrichtung bietet bis zu 17 Gästen Platz. "Urige Adresse für Familien mit Kindern", schreibt ein Nutzer in den Google-Bewertungen. Hier sollen sich deutsche, Schweizer und österreichische Hammerskins alljährlich getroffen haben, berichtet "Exif-Recherche". Ein Rechtsextremismus-Experte hält die Publikation für fundiert.

Angemietet wurde die Hütte zuletzt von Alexander W., einem bekannten Rechtsextremen aus dem Kreis Braunau. Die Treffen waren die jährliche Winterzusammenkunft des bayerischen Ablegers der Hammerskins, bei dem W. eine zentrale Rolle einnehmen soll. Immer Mitte März hätten sich zehn bis zwölf Männer für ein langes Wochenende in der Hütte getroffen, erinnert sich die Vermieterin. Aufgefallen seien ihr nur die "ekligen" Tattoos der Männer. Aber heutzutage "gibt es viele Leute mit schlimmen Tätowierungen", so die Frau. Die Brust von besagtem W. etwa schmückt eine große Schwarze Sonne. Das Symbol dient Neonazis als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz. Auf mehrmalige Anfragen des STANDARD hat Alexander W. nicht geantwortet.

Im vergangenen Frühjahr fiel das Treffen in Mühlbach aufgrund des Corona-bedingten Beherbergungsverbots aus. Ob sich die Hammerskins anderswo getroffen haben, ist unbekannt. Die Anwesenheit der Neonazis in den Jahren davor ist aber unbestritten. Ein Foto aus den sozialen Medien zeigt besagtes Holzhaus in Mühlbach, umgeben von schmelzenden Schneefeldern. Von der Brüstung des Balkons weht die Fahne der Hammerskins, zwei gekreuzte Zimmermann-Hämmer – auf dem geteilten Bild notdürftig überkritzelt, aber erkennbar. Die Fahne sei ihr auch aufgefallen, so die Vermieterin, "aber auch Fußballfans hängen ihre Fahne auf".

Struktur der Hammerskins

Derart offene Bekenntnisse zu den Hammerskins sind ungewöhnlich. Abgesehen von Aufnähern bei einschlägigen Veranstaltungen sind Hammerskins dazu angehalten, ihre Mitgliedschaft für sich zu behalten. Und dem wird in der Regel Folge geleistet, präsentiert sich die Hammerskin Nation, wie sie sich offiziell nennt, doch als stramm organisierte und elitäre Verbindung. Verstöße werden mit Gewalt oder Ausschluss geahndet.

Nach dem Vorbild der Rockerszene müssen sich Hammerskins stufenweise zur Vollmitgliedschaft hochdienen: Die Crew 38 dient als Sammelstruktur für Interessentinnen und Interessenten – ihr können auch Frauen angehören. Der weitere Aufstieg aber bleibt Frauen verwehrt, während sich Männer den Rang des "Prospect" (Anwärter) erarbeiten können. Nach einer Probezeit kann dieser in eine Vollmitgliedschaft bei den Hammerskins umgewandelt werden.

Rechtsrock-Konzerte zur Finanzierung

Bei rechtsextremen Musikveranstaltungen etwa, die zur Finanzierung der Szene dienen, werden insbesondere Crew-38-Mitglieder zur Arbeit eingesetzt. So dürfte es auch kein Zufall sein, dass Alexander W.s E-Mail-Adresse den Code "C38" enthält. Laut "Exif-Recherche" ist der Mann aus dem Bezirk Braunau aber schon längst zum Vollmitglied aufgestiegen.

Neben Frankreich, Ungarn, Deutschland und Spanien existieren Hammerskin-Chapter inklusive Vorfeldstrukturen in zahlreichen weiteren europäischen Ländern. Dem Netzwerk gehören nicht nur Rechtsrock-Bands wie Division Germania und Stahlgewitter an, auch bekanntere rechtsextreme Bands wie Brainwash spielten auf den Veranstaltungen. Das jährliche Hammerfest, Merchandise und Tonträger finanzieren das Netzwerk, und selbst bei einschlägigen Kampfsportveranstaltungen haben die Hammerskins ihre Finger im Spiel.

Rechtsextreme Herbergssuche

Die Hammerskins stünden unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, gibt man im Innenministerium auf STANDARD-Anfrage bekannt. "Zwischen den einzelnen rechtsextremen Gruppierungen in Österreich gibt es personelle und ideologische Überschneidungen, Unterstützungen und Absprachen." Warum die Hammerskins aber in den Verfassungsschutzberichten der letzten zehn Jahre keinerlei Erwähnung gefunden haben, lässt der Ministeriumssprecher offen.

Offen bleibt auch, wo das geplante Treffen der bayerischen Hammerskins im Oktober stattfinden soll. Die "Urige Adresse für Familien mit Kindern" in Mühlbach am Hochkönig steht in Zukunft "aus persönlichen Gründen" nicht mehr zur Vermietung, so die Eigentümerin. Alexander W. und seine tätowierten "Kameraden" dürften aktuell auf der Suche nach einer neuen Bleibe sein. (Christof Mackinger, 30.9.2021)