Speziell auf den neuen Konsolen sieht das Spiel unglaublich realistisch aus.

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So wie sich manche Menschen jedes Jahr ein neues iPhone holen, greifen viele Spieler jährlich zum neuen "Fifa". Die 22er-Auflage bietet neben einem besseren Spielgefühl, zahlreichen Modi und aktualisierten Kadern auch die in der Kritik stehenden Kartenpackungen im Ultimate-Team-Modus. Neben einem ausführlichen Blick auf das Gesamtpaket "Fifa 22" soll deshalb auch der "Fifa"-Profi Philipp Gutmann von Wacker Gaming zu Wort kommen, um den anhaltenden Erfolg des Modus zu erklären.

Gutmann verdient seit 2018 sein Geld als "Fifa"-Profi. Bevor er im vergangenen Jahr zu Wacker Gaming wechselte, war er beim SK Sturm unter Vertrag. Neben zahlreichen internationalen Turnier-Teilnahmen hat er in der heimischen eBundesliga bereits zwei Meistertitel holen können.

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Ein kurzer Überblick

Kenner der Vorjahresversion werden schnell merken, dass "Fifa 22" einen Tick langsamer geworden ist. "Dadurch, dass diesmal extrem viele neue Animationen hinzugefügt wurden, ist das Spielgefühl doch ein sehr anderes, an das man sich erst gewöhnen muss", bestätigt auch Philipp Gutmann, "vor allem bei Ballannahmen und Mitnahmen." Bei den Torhütern hat man in den Eins-gegen-eins-Situationen tatsächlich den Eindruck, dass man einem ebenbürtigen Gegner gegenübersteht, nur bei Weitschüssen leisten sich die Hintermänner immer wieder peinliche Fehler. Flanken sind laut Gutmann in diesem Jahr ein Stück zu stark ausgefallen – ein Problem, mit dem man sich bei "Fifa" alle Jahre wieder einmal beschäftigen muss.

Auffällig sind viele Detailverbesserungen. Spielstatistiken, die in der Halbzeit und nach dem Spiel angezeigt werden, lassen fast unendlich viele Informationen auf uns einprasseln, die auch für die eigene Taktik nicht unwesentlich sein können. Ladezeiten sind zumindest auf PS5 und Xbox Series X/S wesentlich kürzer als in der Vergangenheit, was besonders bei längeren Sessions ein Mehr an Lebensqualität schenkt.

Langweilig kann einem mit "Fifa 22" wohl nicht werden. Mittlerweile gibt es mehr unterschiedliche Modi als Meistertitel von Salzburg. Im Karriere-Modus kann man sich erstmals einen eigenen Klub erstellen, den man dann in einer Liga seiner Wahl platzieren und managen kann. Im Pro-Club-Modus könnt ihr erneut einen Spieler erstellen und diesen dann auf seiner Position begleiten und stärker werden lassen. Da freut man sich auch, wenn man einmal "nur" den entscheidenden Pass gegeben hat – man fühlt sich in einem Team und nicht als Alleinunterhalter, wie wenn man "Fifa" klassisch spielt und jedes Teammitglied übernimmt.

Im Modus Volta darf man sich wieder auf Straßenplätzen duellieren, allerdings merkt man, dass das Gameplay dafür nicht ausgelegt ist, weshalb die meisten wohl auch weiterhin lieber in den großen Stadien der Welt gegen das Leder treten wollen als im Sand von Rio de Janeiro.

TFVGaming I Rohan Trehan

Die Krux mit den Versionen

Wer sich auf seiner PS4, der Switch oder auf PC wundert, warum sich die neuen Animationen gar nicht so neu anfühlen – der Eindruck täuscht nicht, es gibt hier keine neuen Animationen. Das Spiel sieht und fühlt sich auf den neueren Plattformen PS5 und Xbox Series X/S deutlich frischer an und sieht zudem wesentlich hübscher aus.

Diese Unterschiede bei den Versionen begleiten "Fifa" ebenfalls schon länger, speziell beim Wechsel zu einer neuen Konsolengeneration. Die Switch ist ja seit Anbeginn ihrer Zeit mit einer "Legacy"-Version bedient, die per se kein schlechtes Spiel liefert, aber halt auch nicht die Eindrücke des neuen "Fifa" vermitteln kann.

Kartentricks

Über eine Milliarde US-Dollar verdiente Spielehersteller Electronic Arts im vergangenen Jahr mit dem Modus Fifa Ultimate Team (FUT). Obwohl man den Modus ohne das Einwerfen von Echtgeld spielen kann, spendieren viele jugendliche Spieler gerne ihr Taschengeld, um Kartenpackungen für den Modus zu kaufen. Ziel ist es nämlich, das ultimative Team zusammenzustellen, mit dem man online sämtliche Gegner plattmachen kann. Leider kann man tolle Spieler nicht einfach kaufen, sondern man findet sie in Kartenpackungen, vergleichbar mit denen, die man früher in der Trafik für das eigene Panini-Album gekauft hat.

"Das Problem dabei ist, dass die Wahrscheinlichkeit, einen wirklichen Topstar wie Ronaldo, Messi oder Mbappe zu ziehen, verschwindend gering ist", erklärt Gutmann. Er selbst habe in den letzten drei Jahren etwa 5.000 Euro für Kartenpackungen ausgegeben und genau einmal Messi gezogen. Gutmann bekommt das Geld für die Karten größtenteils von seinem Verein – ein Luxus, den der durchschnittliche "Fifa"-Spieler nicht hat. Ohne gut bewertete Spieler ist es allerdings quasi unmöglich, sich mit anderen zu messen, die bessere Karten haben.

Laut Gutmann kann man jedoch auch anders an gute Karten kommen, etwa durch gutes Wirtschaften am Transfermarkt oder auch durch sehr viel Spielzeit. Diese Wege sind natürlich absichtlich steinig und langwierig gestaltet, was unfreiwillig veröffentlichte Dokumente im April dieses Jahres zu beweisen schienen. Dort wurde das Geld im Spiel intern offenbar als "grind currency" bezeichnet, das somit mühsam vom Spieler erarbeitet werden muss. So soll laut den Dokumenten sichergestellt werden, dass die Leute dann doch den einfachen Weg über die Kartenpackungen gehen.

Für die E-Sport-Ambitionen des Spiels heißt das: Speziell die Profis müssen viel Geld investieren, damit sie mit der Konkurrenz mithalten können. Junge Spieler ohne Sponsor im Hintergrund haben deshalb kaum eine Chance, sich hier auf Augenhöhe messen zu können. "Im E-Sport sollten meiner Meinung nach alle die gleichen Chancen haben, und das ist in dem aktuellen System einfach nicht gegeben," sagt Gutmann. Laut ihm gibt es von der Community immer wieder "leicht umsetzbare Lösungsvorschläge", diese seien bis jetzt allerdings ignoriert worden.

Wie lange der Modus in dieser Form noch bestehen wird, bleibt abzuwarten. In Belgien wurden die FIFA-Points im Spiel bereits verboten, in England wird "FIFA" und seine Glücksspielmechaniken derzeit von der Regierung geprüft. Würde man die Kartenpackungen tatsächlich künftig verbieten, wäre das für EA ein herber finanzieller Schlag.

Die Kader werden laufend aktualisiert. David Alaba spielt deshalb natürlich bereits bei Real Madrid.
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Fazit

"Fifa 22" ist eine runde Sache geworden, speziell auf den neuen Konsolen. Die zusätzlichen Animationen sehen butterweich aus, und wenn die Haare von Messi durch den Wind wehen, kann man die kalte Luft in Paris fast riechen. Wer zudem seine Fähigkeiten bei seinem Lieblingsklub unter Beweis stellen will, der kann das ohnehin mittlerweile in keinem anderen Spiel tun. Der große Konkurrent "Pro Evolution Soccer" heißt mittlerweile "eFootball" und kommt in diesem Jahr erstmals kostenlos auf den Markt. Enthalten ist jedoch zum Start am
Donnerstag lediglich ein Onlinemodus, mit dem man sich gegen andere Spieler beweisen kann. Andere Modi werden via DLC kostenpflichtig nachgeliefert.

So bleibt für den glühenden Rapid-, SK-Sturm- oder Bayern-München-Fan in diesem Jahr wohl nur eine Wahl, und diese ist eine sportlich gesehen sehr gute. Einzig der fade Beigeschmack von Fifa Ultimate Team und seinen Glücksspielmechaniken bleibt auch in diesem Jahr.

Erscheinen wird das neue "Fifa 22" für alle Plattformen am Freitag. Für den Test wurden dem STANDARD verschiedene Versionen des Spiels zur Verfügung gestellt. (aam, 30.9.2021)