Die Regierung ließ sich am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat keine weiteren Details zur geplanten ORF-Gesetzesnovelle bekannt.

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Wien – Der am Mittwoch im Ministerrat vorgelegte Zeitplan – DER STANDARD berichtet hier ausführlich darüber – für eine ORF-Gesetzesnovelle stößt weitgehend auf Kritik. Sowohl Opposition als auch so mancher Stiftungsrat sehen es kritisch, dass erst mit Jahresende ein Entwurf für die vom ORF herbeigesehnte Überarbeitung seiner Möglichkeiten im digitalen Raum vorliegen soll. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz plädiert dafür, Finanzierungsfragen vorerst auszuklammern, sonst "kommt am Schluss gar nichts raus."

Ministerrat ohne Details

Die Regierung ließ sich am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat keine weiteren Details zur geplanten ORF-Gesetzesnovelle entlocken. Bekräftigt wurde von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als ehemaligem Medienminister, dass der ORF im Onlinebereich mehr Möglichkeiten brauche und zugleich als Partner der Privaten auftreten müsse. Eine finanzielle Absicherung sei auch künftig vorgesehen. "Details" – etwa ob die Streaminglücke geschlossen werden soll – seien aber noch nicht festgeschrieben. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte, dass sowohl der ORF als auch die gesamte Medienlandschaft von der Gesetzesnovelle profitieren sollen.

Wrabetz: Finanzierung vorerst ausklammern

Wrabetz zeigte sich erfreut, dass "nach langem Ruhen Bewegung in die Angelegenheit kommt". "Der große Wurf ist es noch nicht, aber ein Arbeitsauftrag, den sich die Regierung selbst gegeben hat. Ich hoffe, dass sie ihn ernst nimmt", so der amtierende ORF-Chef. Dabei plädiert er dafür, dass sich der Gesetzgeber auf die drängendste Baustelle fokussieren solle: die digitale Bewegungsfreiheit des ORF. Konkrete Hemmschuhe sind die maximale Bereitstellungsdauer von sieben Tagen für Inhalte sowie dass diese nicht "online only" und "online first" produziert werden dürfen. "Die Finanzierung sollte man vorerst ausklammern, sonst kommt am Schluss nichts heraus", meinte Wrabetz.

Stiftungsratsitzung zu ORF-Gebühr am 14. Oktober

Zwecks Finanzierung des ORF treffen sich die 35 Stiftungsräte des obersten ORF-Gremiums am 14. Oktober per Skype zu einer Sondersitzung. Dabei steht wie berichtet die Neufestsetzung des Programmentgelts am Programm. Dabei dürfte vom amtierenden ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der den Antrag bis Jahresende stellen muss, eine GIS-Gebührenerhöhung von rund acht Prozent vorgesehen sein, DER STANDARD berichtete. Kritik an dieser kolportierten Erhöhung kam am Mittwoch von ÖVP-Mediensprecher Alex Melchior, er sieht diese Erhöhung "völlig deplatziert". Entschieden gegen die geplante Erhöhung der ORF-Gebühren sprachen sich auch FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl und FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker aus. Mehr zur Gebührendebatte dazu lesen Sie hier.

Leichtfried spricht von "Armutszeugnis"

"Mehr als peinlich" sei es, die Ankündigung einer Punktation in einen Ministerratsbeschluss zu schreiben, fand SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried in einer Aussendung kritische Worte. "Dass Türkis und Grün nach eineinhalb Jahren jetzt wieder nur Überschriften abliefern, ist ein Armutszeugnis." Die türkis-grüne Medienpolitik erschöpfe sich in Postenbesetzungen im ORF, während die überfällige Reform erneut auf die lange Bank geschoben werde, so der SPÖ-Mediensprecher. Er forderte digitale Entwicklungsfreiheit und Ermöglichung neuer Angebote, Zugänge und Kanäle für den ORF. Im Gegenzug dazu könne er sich weitgehende Werbebeschränkungen im Digitalbereich vorstellen, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.

Neos: "Ein Witz"

"Wir wissen alle seit Jahren um die zentralen Probleme des ORF Bescheid. Dass sich die Regierung jetzt erst einmal in einem Sesselkreis zusammensetzen möchte, um jene Probleme zu benennen und nicht mehr liefert als vage Überschriften, ist ein Witz", reagierte Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer Aussendung. Die "lieblos hingeknallte türkis-grüne Punktation" offenbare lediglich die "Ambitionslosigkeit der Bundesregierung bei der ORF-Reform". Brandstötter fordert eine Entpolitisierung und Professionalisierung der ORF-Gremien, eine Reduktion der Werbung und eine gestaffelte Haushaltsabgabe. "Das schließt die Streaminglücke, zugleich verteilt sich die Abgabe auf mehr Köpfe und wird somit günstiger für den Einzelnen", so die NEOS-Mediensprecherin.

Streaminglücke lösen

Thomas Zach, Leiter des bürgerlichen "Freundeskreises" im Stiftungsrat, meinte in Hinblick auf den angekündigten Zeitplan für die ORF-Gesetzesnovelle: "Umso früher der ORF die Möglichkeiten der Digitalisierung besser nützen kann, desto besser." Zur Streaminglücke hielt er fest: "Aktuell gibt es diese Lücke. Daher ist aus Sicht des Unternehmens klar, dass das gelöst werden sollte."

Lederer: "Viel Lärm um nichts"

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", sah eine Ankündigung ohne Inhalt gegeben: "'Viel Lärm um nichts' ist nicht nur ein Stück von Shakespeare." Er forderte gegenüber der APA die Regierung auf, im Interesse des Medienstandorts nicht nur eine Punktation bis Ende des Jahres vorzulegen, sondern ein mit der Opposition fertig ausverhandeltes Gesetz. "Es ist fünf nach zwölf für den ORF", so Lederer.

Lothar Lockl, der für die den Grünen nahestehenden Stiftungsräte spricht, sieht es positiv, wenn die Regierung die "Steinzeitgesetze" modernisiert: "Die jetzigen Regelungen atmen den Geist des Schwarzweiß-Fernsehens und ermöglichen keine Chancengleichheit gegenüber den IT-Plattformen aus Übersee." Das Schließen der Streaminglücke wäre "wünschenswert". Schließlich gehe der Trend in Richtung Streaming und der ORF brauche eine nachhaltige Finanzierung. Das sei aber Sache des Gesetzgebers, der in medienpolitischer Hinsicht in den vergangenen 20 Jahren im "Tiefschlaf" geweilt habe. (APA, red, 29.9.2021)