Wem gehört Jesus? Allen, die ihn brauchen.

Foto: Filmdelights

Siculiana ist ein Ort im südlichen Sizilien, nicht fern der Küste Nordafrikas. Kein Wunder, dass es dort Spuren afrikanischer Kultur zu finden gibt, die Luca Lucchesi in seinem von Wim Wenders produzierten Dokumentarfilm A Black Jesus wie beiläufig entdeckt: in der kargen, sandfarbenen Architektur, dem arabisch klingenden Marktschrei des Obstverkäufers und am Altar der Kirche. Dort befindet sich eine schwarze Jesusfigur, die von den Einwohnern des Dorfes frenetisch verehrt wird.

Dieser titelgebende schwarze Jesus ist Dreh- und Angelpunkt eines christlichen Paradox, das der Film behandelt: Hier eine angebetete dunkelhäutige Heiligenstatue, dort die instinktive Ablehnung der afrikanischen Migranten, die in einem Auffanglager im Dorf leben.

Dass der moralisierende Kontrast zwischen Devotionalie und Mensch nicht ganz aufgeht, weiß Lucchesi selbst. Statt mit dem Finger auf die rassistischen Dorfbewohner zu zeigen, versucht er das strukturelle Problem offenzulegen, worunter beide Gruppen, Migranten wie Einwohner, leiden: Perspektivlosigkeit.

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Das gelingt Lucchesi, indem er im Laufe eines Jahres alltägliche und festliche Momente aus dem Leben verschiedener Dorfbewohner zeigt. So entsteht eine differenzierte Erzählung zwischen Glaube, Fremdheitserfahrung, Begegnung und Frustration.

Brücken zu bauen ist ein ständiger Kampf, nicht nur gegen Vorurteile, sondern vor allem gegen hetzerische Politik, das macht der Deutschlehrer der Migranten deutlich. Und als die Geflüchteten Peter und Samuel den Pfarrer bitten, helfen zu dürfen, den schwarzen Jesus bei der nächsten Prozession durch das Dorf zu tragen, dann wiegt in diesem Schulterschluss zwischen Europäern und Afrikanern die Symbolik schlussendlich schwerer als die Realpolitik. (Valerie Dirk, 30.9.2021)