Kompakt wie eh und je: Das neue Modell der Ricoh GR.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Klein genug für die Hosentasche, die liebste Brennweite und eine hervorragende Bildqualität: Diese drei Dinge zählen für viele Enthusiasten und auch Profis wahrscheinlich zu den wichtigsten Kriterien auf der Suche nach der perfekten Immer-dabei-Kamera.

Ricoh scheint das vor Jahren verstanden zu haben, weshalb das japanische Unternehmen die Ricoh GR schon 2013 mit einem APS-C-Sensor ausstattete, um die einst analogen Kompaktkameras im digitalen Zeitalter konkurrenzfähig zu machen. Seither sind mehrere Nachfolgemodelle erschienen, die vor allem bei Street-Fotografen beliebt sind.

Gemeinsam hatten diese stets das 28-Millimeter-Objektiv mit einer Offenblende von f/2.8. Zumindest bis jetzt: Mit der Ricoh GRIIIx wurde im September nämlich der Wunsch nach einer Alternativversion mit größerer Brennweite verwirklicht. Während Sensor und Body der 2018 erschienenen GRIII gleichen, schmückt sie eine 40-Millimeter-Optik.

DER STANDARD hat das Gerät getestet, um herauszufinden, wie sich der Wechsel zu einem doch porträtlastigeren Objektiv auf das Nutzererlebnis auswirkt und für wen sich ein Kauf wirklich lohnen könnte.

Eine wichtige Information vorab: Wer unbearbeitete Beispielfotos im Detail betrachten will, sei auf den zugehörigen Google-Drive-Ordner verwiesen, wo zusätzliche Aufnahmen und ein ISO- und Schärfetest zu finden sind.

Kompakt und hochwertig

Hält man die GRIIIx erstmals in den Händen, fällt schnell die hochwertige Verarbeitung auf. Das Gehäuse ist solide, und die Knöpfe sind alle an der richtigen Stelle, gut verarbeitet und wackeln nicht. Einzig die Abdeckung des fest verbauten Objektivs, die beim Einschalten der Kamera eingefahren wird, scheint anfällig für Schäden, sollte man versehentlich dagegen drücken.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Wer volle Kontrolle über das Belichtungsdreieck aus ISO, Verschlusszeit und Blende will, kann entsprechende Einstellungen mit ein wenig Übung auch einhändig und über zugewiesene Kontrollräder vornehmen. Für einen schnellen Wechsel zwischen Programm- und manuellem Modus, Belichtungs- und Blendenpriorität gibt es auf der Oberseite für alle anderen ein leicht erreichbares Einstellrädchen.

All das dürfte Nutzern des Vorgängermodells bereits bekannt vorkommen, und auch sonst hat sich im Vergleich zur GRIII – natürlich abgesehen vom neuen Objektiv – nicht viel verändert. Das rückseitige Drei-Zoll-Display löst weiterhin mit einer Million Pixeln auf und verfügt über Touch-Funktionalität, die man primär für das Anschauen von Bildern oder das Setzen neuer Fokuspunkte nutzen kann. Aufgrund der geringen Größe des Gehäuses kam es im Praxistest allerdings immer wieder vor, dass der Fokuspunkt unabsichtlich verschoben würde.

Abgesehen davon ist das Panel zufriedenstellend, und die Schärfe reicht für die Komposition und nachträgliche Schärfekontrolle bei weitem aus. Einzig bei direkter Sonneneinstrahlung wird es teils unmöglich, zu erkennen, was eigentlich zu sehen sein sollte.

Der Grund für ein Upgrade?

Star des neuen Systems ist also offensichtlich das APS-C-Objektiv mit einer äquivalenten Brennweite von 40 Millimetern bei einer Offenblende von f/2.8. Die Leistung ist trotz – oder gerade wegen – der kompakten Bauweise beeindruckend. Selbst bei offener Blende ist das Bildzentrum so scharf, dass man auch bei 100-prozentigem Zoom alle Details erkennen kann. Einzig in den Ecken gibt es einen leichten Schärfeabfall. Bei f/2.8 macht sich zudem eine deutliche Vignettierung erkennbar, die in der Nachbearbeitung allerdings problemlos entfernt werden kann.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Am schärfsten scheint das neue Objektiv zwischen Blende f/7.1 und f/9 zu sein. Möchte man wirklich einen Unterschied erkennen, muss man allerdings stark hineinzoomen und ganz genau hinsehen, was in der Praxis kaum eine Rolle spielen wird.

Zusammen mit dem verbauten 24-Megapixel-Sensor liefert die GRIIIx meist farbgetreue Fotos, die eine schnelle und simple Nachbearbeitung ermöglichen.

Lowlight-Leistung

Wer mit ISO-Automatik fotografiert, braucht zudem nicht davor scheuen, als Höchstwert 3200 – und im Notfall sogar 6400 einzustellen. Erstes minimales Bildrauschen ist zwar schon bei ISO 1600 zu sehen, wirklich störend wird dieses allerdings erst bei 6400. Dann gesellt sich außerdem ein leichtes Farbrauschen hinzu. Die Einstellung sollte also sehr individuell gewählt werden, auch davon abhängig, welchen Verwendungszweck man für die Fotos hat.

Möchte man den ISO-Wert hingegen nicht allzu weit in die Höhe treiben, erlaubt die In-Body-Bildstabilisierung auch Aufnahmen mit niedrigeren Verschlusszeiten. Maximal drei Blendenstufen soll diese ausgleichen können. Für alle, die in hellen Situationen mit Offenblende fotografieren wollen, gibt es außerdem einen integrierten ND-Filter.

Autofokus

Der hybride Phasendetektions- und Kontrastautofokus konnte im Praxistest in den meisten Situationen mithalten und das gewünschte Subjekt schnell genug scharfstellen. Auch die Gesichtserkennung scheint zuverlässig zu sein, solange genug vom Gesicht sichtbar ist. Dreht man sich zu weit von der Kamera weg, sodass nur noch das Profil erkennbar ist, verliert einen das System recht bald aus den Augen.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Weniger rosig sieht es hingegen in der Nacht oder in eher dunklen Umgebungen aus. Gerade in Verbindung mit höheren ISO-Werten hatte die Kamera immer wieder mit einer verlangsamten oder auch falschen Fokussierung zu kämpfen.

Snap Focus

Für entscheidende Momente gibt es deshalb erneut den sogenannte Snap Focus. Mit diesem kann man eine bestimmte Entfernung einstellen, auf die beim Durchdrücken des Auslösers ohne Umwege fokussiert wird. Sinn dessen ist, selbst die flüchtigsten Momente einfangen zu können, ohne am Ende ein unscharfes Foto betrauern zu müssen.

Unter Nutzern der 28-Millimeter-Varianten der GR-Serie scheint die Funktion sehr beliebt zu sein, allerdings ist die Anwendung bei der GRIIIx deutlich schwieriger als beim Geschwistermodell. Stellt man bei einem Weitwinkelobjektiv eine bestimmte Entfernung ein und schließt die Blende auf f/5.6 oder f/7.1 kann man nämlich davon ausgehen, dass ein relativ großer Bereich scharf sein wird, selbst wenn sich ein Subjekt nicht an der perfekten Stelle befindet.

Ein 40mm-Objektiv verhält sich hingegen schon eher wie eine Porträtbrennweite. Die Tiefenschärfe ist also geringer und der Bokeh-Effekt deutlich prominenter. Möchte man also den Snap Focus verwenden, muss man Entfernungen sehr viel genauer schätzen. Das macht die Nutzung natürlich nicht unmöglich, bedeutet allerdings eine steilere Lernkurve.

Fazit

Der große Sensor, die hochwertige Optik und die gleichzeitig kompakte Bauweise machen die GRIIIx zu einem interessanten Begleiter für den Alltag. Eine direkte Konkurrenz scheint es außerdem noch immer nicht zu geben, wenn man die X100-Serie von Fuji und die Q2 von Leica mal außen vor lässt. Beide Kameras sind deutlich größer, die Leica außerdem mehrere 1000 Euro teurer. In die Hosentasche passt keine von beiden.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Mit der GR-Serie scheint sich Ricoh zudem an eine klare Zielgruppe zu wenden: Street-Fotografen, die die kompakten Kameras der japanischen Firma teils schon seit Jahren ihr Eigen nennen. Bedenkt man, dass die beliebtesten Brennweiten in der Szene 28 mm, 35 mm und 50 mm sind, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auf den Wunsch nach einer Alternative reagiert wird. Mit dem tatsächlich verbauten 40-mm-Objektiv scheint man gleichzeitig einen guten Mittelweg gefunden zu haben, um nur eine neue Optik entwickeln zu müssen.

All das spiegelt sich auch im Preis von 999 Euro wider, der Hobbyisten auf der Suche nach einer neuen Urlaubskamera abschrecken könnte. Zu unscheinbar sind die GRIII und GRIIIx auf den ersten Blick, wenn man nicht weiß, welche Leistung in diesem kleinen Gehäuse steckt.

Weniger interessant werden sie dadurch natürlich nicht. Wer also ein kompaktes System mit moderner Leistung sucht, sollte auch die GRIIIx – oder eben dessen weitwinklige Geschwister – auf dem Schirm haben. (Mickey Manakas, 2.10.2021)