Eine Caritas-Veranstaltung in Graz vor einigen Jahren. Mitarbeiter und Freunde sind da, viele geistliche und weltliche Würdenträger.

Als der Eröffnungsredner die kommunistische damalige Wohnungsstadträtin Elke Kahr begrüßt, bricht die ganze fromme Versammlung in herzlichen Applaus aus. Der Gast aus Wien wundert sich. Aber ganz Graz weiß, dass Elke Kahr jahraus, jahrein jeden Monat aus ihrem Einkommen 4000 Euro in einen parteieigenen Spendentopf für Notleidende einzahlt. Was ihr bleibt, sind nicht ganz 2000 Euro. Mit der Pension ihres Lebensgefährten reicht das für ein bescheidenes Leben. Elke Kahrs Vorgänger Ernest Kaltenegger hat diesen Brauch eingeführt, und alle Grazer KPÖ-Mandatare halten sich daran.

Elke Kahr (KPÖ), nächste Bürgermeisterin der Stadt Graz.
Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Diese Vorgangsweise erinnert eher an Franz von Assisi als an Lenin, und das Unternehmen KPÖ Graz lässt eher an Caritas denken als an Weltrevolution. Die Kronen Zeitung nennt das Linkspopulismus. Die Presse nennt es Radical Chic. Auf kirchlich heißt so etwas "Option für die Armen", mit voller Konsequenz durchgeführt.

Elke Kahrs Handynummer steht im Telefonbuch und auch auf Plakaten. Wenn man anruft, hebt sie selbst ab. Das gespendete Geld fließt vor allem in geschuldete Mieten, um drohende Delogierungen zu verhindern, aber auch in Heizrechnungen, dringende Wohnungssanierungen und gelegentlich in eine neue Waschmaschine.

Besonderes Pflaster

Die Grazer Kommunistinnen und Kommunisten haben sich auch nicht die Mühe gemacht, ihren diskreditierten Namen zu ändern. Anderswo heißen die Nachfolger der einst einflussreichen und mittlerweile fast von der Bildfläche verschwundenen kommunistischen Parteien verschämt Die Linke wie in Deutschland oder La France insoumise wie in Frankreich. In Graz heißen sie unverdrossen weiter KPÖ und stellen neuerdings die stärkste Fraktion im Gemeinderat.

Die Grazer wundern sich darüber nicht besonders. Für sie bedeutet das K im Parteinamen ohnehin vor allem K wie Kahr oder K wie Kaltenegger. Die Hauptstadt der Steiermark, die zweitgrößte Stadt in Österreich, war schon immer ein besonderes Pflaster. In der Nazizeit trug sie den Ehrennamen "Stadt der Volkserhebung". Vor einigen Jahren wurde dort das Betteln an öffentlichen Orten verboten. Der sozialdemokratische Ex-Bürgermeister Alfred Stingl und der Theologieprofessor und katholische Priester Philipp Harnoncourt waren damit nicht einverstanden. Sie stellten sich gemeinsam in die Herrengasse, bettelten und ließen sich von der Polizei abführen. Manche fanden das empörend, anderen gefiel es. Beides typisch Graz.

Vor der jüngsten Gemeinderatswahl plakatierte die FPÖ unter ihrem Frontmann Mario Eustacchio in Richtung der afghanischen Flüchtlinge "Graz ist nicht eure Heimat".

Die Freiheitlichen haben bei der Wahl am Sonntag verloren. Die Elke-Kahr-Kommunisten haben gewonnen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 30.9.2021)