Der amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz will die ORF-Gebühren um acht Prozent erhöhen, das liegt unter der Inflationshöhe.

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Wie die GIS-Gebühren steigen könnten.

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Es hat fast ein bisschen was von Kindesweglegung. Die ÖVP lässt Roland Weißmann, den sie im August mit türkiser Mehrheit im ORF-Stiftungsrat zum neuen ORF-Generaldirektor gemacht hat, mit seinen Plänen nach einer ORF-Gebührenerhöhung abblitzen. Zumindest wenn es nach ÖVP-Mediensprecher Axel Melchior geht. Eine Gebührenerhöhung sei "völlig deplatziert", lässt Melchior via Aussendung ausrichten.

"Als Volkspartei sehen wir den Anstieg der GIS-Abgabe äußerst kritisch, denn aus unserer Sicht braucht es eine Politik der Entlastung, nicht der Gebührenerhöhungen", schreibt Melchior und adressiert mit seiner Kritik aber nicht Weißmann, sondern Alexander Wrabetz, der Anfang 2022 von Weißmann abgelöst wird. Wrabetz beschere den ORF-Sehern kurz vor seinem Abgang "deutlich spürbare und ungerechtfertigte Zusatzkosten". Was Melchior nicht schreibt: Von den "Zusatzkosten" würde nicht Wrabetz profitieren, sondern Weißmann.

Der noch bis Ende des Jahres amtierende Generaldirektor Wrabetz und sein Nachfolger Weißmann basteln derzeit am Antrag für höhere ORF-Gebühren. Gemäß ORF-Gesetz muss Wrabetz das bis Jahresende tun. Er macht das in enger Abstimmung mit Weißmann, der für die Realisierung seiner ORF-Pläne vor allem eines braucht: mehr Geld. Weißmann hat etwa eine Digitalisierungsoffensive, den Ausbau der Social-Media-Präsenz sowie mehr Programme aus den ORF-Landesstudios angekündigt.

GIS-Gebühr dürfte steigen

Kolportiert wird eine Erhöhung der GIS von acht Prozent, was unter der Inflationshöhe liegt. Das Programmentgelt stieg zuletzt 2017 um 6,5 Prozent und beschert dem ORF Einnahmen von rund 650 Millionen Euro pro Jahr. Rund zwei Drittel des ORF-Budgets werden aus den Gebühren gespeist. Je nach Bundesland müssen die Rundfunkteilnehmer derzeit monatlich zwischen 26,73 Euro (Steiermark) und 20,93 Euro (Vorarlberg und Oberösterreich) zahlen. Eine Erhöhung von acht Prozent würde eine monatliche Steigerung von rund 1,30 bis 1,40 Euro bedeuten. Der Betrag, der pro GIS-pflichtigen Haushalt an den ORF fließt, würde somit von 17,21 Euro auf etwa 18,60 Euro wachsen, siehe Grafik.

Höhere ORF-Gebühren beschließt aber nicht die Politik, sondern der Stiftungsrat. Das Gremium kommt am 14. Oktober zu einer Sondersitzung zusammen, um über den Antrag abzustimmen. ÖVP-nahe Stiftungsräte verfügen über eine solide Mehrheit. Sie könnten die Erhöhung im Alleingang beschließen. Ob sie das machen werden, kann Thomas Zach, Freundeskreisleiter der ÖVP-nahen Stiftungsräte und Dirigent hinter der Inthronisierung Weißmanns, nicht sagen. Die Zahlen lägen noch nicht auf dem Tisch.

Ein großes Fragezeichen im Zahlenspiel um das ORF-Budget ist, ob der öffentlich-rechtliche Sender mit einer Ausweitung des Gebührenzahlerkreises rechnen kann. Wie berichtet, plant die türkis-grüne Regierung das Schließen der sogenannten Streaminglücke. Künftig sollen auch jene Zuseherinnen und Zuseher zur Kasse gebeten werden, die ORF-Angebote streamen – etwa über Laptops, Tablets oder Smartphones.

Die Umsetzung der langjährigen ORF-Forderung lässt aber weiter auf sich warten. Sie geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2015 zurück, wonach für das Streamen der ORF-Angebote keine Gebühren zu zahlen sind.

Gesetz verzögert sich

Bis Ende des Jahres wollen ÖVP und Grüne nun eine Punktation vorlegen, die Umsetzung der ORF-Gesetzesnovelle werde im Laufe des nächsten Jahres erfolgen, gab die Regierung bekannt. Eine Digitalnovelle soll dem ORF – wie berichtet – mehr Spielraum geben. Etwa bei der Erstellung von "Online only"- und "Online first"-Inhalten, was bis jetzt an TV- und Radioinhalte gekoppelt ist. Eine wichtige Rolle soll dabei der ORF-Player mit seinen verschiedenen Modulen wie Information, Sport, Sound oder Live-Streams spielen. Dem ORF fehlen die gesetzlichen Grundlagen, um ihn umfassend starten zu können. Zu Fall gebracht werden soll mit der Digitalnovelle auch die Sieben-Tage-Frist, die beinahe alle Inhalte der ORF-TVthek betrifft.

Dass sich die Adaptierung des ORF-Gesetzes verzögert, kritisiert Heinz Lederer, Freundeskreisleiter der SPÖ-nahen ORF-Stiftungsräte, scharf. "Der Leidtragende der permanenten Verzögerung ist der gesamte Medienstandort Österreich", sagt Lederer zum
STANDARD. Die digitalen Fesseln seien eine Katastrophe, weil die Werbegelder weiter Richtung Facebook und Google wandern würden.

Harsche Kritik kommt von der Opposition. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried sagt: Die türkis-grüne Medienpolitik erschöpfe sich "in Postenbesetzungen im ORF – die überfällige Reform für einen unabhängigen, auch digital fitten ORF ist offenbar wieder auf der langen Bank". Für die Neos ist die Vorgehensweise ein "Witz", denn die Forderungen lägen seit Jahren auf dem Tisch. Die FPÖ kündigt einen neuerlichen Antrag im Nationalrat zur Abschaffung der GIS-Gebühren an, mehr dazu lesen Sie hier. (Oliver Mark, 29.9.2021)