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Überregionale Mächte führen regelmäßig Militärübungen im Indopazifik durch. Hier trainieren Großbritannien, Kanada und Japan.

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Die Gespräche in Pittsburgh am Mittwoch standen auf der Kippe. Als US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juni den "Handels- und Technologierat" ankündigten, war die Welt noch in Ordnung. Doch dann haben die USA, Australien und das EU-abtrünnige Großbritannien Mitte September den Sicherheitspakt Aukus verkündet. Seitdem ist alles etwas aus den Fugen.

Der Pakt hebelte nämlich einen Milliardenvertrag über mehrere U-Boote zwischen Australien und Frankreich aus. Nicht nur Paris war echauffiert, auch Brüssel stellte sich hinter das ausgebootete Land. Als Konsequenz wollte Paris das neue Format in Pittsburgh gar platzen lassen. Am Ende trafen sich die transatlantischen Partner, die gemeinsame Erklärung wurde aber verwässert.

Auch zwei Wochen nach der Verkündung des umstrittenen Pakts gibt es vielerorts Verstimmungen. Russland forderte am Mittwoch wieder mehr Informationen. Die Atomenergiebehörde IAEA meinte am Dienstag, dass es schwierig sein wird, die nuklearen U-Boote zu kontrollieren – immerhin ist Australien keine Atommacht. Und China, das der unausgesprochene Grund des Pakts ist, nannte den Deal am Dienstag eine "versteckte Gefahr für den regionalen Frieden".

Interessen im Südchinesischen Meer

Und doch ist den USA der Pakt das globale Gezeter offenbar wert. Im Indopazifik findet seit Jahren ein Aufrüsten statt, bei dem die USA gegenüber China zusehends ins Hintertreffen geraten sind. Es geht dabei unter anderem um Interessen im Südchinesischen Meer und die Taiwan-Frage. Die Volksrepublik sieht die Insel als abtrünnige Provinz, die es zurückzuerobern gilt. Allein 2020 drangen chinesische Kampfflugzeuge 380-mal in den taiwanischen Luftraum ein.

Oriana Skylar Mastro, China-Expertin an der Stanford University und am American Enterprise Institute, sorgte im Juni mit einem Artikel in Foreign Affairs für Aufsehen, in dem sie warnte, dass die Volksrepublik schon in wenigen Jahren eine Invasion in Taiwan durchführen könnte. Zum STANDARD sagt sie, dass Aukus an dieser Rechnung noch nicht viel geändert habe. Erst wenn China der Meinung sei, dass Länder auf eine Invasion "sehr stark" reagieren würden, würde Peking Taiwan nie attackieren. "Damit meine ich nicht ein paar Uno-Resolutionen, sondern das komplette Beenden von diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen."

Schwierige Position

Aukus sei also nur der erste von vielen Schritten, der zeigt, dass die USA Unterstützung dabei haben, China zurückzudrängen, analysiert Mastro. Der Pakt zeige auch, dass Länder dazu bereit seien, einen ökonomischen Preis zu zahlen, um ihre Werte und strategischen Interessen zu schützen.

Die südostasiatischen Länder selbst finden sich in einer schwierigen Position wieder: Als direkte, wenn auch maritime Nachbarn Chinas müssen sie ein Auskommen mit der aufstrebenden Weltmacht finden – auch wenn diese ihre Nachbarn teils unter Druck setzt. Sich einfach gegen China zu stellen kommt für sie nicht infrage. So bemühen sich die US-Diplomaten in der Region, zu beschwichtigen: Der Pakt werde die Indopazifik-Staaten "in keine unangenehme Position" bringen, betonte der US-Botschafter in Indonesien am Mittwoch. Die Zentralität der Asean-Staaten, also des Verbands Südostasiatischer Nationen, sei nicht infrage gestellt.

Und trotzdem machen die USA unter Joe Biden überdeutlich, dass ihr schon vor langem verkündetes "Pivot to Asia" nun Ernst wird: "Die früheren Präsidenten Donald Trump und Barack Obama haben zwar darüber gesprochen, waren aber im Irak und in Afghanistan beschäftigt", konstatiert Mastro. "Nun hat sich Biden aus Afghanistan zurückgezogen. Das zeigt, wie ernst es ihm ist."

Europäische "Kurzsichtigkeit"

Im Wettrennen mit China hofft Mastro daher auf weitere Allianzen in der Region, auch mit "nicht-traditionellen Partnern", wie etwa Vietnam und Singapur. "Die große Frage ist: Wird Biden Kooperationen auf Länder ausweiten, die keine Verteidigungspakte mit den USA haben?" Dass Europa mit Großbritannien überhaupt eine Rolle in dem Pakt spielt, überraschte Mastro. "Das Verhalten von Ländern wie Frankreich, die in den Deal nicht eingebunden waren, zeigt sehr gut, warum sie nicht inkludiert waren."

Den aktuellen Streit führt sie nicht auf schlechte Diplomatie der USA oder Australiens zurück, vielmehr ortet sie Kurzsichtigkeit bei den europäischen Ländern. "Die Zukunft ist in Asien. Länder können entscheiden, ob sie relevant sein wollen oder nicht. Europa ist nicht mehr das Zentrum der Macht." (Anna Sawerthal, 30.9.2021)